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Ochshäuser Straße - gestern und heute
- Autor: Falk Urlen
- Zeit: 12. Jahrhundert
- Ort: Ochshäuser Straße
- Vom: 14.10.2015
- Themen: Stadtentwicklung, Künstler, Chronisten und Biografen
Die Straßen des Kasseler Osten werden im Rahmen der Aktion "Bilder und Ansichten von gestern und heute" dargestellt. Begonnen wird mit der Ochshäuser Str. Es handelt sich um eine Bestandsdarstellung, die durch die Leser jederzeit erweitert werden kann. Seit Jahrhunderten verbindet die Ochshäuser Str. den Kasseler Raum über Höhenwege mit den Fernstraßen in den Süden und Osten Deutschlands. Auch heute noch ist sie eine wichtige Verbindung mit den Orten in und im Umfeld der Söhre.
Die Ochshäuser Straße war seit jeher die Verbindungsstraße zwischen Kassel, Bettenhausen und Ochshausen. Ochshausen wird erstmals in einer Schenkungsurkunde für das Kloster Kaufungen im Jahre 1102 erwähnt. Ab dem 15. Jahrhundert gibt es hier eine Ziegelhütte, die vornehmlich nach Kassel lieferte. Verkehrsmäßig lagen die heutigen Ortsteile Lohfeldens an Fernverbindungswegen: der Spangenberger („Schuster-“) Pfad bildete eine wesentliche Verbindung zwischen der Stadt Kassel und Spangenberg.
Von hier gab es Anschlüsse nach Leipzig (über die "Langen Hessen"), Nürnberg und Regensburg. „Schusterpfad“ hieß der Abschnitt zwischen Spangenberg und Bettenhausen, weil hier Leineweber und Schuhmacher ihre Waren aus Spangenberg nach Kassel trugen. Zum anderen war er Teil einer wichtigen Fernverbindung, die dann u. a. in die heutige Ochshäuser Straße mündete. Wichtig war die Verbindung bis zum Bau der Söhrebahn im Jahr 1912, die beförderten Waren waren wohl die gleichen: Holz, Braunkohle, Ziegel, Basalt. Bis zum Bau der Bahn konnten schwere Lasten nur im Winter, z. T. auf Schlitten, befördert werden.
Heute finden wir es merkwürdig, wenn wir hören, dass bereits die Römer ihre Straßen an den Rand von Höhenzügen oder sogar auf der Höhe bauten. Der Grund dafür war einmal, dass das Gelände im Tal oft nass oder sogar versumpft war und die Flüsse oft über die Ufer traten oder ihren Lauf veränderten. Gleichzeitig konnte man sich leichter gegen Überfälle schützen. Erst im 17. Jahrhundert war man überhaupt in der Lage, Straßen in den Talebenen anzulegen. Bis in die 30-er Jahre verlief die Ochshäuser Str. ab der Straße „Wehrbreite“ (in der Nähe eines Wehres im Wahlebach) durch Äcker und Wiesen, auf dem Zweig zwischen Lilienthalstr. und Söhrestraße führte sie an der Munitionsfabrik, später Spinnfaser und den 1916 gebauten Häusern an der General-Emmich-Straße (heute Steinigkstr.) vorbei. Der Teil von der Söhrestraße bis zur Leipziger Str. war nördlich bereits mit Industriegebäuden bebaut, so gründete bereis 1907 Friedrich Riepenhausen in der Ochshäuser Str. 23 eine Käsefabrik mit Großhandel. Südlich davon stand das „Forstgut“, welches später Obdachlosen als Schlafstelle diente und die Bezirksstelle enthielt. Bis 1936 reichte Ochshausen bis an die Wehrbreite und an den Erlenfeldweg. Dieser Bereich wurde „Kasseler Platz“ genannt. Bereits in den 20-er Jahren waren hier aufgrund der Wohnungsnot Wohnhäuser z. T. von den Ochshäuser Bauherren selbst gebaut worden mit selber ausgegrabenem Kies und Wasser aus dem Wahlebach, z. T. mit Steinen aus verfallenen Ochshäuser Häusern.
Gemarkungsgrenzen 1916 zwischen Ochshausen, Bettenhausen und Kassel
Durch den Bau der Autobahn wurde Ochshausen 1936 zerschnitten, durch einen Verwaltungsakt gab es danach einen Gebietsaustausch zwischen Kassel und Ochshausen, so dass die heutige Grenze die Autobahn ist. 300 Ochshäuser, etwa ein Drittel der Ochshäuser Bevölkerung, wurden Kasseler Bürger mit höheren Steuern und schlechteren Straßen. Diese hatten bereits ab 1922 hier am Kasseler Platz gesiedelt. Im Rahmen des Autobahnbaus wurde hier die Ochshäuser Str. tiefer gelegt und gepflastert. Auf dem Bild des Forstfelder Fotografen Thiel, welches ungefähr Anfang der 50er Jahre aufgenommen wurde, sieht man links noch das Bürgermeisterhaus, welches dann bei einer Erweiterung der Autobahn am 29.06.1987 abgerissen werden musste. Es war 1928 gebaut worden.
