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Zündholzfabriken Otto Miram in Bettenhausen
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1800-1849
- Ort: Buttlarstraße
- Vom: 03.02.2014
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Bedeutende Persönlichkeiten
Am 27. November 1826 erfand der englische Apotheker J. Walker das erste moderne Streichholz mit einem Zündkopf aus Antimonsulfid und Kaliumchlorat. Diese Streichhölzer hatten mehrere Probleme: die Flamme brannte unregelmäßig und das brennende Zündholz verursachte einen unangenehmen Geruch. Der Franzose Charles Sauria konnte diese Nachteile 1831 durch Zusatz von Phosphor beheben. Durch die Erfindung der Phosphorzündhölzer wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts in verhältnismäßig kurzer Zeit die meisten anderen Methoden, sich rasch Licht und Feuer zu verschaffen, verdrängt. Im Jahre 1830 erkannte Otto Miram den wirtschaftlichen Nutzen der Erfindung und gründete 1836 seine erste Zündholzfabrik im Ortskern von Bettenhausen bei Kassel.
Das Firmengelände befand sich direkt an der Losse auf dem heutigen Spielplatz in der Buttlarstraße. Kassel war bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts das bedeutendste Fabrikationszentrum für Zündhölzer. Außer der Firma Miram, die vielleicht die älteste deutsche Zündholzfabrik war, gab es noch andere Zündholzfirmen am Standort Kassel wie:
Schmitt & Förderer 1878 -1931 Wahlershausen bei Kassel
Carl Beck 1844 - 1889 Kassel
Keßler und Bohne 1870 - 1907 Kassel
Stahl & Nölke 1872 - 1926 Kassel-Unterneustadt
Albrand & Hartnorth 1906 - 1926 Kassel-Bettenhausen
Noch 1833 fabriziert Otto Miram in Bettenhausen bei Kassel Zündhölzchen mit weißem Phosphor. Wegen Beimengungen weißen Phosphors war die Herstellung der Zündhölzer extrem gesundheitsschädigend. Er verdampft schon bei gewöhnlicher Temperatur, sodass sich die Arbeits- und Lagerräume mit giftigen Gasen füllten. Dies führte zu Erkrankungen der Arbeiter an der sog. Phosphornekrose, bis die schwedischen Chemiker Gustaf Erik Pasch und Karl Frantz Lundström 1844 den weißen Phosphor vollständig durch roten Phosphor ersetzten. Die Verlagerung des Phosphors aus dem Zündkopf in die Reibfläche führte 1848 zur Entwicklung der Sicherheitszündhölzer durch Rudolf Christian Boettger. Er verkaufte sein Patent an die schwedische Zündholzindustrie.
Am 12. März 1872 kam es in Dresden zum Zusammenschluss von 70 deutschen Zündwarenfabriken zum "Verein Deutscher Zündwarenfabrikanten", der die Vertretung der allgemeinen wirtschaftlichen Interessen der Zündwarenindustrie bezweckte. Georg Schwiening war geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins und zugleich verantwortlicher Herausgeber für "Die Zeitschrift für Zünd-Warenfabrikation oder die deutsche Zündwarenzeitung". Der Verlag hatte seinen Sitz in Kassel.
Emil Paeßler verkaufte 1892 seine Zündholzfirma in Gernrode/Harz mit allen Rechten an Herrn Georg Schwiening aus Kassel. Dieser, inzwischen auch Inhaber der Otto Miram Zündholzfabrik, löste 1893 die älteste Streichholzfabrik in Gernrode auf. Er verlegte die gesamte Fabrikanlage nach Bettenhausen, um dann dort den Industriebetrieb auf dem Firmengelände von Otto Miram weiter zuführen. Trotz den im Allgemeinen günstigen Produktionsbedingungen war aber die ganze Fabrikation wegen ihrer geringen technischen Durchdringung verhältnismäßig teuer. So sollen in der ersten Zeit 1000 Streichhölzer 4 - 5 Taler gekostet haben. Man kann es deshalb verstehen, dass das Streichholz vor allem bei der ärmeren Landbevölkerung im Anfang als Luxusartikel galt.
Die Firma Otto Miram, Bettenhausen, wurde Mitglied in der Deutschen Sicherheits-Zündholz-Konvention. Georg Schwiening baute in den folgenden Jahren die Produktion von Sicherheits-Zündhölzern weiter und technisch moderner aus. Z.B. 1903 Lieferung einer Dampfmaschine an Otto Miram durch die Görlitzer Maschinenbauanstalt (Quelle: Albert Gieseler, Mannheim). Schwiening in Cassel fabrizierte ab 1893 mittels des von Georg Kaßner empfohlenen Calciumplumbats Zündhölzer, welche roten Phosphor in der Zündmasse enthielten und durch Reibung an jeder rauen Fläche entzündet werden konnten. Die nach Schwiening (Reichspatent Nr. 86203) benannte neue Zündmasse sollte die bisher verwendete Zündmasse mit weißem Phosphor ablösen.
