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Bildmappe Der Kasseler Osten
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1976
- Ort: Kasseler Osten
- Vom: 08.03.2019
- Themen: Fotos, Tonaufnahmen und Videos, Parteien, Vereine und Verbände
Die 1976 von der ARGE 850 (Arbeitsgemeinschaft zur Vorbereitung der 850-Jahrfeier Bettenhausen) herausgegebene Bildmappe „Der Kasseler Osten“ gestattet einen kurzen Spaziergang zu zwölf ausgewählten Objekten. In großformatigen Farbfotos mit Begleittext zeigt der Fotograf Ulrich Eichler die Motive östlich der Fulda, die ihm persönlich einen Besuch wert waren. Die Mappe sollte einen Beitrag dazu leisten, Bildbände und Chroniken von Kassel nicht grundsätzlich an der Fulda enden zu lassen.
Jeder, der Kassel mit der Kamera festhalten will, nimmt den Herkules in den Sucher. Aber nicht jeder Betrachter der zwölf Großfotos dieser Mappe wird wissen, warum er das Wahrzeichen der Stadt auch unter den Motiven aus dem Kasseler Osten findet. Für die Bewohner von Bettenhausen erscheint der Herkules klein. Runde neun Kilometer Luftlinie von Bettenhausen hinauf zum Kamm des Habichtswaldes über dem Kasseler Westen lassen die Riesenstatue schrumpfen. Dennoch sind die Menschen, die hier in Bettenhausen leben und arbeiten, auf den kupfernen Sagenhelden genau so stolz wie alle Bürger Kassels, vielleicht sogar ein wenig mehr. Denn hier, wo die Losse jahrhundertelang die Mühlräder einer ganzen Reihe von Werkstätten angetrieben hat, formten sich vor mehr als 260 Jahren unter den Schlägen des Kupferhammers im Messinghof die Kupferplatten, aus denen der Augsburger Goldschmiedemeister Anthoni die Riesenfigur zusammensetzte.
Als Sinnbild vergangener Fürstenmacht und -pracht ragt die Herkulesstatue in unsere Gegenwart. Für die Menschen in Bettenhausen wie in Waldau versinnbildlicht sie noch etwas anderes: dass von dem, was sie im Kasseler Osten schaffen, die Wirtschaftskraft der Stadt abhängt - oder, wie es Hans-Jürgen Storch in der Festschrift zur 850-Jahrfeier von Bettenhausen, rückblickend auf die Entwicklung vom Ackerdorf zu einem Teil der Stadt und ihrem wichtigsten Industriegebiet, schrieb: "Schon sehr früh lebte Kassel von Bettenhausen und Bettenhausen für Kassel". Die Entwicklung von Bettenhausen, aufgezeichnet von Chronisten wie Bruno Jacob 1927 und Kurt Klehm 1956 lässt-erkennen, dass für die meisten Vorfahren der heutigen Bewohner von ihrem eigenen Leben außer Arbeit, außer harter Fron für kargen Lohn, nicht viel übrig blieb, und wie wenig sich auch noch nach dem Beginn des Industriezeitalters daran änderte, bis auch für die Lohnabhängigen, Schritt für Schritt, der Weg zur vollen Anerkennung als Menschen wie als Bürger begann. Als Bettenhausen 1927 seine 800-Jahrfeier beging, schien der Weg in die Zukunft frei und offen. Doch 1956, als Bettenhausen 50 Jahre zur Stadt gehörte, war Unvorstellbares geschehen, wurde jedoch mit ganzer Kraft und neuer Hoffnung gemeinschaftlich für den Aufbau gearbeitet. Und als die Bettenhäuser, die Siedlergemeinschaften vom Eichwald, Lindenberg, Erlenfeld und Forstfeld zwei Jahrzehnte später in ganz großem Stil ,,850 Jahre Bettenhausen" feierten, zeigte der Stadtteil ein verändertes, neues Gesicht, in dem trotzdem die Spuren des Vergangenen nicht ausgelöscht waren, sondern bewahrt und zu neuem Leben gebracht wurden.
Was sich, trotz allem, nicht geändert hat: Der Kasseler Osten ist Kassels "Werkstatt im Grünen" geblieben. Auch derjenige, dem dieser Titel eines zum 25-jährigen Bestehen des Bettenhäuser Bürgervereins 1932 aufgeführten Heimatspiels in unserem Industriezeitalter zu stark nach falscher Romantik klingt, wird zumindest seinem Sinn nicht widersprechen: Kassel lebt von dem, was seit Generationen hier produziert und verarbeitet, was hier Tag für Tag an Tausenden von Arbeitsplätzen geleistet wird. Die hier arbeiten und die hier leben, wissen, dass sie nicht weniger wert sind als die Menschen anderswo. Selbstbewusst gehen sie - gemeinsam mit der größeren Gemeinschaft aller Kasseler Bürger - an die Probleme, die gerade in ihrem Stadtteil noch zu lösen sind, um hier nicht schlechter zu leben als in anderen Stadtgebieten. Davon, was dazu schon erreicht worden ist, sollen diese Bilder einen Eindruck vermitteln.
In wiedererstandener Schönheit präsentiert sich an der Nürnberger Straße in Waldau die "Zehntscheune" aus dem 16. Jahrhundert. Bis zu ihrer Erneuerung im Jahre 1976 war sie lange Zeit dem Verfall preisgegeben. Früher diente der beeindruckende Fachwerkbau als landgräfliches Jagdzeughaus.