Ab 1932 entstand westlich der Wehrbreite die Erlenfeldsiedlung, der dann auch die alten Ochshäuser Häuser zugeschlagen wurden. Die ehemaligen Ochshäuser Bürger verwanden das nie so richtig und engagierten sich lieber in Ochshausen als in Kassel, bis heute. Sie hatten das Recht, wenn sie noch in Ochshausen geboren waren, auf dem Ochshäuser Friedhof beigesetzt zu werden, die Friedhofsgebühren waren hier wesentlich niedriger als in Kassel.
1936 entstand entlang des östlich führenden Zweiges die heutige „Städtische Siedlung“ mit ca. 166 Häusern und 589 Wohnungen. Neun Häuser wurden im Krieg durch Bomben vollständig zerstört. Bis in die 50er Jahre wurde sie bis zum westlichen Zweig der Ochsh. Str. erweitert auf 233 Häuser. 1954 lebten hier ca. 4000 Menschen. Auf der südlichen Seite entstand die „Fieseler-Siedlung“ mit 286 Häusern und fast 500 Wohnungen (Werkswohnungen der "Gerhard Fieseler GmbH", heute heißt sie „Forstfeldsiedlung“. An der Kreuzung Forstbachweg und im Knie an der Lilienthalstr. wurden in den 40-er Jahren Lager für Zwangarbeiter der Junkers-Motoren-Werke angelegt, deren Insassen morgens und abends über die Ochshäuser Str. zu den Junkers-Werken in der Lilienthalstr. marschieren mussten. Später wurde eine der Baracken eine "Konsum"-Filiale und Post-Filiale. In einem Neubau verkaufte dann die Firma "SPAR" ihre Waren, heute ist es ein Getränkemarkt.
Das nebenstehende Bild zeigt die Straße in den 50-er Jahren mit den frisch angepflanzten Eschen und der oberirdischen Lichtleitung. Nachdem die Ochsh. Str. nach dem Krieg von Schlaglöchern übersäht war, wurde der Straßenbelag 1949 erneuert und sah dann wie auf nebenstehendem Bild aus. Dieses Bild hatten Studenten ihrem Ausbilder an der Uni übergeben. Wir wären dankbar, wenn wir zufällig noch herausbekämen, wer das kleine Mädchen war. Inzwischen sind die Eschen gewachsen, sie können bis zu 30 Metern hoch werden.
Das obere Bild entstand 1997, das untere 2015 vom gleichen Standpunkt von der St. Andreas-Kirche aus. Über diese Straße, fahren abends die jüngeren Discobesucher aus der Söhre, die gar nicht abwarten können, in der Disko anzukommen. Sonntags nutzen die Straße viele Motorradfahrer, um schnell in die Söhre zu gelangen.
Im Rahmen des Neubaus des Kanals Ende der 90-er Jahre wurde die Straße erneuert, z. T. wurden auf der südlichen Seite neue Bürgersteige angelegt. Der Kanal wurde im unterirdischen Vortrieb gebaut, scheiterte aber manchmal an die riesigen Steinen, die hier im Untergrund lagen. In den Skulpturen „Forstfelder Untergrund“ auf der Südseite der Kreuzung Ochsh. Str./Forstbachweg und beim Eingang zum Wilhelm-Koch-Platz wurden diese Steine als Andenken an den Neubau verwendet.
Unter der Kreuzung befindet sich heute eine riesige Halle, in der die Kanäle verzweigt wurden. Oben zeugen nur einige Kanaldeckel davon. Die Anlieger mussten sich mit 11,50 DM je Quadratmeter ihres Grundstücks an den Straßenbaukosten beteiligen. Heute wird dieser Teil der Straße durch vier ampelgeschützte Überwege geschützt, der Wunsch der früheren "Ochshäuser", auch an der Haltestelle „Wahlebachsiedlung“ einen solchen Übergang zu erhalten, scheiterte immer wieder daran, dass nicht genügend Menschen diesen Übergang benutzen. Die Ampeln an der Kreuzung mit dem Forstbachweg sind koordiniert und tragen dazu bei, dass auch der Verkehr aus dem Forstbachweg bei großer Verkehrsdichte oder Umleitung wegen Autobahnproblemen noch abfließen kann. Die jahrhundertealte Form der Kreuzung wurde beim Neubau aufgegeben. Früher war es eine versetzte Kreuzung, an der es immer wieder zu Unfällen kam und auf der viele Blechschäden verursacht wurden, die nicht in die Verkehrsstatistik eingingen. Heute ist es für große Fahrzeuge, die z. T. wegen der Einschränkung auf der Wahlebachbrücke hier gar nicht einbiegen dürfen, eine besondere Schwierigkeitsstufe und führt des öfteren zu Schäden an der Kreuzung.
