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Mit einer Mühle fing es an - Industriegeschichte Gewerbegebiet Ölmühlenweg
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1800-1849
- Ort: Ölmühlenweg
- Vom: 01.04.2018
- Themen: Stadtentwicklung, Mühlenbetriebe
Auf einer Zeichnung von 1829 sieht man ein einzelnstehendes Haus, das vermutlich eine Mühle darstellen soll, vor dem Panorama der Stadt liegen. Über die Hannöverische Straße (später Sandershäuser Straße) im Vordergrund ziehen die Pferdegespanne ihre Ladung Richtung Cassel.
Der Name Ölmühlenweg leitet sich von einer alten Ölmühle ab. Der Weg zweigte vor 200 Jahren als einfacher namenloser Feldweg von der Leipziger Straße in Höhe des Chaussee Häuschens am Forst hier Brücke, der s. g. „Bettelbrücke“, über den Bach nach rechts ab und zog sich entlang des Wahlbaches direkt zur Ölmühle hin. Sie stand zwischen dem Wahlebach und dem Lossekanal, der am Lossewehr am Dorfplatz in Bettenhausen begann und über den Agathof, einer alten Achatstein- und Mahlmühle, zur Gemarkung Unterneustadt führte. Das Wasser des Lossekanals, “Neuen Losse“ genannt, trieb auch die Mühlräder der Ölmühle an und mündete 100 Metern hinter der Anlage im Wahlebach. Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) wurde die alte Metzgerische Mühle von den Franzosen durch Brand 1762 zerstört. Schon am 20. Februar 1809, in der Zeit der französichen Fremdherrschaft, wird J. Fehrenberg der Antrag auf Bau einer Mahlmühle genehmigt und nach Errichtung diese in Betrieb gesetzt und später ausgebaut. Seit 1822 neu eingerichtet und von da an auf eigene Rechnung ihres Eigentümers, Johannes Fehrenberg, geführt beschäftigte sie in der mit ihr verbundenen Senf- und Essigfabrik, Ölraffinerie, Graubenmühle und Farbholzhobelei zwölf Arbeiter. 1837. So, berichtet Lobe, hatte die Mühle als "Fehrenbergische Handels-Ölmühle" einen guten Ruf.
Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieb Johannes Fehrenberg als letzter Ölmüller diese Mühle. Im Casseler Adressbuch von 1835 wird er als Ölfabrikant mit Wohnsitz in der Leipziger Vorstadt 8 aufgeführt. Hinter der Leipziger Vorstadt und dem Siechenhof breitete sich damals eine weite Acker- und Weideflur bis zur Fulda aus. Beim häufig auftretenden Hochwasser der Fulda war diese Aue regelmäßig überflutet. Sie wurde deshalb lange Zeit nicht bebaut. Der Ölmühlenweg bildete quasi die östliche Grenze der Flutmulde. Das Adressbuch von 1856 weist Johannes Fehrenberg nur noch als Mühlenbesitzer und Fabrikant aus. Seine Ölmühle war vermutlich schon nicht mehr in Betrieb. Seinen Wohnsitz hatte er bereits nach Cassel in die Moritzstraße verlegt.
Länger bestand hingegen die Pulvermühle von Ernst Koch, Leipzigerthor 4, in nächster Nähe etwas unterhalb am Wahlebach gelegen.
Das Mühlengrundstück Ölmühlenweg 18 ging später in den Besitz der Familie Nölke, die in der Sporstraße 9 wohnte, über. Aus der Ölmühle wurde ein Sägewerk. Das zum Betrieb erforderliche Wasser wurde aus dem der Losse angeschlossenen Kanal entnommen. Der Betriebsobergraben kam vom Agathof (Fa. Diemer & Heller) und war 770m lang. Der Antrieb des Werkes erfolgte durch eine Turbine, deren Nutzkraft ca. 10 PS betragen hat.
Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert entstanden neue Industriefirmen und Gewerbebetriebe, die Bevölkerung der Stadt wuchs rasch an. Durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes und die Eröffnung des Bahnhofs Bettenhausen im Dezember 1879 entstand auch ein Netz von Anschlussgleisen, so 1894 zum nahe gelegenen Gaswerk , 1904 zum Hafen an der Fulda und 1912 zum Elektrizitätswerk an der Losse . Die Gleise zum Hafen verliefen parallel zum Wahlebach und überquerten den Ölmühlenweg. Neues Gewerbe siedelte sich in der Folge hier an.