Hintergrund war die unter den Arbeitern der Zündholzfabriken weit verbreitete Phosphornekrose. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der weiße Phosphor per Reichsgesetz verboten. Den Fabrikanten wurde vom Reichstag die neue Schwiening´sche Zündmasse zur Verfügung gestellt, was zur Folge hatte, dass viele Fabriken ihren Betrieb einstellen mussten, weil sie sich die zur Herstellung von Zündhölzern mit dieser neuen Zündmasse notwendigen und wohl auch teuren Maschinen nicht leisten konnten. Außerdem war es mit dieser Zündmasse zu Explosionen bei der Produktion von Zündhölzern gekommen. Die Berner Konvention führte 1906 zum Verbot des weißen Phosphors in der internationalen Streichholzherstellung.
Die Miramschen Hölzer hatten damals einen weit über Deutschlands Grenzen hinausgehenden Ruf. Bekannt waren Schwienings Sicherheits-Zündhölzer, giftfreie Triumpf-Zündhölzer, die Casalla-Hölzer und die Salonhölzer ohne Schwefel von Otto Miram. Mit der Zeit wurde ein größerer Neubau in Bettenhausen erforderlich, der sich auf dem kleinen Gelände an der Losse nicht realisieren ließ. Nach Plänen des Architekten Georg Karl Wilhelm Kegel aus Kassel entstand bis 1909 in der Sandershäuser Straße (heutiger Mercedes Standort) eine neue moderne Zündholzfabrik, Otto Miram. Der Fabrikant Georg Schwiening war bis 1906 als Vizebürgermeister auch Mitglied des letzten Gemeinderates der selbständigen Gemeinde Bettenhausen.
Am 1. Oktober 1909 trat das Zündwarensteuergesetz in Kraft. Vom Reich wurden mit großem Kostenaufwand Zündwarensteuerlager auf den einzelnen Fabrikgrundstücken gebaut, die unter Mitverschluss der betreffenden Steuerbehörde gehalten wurden. Hierher musste der Fabrikant allabendlich die gesamte Tagesproduktion bringen lassen. Bei Abfertigungen war stets ein Steuerbeamter zugegen, der dann das Steuerlager wieder verschloss. Für den Bürger führte die Steuer zu einer höheren Belastung. Zündholzersatzmittel, d. h. verschiedenartige mechanischen Feuerzeuge, gewannen an Bedeutung. In der Folge gingen die Umsätze der Zündholzindustrie erheblich zurück. Nach dem Inkrafttreten der Steuer am 1. Oktober schlug die frühere hochgespannte Lage der Produktion in das Gegenteil um. Während vorher mit höchster Anstrengung gearbeitet worden war, konnten jetzt kaum noch die Arbeiter beschäftigt werden, und viele wurden entlassen, Einzelne Betriebe mussten ihre Tore zeitweise oder auch für immer schließen.
In der Fabrik von Otto Miram in Kassel wurden 56 Personen 14 Tage vor Weihnachten 1909 entlassen. Neue Import- und Zollrechte führten vorab zu einer Überschwemmung des Marktes, erhöhten aber langfristig die Preise für Zündhölzer. Die deutsche Regierung beschloss 1909 Regulierungsmaßnahmen, wonach keine Fabrik mehr als 45 % ihrer früheren Produktion produzieren durfte. Bei steigenden Kosten gingen die Umsatzzahlen weiter zurück. Unter Leitung von Schwiening musste die Firma Otto Miram schließlich 1911 Konkurs anmelden. Die Konkursverwaltung verkaufte die Herstellungsrechte an den Zündhölzern für 400.000 Mark an die Firma Stahl & Nölke aus Kassel.
Anfang 1913 bot sich für die Firma Salzmann & Comp. in Bettenhausen eine unerwartet günstige Gelegenheit zur Produktionserweiterung durch den Erwerb des baulich mustergültig errichteten fast neuen Fabrikanwesens der in Konkurs geratenen Zündholzfabrik Otto Miram. Durch zweckentsprechende bauliche Umbauten im Inneren, sowie Schaffung einer ergiebigen Wasseranlage und Anfügung eines neuen gewaltigen Trockenhauses konnten hier für die sog. Veredelung, wie Imprägnierung, Färberei und Appretur, eine mustergültige Produktionsanlage (Werk II Bettenhausen) geschaffen und so die Leistungsfähigkeit erhöht werden.
Georg Schwiening verstarb 1914. In die Firmengebäude am Standort Buttlarstraße zog später die Glaserei Walter ein. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Gebäude an beiden ehemaligen Standorten der Firma Otto Miram komplett zerstört. An den Fabrikanten Miram erinnert heute noch ein Straßenname im Stadtteil Bettenhausen.
Text und Editor: Erhard Schaeffer, Februar 2014
Quellen:
- Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, herausgegeben von Dr. K. Bücher, o. Professor an der Universität Leipzig, 1913
- "Über die Herstellung phosphorfreier Zündhölzer", Dr. Wiederhold, Lehrer der Chemie an der höheren Gewerbeschule in Cassel, 1861
- Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Firma Salzmann & Comp., Firmendruck, 1926
- Das Dänische-Streichholz-Museum, www.taendstikmuseum.dk
- www.reichstagsprotokolle.de
- Uwe`s Zündholzschachtel Seite, www.zuendholzschachteln.de
- Privatsammlung Helmut Schagrün, Niestetal
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Kurzbeschreibung
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