Hoch ragt der Turm der Waldauer Kirche über die Fachwerkhäuser empor. Nach dem Einmarsch der Amerikaner wurde die schlanke Turmspitze am 10. April 1945 in Brand gesteckt, weil sie den Luftverkehr des nahen Flugplatzes nicht behindern sollte. Im Jahre 1951 erhielt der Turm sein heutiges Aussehen.
Der 1679 weit vor den Toren der damaligen Stadt erbaute Messinghof kennzeichnet die ersten Anfänge der industriellen Entwicklung Kassels und der Konzentration moderner Produktionsstätten im Kasseler Osten. Das zur Messingherstellung benötigte Kupfer stammte aus einem Bergwerk bei Richelsdorf, während das Zink aus Schlesien kam. Im Hammerwerk des Messinghofs entstanden 1713 - 1717 die Kupferteile für die Herkules-Statue. Nach der gleichen Methode ist hier noch bis in unser Jahrhundert gearbeitet worden.
Aus dem 19. Jahrhundert stammt das Kutscherhaus auf dem Gelände des Messinghofs.
Die Häuser in der SchilIstraße sind um die Jahrhundertwende entstanden, als die Unterneustadt, angeregt durch den Bau des Hafens und die expandierende Industrie, sich nach Osten ausdehnte.
Der israelitische Friedhof wurde in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges für die Kasseler jüdische Gemeinde angelegt. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war es Sitte, den Grabstein auf das Grab zu legen, erst nach 1800 gab es auch aufrecht stehende Grabsteine.
Der Wandel von der dörflichen Siedlung zu einem von der Industrie geprägten Stadtteil brachte und bringt besondere Probleme und Zielkonflikte. Der Forderung nach Ausbau und Neuansiedlung von Industriebetrieben steht die Notwendigkeit der Erhaltung und Gestaltung einer humanen Umwelt gegenüber. Die neue Destillieranlage der Enka Glanzstoff AG wird dieser Aufgabe gerecht.
Der alte Elbeltshof, vor langer Zeit im Besitz des alleinigen Schankrechts in Bettenhausen, prägt maßgeblich den Dorfplatz. Um den ehemaligen Dorfkern als Wohnviertel aufzuwerten, wurde der Platz 1976 neu gestaltet. Die Fußgängerzone mit Sitzplätzen und Spielmöglichkeiten bietet einen Mittel- und Treffpunkt für die Bürger.
Die Häuser in der Steinigkstraße (früher General-Emmich-Straße) sind Beispiel einer gelungenen Modernisierung einer Arbeitersiedlung. Da viele Namen der Straßen und Plätze aus den ersten Anfängen der Bautätigkeit vor dem 2. Weltkrieg stammen, als das Streben nach deutschen Kolonien wieder propagiert wurde, ist dieses Wohngebiet heute noch als Afrika-Siedlung bekannt.
Wo nach 1945 noch lange Zeit obdachlose Familien in einer Barackensiedlung leben mussten, steht heute an der Heinrich-Steul-Straße eine mustergültige Wohnsiedlung. Hier wurden von der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel die Sozial- und Versorgungseinrichtungen von vornherein mit eingeplant.
Fast 2 Jahrhunderte, solange der Eichwald als Fasanerie der hessischen Landesherrn und als königlich-preußischer Forstbetrieb genutzt wurde, blieb den Bürgern der Zugang verwehrt. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde er zu einem öffentlichen Park.
Seit über 100 Jahren ermöglicht die Drahtbrücke den Bewohnern rechts der Fulda den direkten Zugang zu den Parkanlagen der Karlsaue und dem "Kasseler Lido" am Auedamm. Nach mehrmaliger Beschädigung ist die alte Hängebrücke, die in ihrer heutigen Form 1955 wiedererstand, auch heute ein beliebter Fulda-Übergang zur Kasseler Innenstadt.
Editor: Bernd Schaeffer, März 2019
Herausgeber: ARGE 850 Vorsitzender: Heinrich Pfeifer, 1976
- Idee und Organisation: Heinrich Triebstein
Fotos: Ulrich Eichler
Layout: Bernd Schaeffer
Reproduktion und Druck: Boxan, Kassel
Text und Dokumentation: Volker Quer, F.-R. Klaube
Werbung: Barbara Merz-Ettinger, Klaus Pfromm
Beratung: Edgar Leidig, Fritz Tuschick, Falk D. Urlen
mit Unterstützung des Vereins Kasseler Publikationen e. V.
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Kurzbeschreibung
Die 1976 von der ARGE 850 (Arbeitsgemeinschaft zur Vorbereitung der 850-Jahrfeier Bettenhausen) herausgegebene Bildmappe „Der Kasseler Osten“ gestattet einen kurzen Spaziergang zu zwölf ausgewählten Objekten. In großformatigen Farbfotos mit Begleittext zeigt der Fotograf Ulrich Eichler die Motive östlich der Fulda, die ihm persönlich einen Besuch wert waren. Die Mappe sollte einen Beitrag dazu leisten, Bildbände und Chroniken von Kassel nicht grundsätzlich an der Fulda enden zu lassen.
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