Zu Beginn des 20. Jahrhundert betrieb August Dietrich auf dem Gelände der alten Mühle eine Dampfsäge. Das Adressbuch von 1910 weist folgende Anlieger im Ölmühlenweg aus:
- Nr. 1 Gärtnerei Hartgen
- Nr. 10 Produktenhändler u. Landwirt Wiedekopf
- Nr. 12 Baugeschäft Kern
- Nr. 16 Gärtnerei Hildebrandt
- Nr. 18 Schneidmüller Heinemann
- Nr. 18 Zimmergeschäft Dietrich
Die Entwicklung des Gewerbegebiets ging mit dem Ausbau des Ölmühlenweges von der Leipziger Straße bis zur Königinhofstraße weiter. Am 1. Januar 1927 gründete Ferdinand Kraft die Firma FEKA, Fabrik für Spezialfahrzeuge, Kraft & Co im Ölmühlenweg 12/ 12a und baute in 14 sein Wohnhaus. Ab der Mitte der 1920er Jahre betrieb Paul Nölke auf dem Familien Grundstück Nummer 18 eine Kistenfabrik mit Dampfsägewerk. In seiner Großgaragenanlage daneben siedelt sich 1927 kurzzeitig der Segelflugpionier Gottlob Espenlaub an. In der Nachbarschaft, Königinhofstraße. 86, errichtet Karl Schölch ab 1931 zusammen mit seinen Söhnen Georg und Eduard einen Holzhandel mit Sägewerk. Die Mühle wurde seit 1930 nicht mehr betrieben und ist im Zweiten Weltkrieg zerbombt worden. Das Wasserrecht erlosch 1949 weil der Berechtigte darauf verzichtete.
Für viele beginnt in den 1950er Jahren ein schwerer Neuanfang. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind einige Gebäude und Anlagen beschädigt oder zerstört. Das Grundstück Nr. 18 wird geteilt. Paul Nölke, der jetzt in der Kölnischen Str. wohnt, betreibt noch immer auf dem einen Teil einen Holzhandel und seine Kistenfabrik. Den anderen Grundstücksteil besitzt der Kaufmann Willi Walpert aus Sandershausen. Neu ist das Geschäft Alteisen Großhandlung in Nr. 22 von Ludwig Bachmann.
Im Ölmühlenweg 9, dem Gelände der alten Flutmulde, bezieht ab 1960 der Kasseler Traditionsverein „BC Sport“ mit Spielfeldern und Vereinsheim sein Domizil. Bis Mitte der 1960er Jahre wickelt Paul Nölke sein Geschäft ab und verkauft sein Grundstücksteil. Die Firma Strassing Straßenbau GmbH siedelt sich in Nr. 18 an. In der Nr. 18b betreibt Hans Heede einen Flüssiggas- Großvertrieb. Der Betrieb von Bachmann dehnt sich aus. Außer dem Schrotthandel in Nr. 20 von Ludwig Bachmann betreibt der Bruder Heinrich in Nr. 22 die Kasseler Autoverwertung. Die Brüder Schölch führen die Geschäfte bis 1985 in der Königinhofstraße 86 weiter. Danach zieht ein Autohandel auf das Grundstück. Das Geschäftsmodell der Autoverwertung und des -handels, das durch den starken Zuwachs des Automarktes boomt, setzt sich im Ölmühlenweg bis in das 21. Jahrhundert fort.
In 2018 betreiben gleich mehrere Autohändler für Gebraucht- und Neufahrzeuge ihr Gewerbe am Ölmühlenweg wie man auf der oberen Karte erkennen kann. Den Ursprung des Straßennamens kennen die wenigsten.
Editor: Erhard Schaeffer, März 2018
Quellen:
- Verschiedene Adressbücher der Stadt Kassel
- Geschichtskreis Bettenhausen früher und heute
- Wasserbuchakte des Reg.-Präs. Kassel - 42.2 WNr. 7 - Erhebung 1958
- Geschichte Bettenhausens 1126-1926, Bruno Jacob 1927
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Kurzbeschreibung
Auf einer Zeichnung von 1829 sieht man ein einzelnstehendes Haus, das vermutlich eine Mühle darstellen soll, vor dem Panorama der Stadt liegen. Über die Hannöverische Straße (später Sandershäuser Straße) im Vordergrund ziehen die Pferdegespanne ihre Ladung Richtung Cassel. Der Name Ölmühlenweg leitet sich von einer alten Ölmühle ab. Mit dieser Ölmühle fing die Entwicklung eines Gewerbegebiets an.
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