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Maler und Weissbinder Keidler im Dormannweg 17

Menschen schauen aus den Fenstern des Hauses Landgrafenstraße 166, 1903

Haus Landgrafenstraße 166, 1903
Foto: Stadtteilzentrum Agathof e. V.

Das Haus Dormannweg 17 trug im Anfang des 20. Jahrhunderts lange Zeit auf der Fassade die Aufschrift. C. Keidler Maler & Weissbindergeschäft. Ehemals hieß die Straße noch Stiftstraße, was daran erinnert, dass das Stift in Kaufungen hier früher begütert war. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Straße baulich erschlossen. Es gab nur wenige Häuser auf den zur Losse gelegenen Grundstücken, so das Haus Nr. 15 der Wäscherei Albrecht, Nr. 17 des Malers Keidler, Nr. 23 des Sattlers Zimmermann, Nr. 25 des Schuhmachers Zuschlag, Nr. 27 gehörte dem Bischöflichen Stuhl Fulda und Nr. 39 der Wollwäscherei Rubensohn & Co. Als das Haus 17 erbaut wurde, hatte das Grundstück die Bezeichnung Landgrafenstraße 166. Der Bericht wirft einen Blick auf die Veränderungen dieses Geschäftshauses in über 100 Jahren.

Auf dem obersten Foto von 1903 erkennt man die Bewohner dieses Hauses Landgrafenstraße 166, die sich für einen gewerblichen Fotografen an den Fenstern in Positur gebracht haben. In dem Haus aus der Gründerzeit betrieb der Maler Conrad Keidler seinen Handwerksbetrieb. Die Bezeichnung Weissbindergeschäft an der Fassade deutet auf die traditionelle Bezeichnung dieses Handwerks hin. Sie ist in unserem heutigen Sprachgebrauch nicht mehr so üblich.

In der Online Enzyklopädie "Berufe-dieser-Welt.de" findet man folgende Erklärung:

Allgemein sind Maler, Anstreicher und Lackierer Handwerker, die fachgerecht jegliche Art von Anstrich ausführen an Wänden, Decken, Fenstern, Türen und sonstigen Bauteilen – sowohl im Außen- als auch im Innenbereich. Aufgrund einer namentlichen Überschneidung mit dem ebenfalls Maler genannten Kunstmaler hat man handwerkliche Maler früher auch als ‚Tüncher‘ bezeichnet. Der Begriff ‚Tünch(e)‘ stammt aus dem 19. Jahrhundert und bezeichnet eine Feinputzschicht aus Kalk und/oder Gips, die damals üblicherweise auf Wänden und Decken aufgebracht wurden. Gelegentlich wird auch noch die Bezeichnung‚ Weißbinder‚ verwendet, die Mitte des 20. Jahrhunderts geläufig war und in etwa Gipser bedeutete.

Maler beim Anbringen eines Schriftzuges der Wäscherei Albercht, 1903
Maler beim Anbringen des Schriftzuges im Dormannweg 15  Foto: H.G. Pfaff, Kaufungen

Conrad Keidler hatte seinen Beruf noch im ausgehenden 19. Jahrhundert erlernt. Mit dem Schriftzug über dem Eingang machte er für alle sichtbare Reklame für sein Geschäft. Auch die Werbung auf dem Nachbarhaus Nr. 15, der Wäschherei Albrecht, trug seine Handschrift. Ein Foto aus der Zeit zeigt die Handwerksgesellen bei der Arbeit.

Die Lager und Arbeitsräume im hinteren Grundstück konnte man durch eine Toreinfahrt auf der linken Hausseite erreichen.

Die Firma überstand die Wirren des 1. Weltkrieges und die Inflation in der Weimarer Republick. Der Sohn Konrad Keidler führte die Geschäfte des Handwerksbetriebes weiter. Laut Adressbuch von 1938 wohnte in dem Haus Dormannstraße 17:

  • Konrad Keidler (Maler- und Weßbindermeister) Erdgeschoss
    Ein weiteres Familiemitglied, der Maler Wihelm Keidler, wohnte nebenan im Erdgeschoss Haus Nr. 15.

  • Ludwig Brethauer (Angestellter) 1. Etage

  • Gustaf Heidecke (Schlossermeister) 1. Etage

  • Anna Ruckert (Witwe) 2. Etage

  • Anna Schneider (Witwe) 2.Etage

  • Katharina Hofmeister (Witwe) 3. Etage

  • Johannes Knust (Stationsmeister) 3. Etage

  • Friedrich Schnierle (Schriftsetzer) 3. Etage

  • Karl Semmelroth (Dreher) 3. Etage
     

Blick auf die Häuser Dormannweg 17 und 19
Haus Dormannweg 17 in 2005  Foto: K. P. Wieddekind

1944 wurde durch einen nahen Bombeneinschlag vor dem Bunker Dormannweg die Häuser der Wäscherei Nr. 15 und des Malermeisters Nr. 17 in Teilen zerstört. Nach  dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit arbeitete der Handwerksbetrieb unter Leitung von Konrad Keidler weiter. Das Dachgeschoss wurde nicht mehr im alten Stil aufgebaut. Die Gauben bekamen eine schlichtere Form. Im Haus wohnten nun außer der Familie Keidler auch der ortsbekannte Milchmann Emil Hoßfeld.

Das Wohnhaus beherbergt 2021 keinen Malerbetrieb mehr. Die interessante grüne Fassade lässt 2005 aber den Stil der Gründerzeit immer noch gut erkennen.

Text: Erhard Schaeffer, Januar 2022

Quellen:

  • Geschichtskreis Bettenhausen früher und heute
  • Adressbücher der Stadt Kassel 1903, 1910, 1938, 1970
  • berufe-dieser-welt.de/anstreicher/ aufgerufen am 19.01.2022
  • Familie Pfaff, Kaufungen

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Kurzbeschreibung

Das Haus Dormannweg 17 trug im Anfang des 20. Jahrhunderts lange Zeit auf der Fassade die Aufschrift. C. Keidler Maler & Weissbindergeschäft. Ehemals hieß die Straße noch Stiftstraße, was daran erinnert, dass das Stift in Kaufungen hier früher begütert war. Als das Haus erbaut wurde, hatte das Grundstück die Bezeichnung Landgrafenstraße 166. Der Bericht wirft einen Blick auf die Veränderungen dieses Geschäftshauses in über 100 Jahren.

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