In den 70-er und 80-er Jahren bot die Straße ein tristes Bild durch die heruntergekommenen Miethäuser, die dann aber in den 90er Jahren aufwendig durch die GWG (Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft der Stadt Kassel) saniert wurden. Der westliche Teil der Ochshäuser Str. ist die Grenze zwischen Bettenhausen und Forstfeld. Östlich begrenzt sie die „Städtische Siedlung“, westlich war der Forst, zunächst Hutewald, später militärisches Gebiet, dann Munitionsfabrik, Spinnfaser, Enka AG, Wegmann und heute Gebr. Bode (Tochter des Münchner Schaltbau-Konzerns), ein Spezialist für Bahn– und Bustüren. Bis zum Jahr 2014 wurde das Werk an der Ochshäuser Str. für drei Mio. € erweitert und ist heute (2015) das zentrale Entwicklungszentrum der „Schaltbau-AG“. Das 70 m lange Gebäude soll an eine Schiebetür erinnern. Im Knie zur Söhrestraße war die Gasabfüllstation von Messer-Griesheim angesiedelt, die insbes. bei Nacht zu großen Lärmbelästigungen der Bewohner der Städtischen Siedlung führte. 1992 sollten davor Häuser für 600 Asylbewerber gebaut werden, was dann aber wegen dieser Lärmbelästigung unterblieb. Vor Messer-Griesheim gab es 1962 einen Wasserrohrbruch, die Straße war damals noch so schlecht, dass sie aufweichte und ein Betonlaster umkippte.
Am nördlichen Zweig der Straße haben sich schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Industrieunternehmen und Werkstätten angesiedelt, die von der Anbindung mit Industriegleisen an die Cassel-Waldkappeler-Eisenbahn und die Söhrebahn profitierten. Im Adressbuch von 1939 stehen:
- Ochshäuser Straße Ecke Leipzieger Str. Firma Kaysan & Wagner
- Ochshäuser Straße 9 Dortmunder Eisenhandlung GmbH, später Hoesch Eisenhandlung mbH
- Ochshäuser Straße 23 Fassgroßhandlung von August Manss
- Ochshäuser Straße 31 Spinnfaser AG und Gebrüder Riede Seifenfabrik
- Ochshäuser Straße 37-39 Ambi Maschienenbau AG und Seifenfabrik der Gebrüder Riede
- Ochshäuser Straße 45 Leichtmetall Gelbgießerei, Wegmann + Co Werk 2, Hessenwerk (Ambi Werk) spätere Firma Bode
Friedrich Riepenhausen hatte 1907 in der Ochshäuser Str. 23 eine Käsefabrik mit Großhandel gegründetet. Die Fassfabrik von August Manss z.B. produzierte hier später Sackkarren. Aus dem Unternehmen ging die Firma Expresso hervor, die weltweit führend in der Produktion von Gepäckwagen für Bahnhöfe und Flugplätze ist. Heute hat die Firma ihren Sitze im Industriepark von Waldau.
Auf der südlichen Seite der Ochshäuser Straße gleich hinter der Überquerung der Gleise der Cassel-Waldkappeler-Eisenbahn lag das Gelände der Munitionsfabrik auf dem ab 1935 sich die Spinnfaser AG ansiedelte. Der Fußweg von der Ochshäuser Str. zur Wohnstraße führte über die Industriegleise dieser Industrieanlage die für tausende Beschäftigte der Arbeitsgeber war. Für den Fussweg zum Arbeitsplatz nutzten Viele, wie die mit der Straßenbahn vom Leipziger Platz kommenden Arbeiter/-innen, diese kurze Verbindung in die Wohnstraße. Seit 1984 befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Spinnfaser AG der Unternehmenspark Kassel (UPK) mit einer Gewerbefläche von ca. 147.000 Quadratmeter. Den Fussweg mit der Brücke gibt es nicht mehr, eine Bürgerinitiative setzt sich für den Wiederaufbau ein.
1997 eröffnete der Discounter Lidl eine Filiale, die später auf die Fläche des ehemaligen Forstgutes verschoben wurde und heute eine der modernsten Discountfilialen Deutschlands ist.
Autoren: Falk Urlen, Erhard Schaeffer
Layout: Erhard Schaeffer und Falk Urlen
Fotos: Falk Urlen, Erhard Schaefer, Archiv Urlen, Archiv Nagel
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Kurzbeschreibung
Die Straßen des Kasseler Osten werden im Rahmen der Aktion "Bilder und Ansichten von gestern und heute" dargestellt. Begonnen wird mit der Ochshäuser Str. Es handelt sich um eine Bestandsdarstellung, die durch die Leser jederzeit erweitert werden kann. Seit Jahrhunderten verbindet die Ochshäuser Str. den Kasseler Raum über Höhenwege mit den Fernstraßen in den Süden und Osten Deutschlands. Auch heute noch ist sie eine wichtige Verbindung mit den Orten in und im Umfeld der Söhre.
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