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Salzmann & Comp. - Aufstieg und Fall der Bettenhäuser Textilfirma

Altes Firmenlogo an der Südseite des ehehmaligen Salzmannwerkes

Suedliche Giebelseite des Salzmanngebaeudes mit dem Firmenlogo Sonnenstern und der Schrift Salzmann & Comp
Foto: @ Bernd Schaeffer, Kassel

Als am 1. November 1951 der hessische Ministerpräsident Dr. Georg August Zinn die Laudatio zum 75-jährigen Bestehen der Textilfirma Salzmann & Comp. hielt, konnte keiner der Anwesenden ahnen, dass dieses Unternehmen mit seinem Aufstieg aus bescheidenen Anfängen zur Weltfirma, kaum 20 Jahre später die Werkstore für immer schließen würde.

Angefangen hatte die Erfolgsgeschichte  in der Stadt Spangenberg, wo der Landwirt und Bürgermeister Georg Salzmann schon Mitte des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, mit Garnen und Webwaren aus regionaler Produktion zu handeln. Später gründete er mit seinem Partner Behrens die Firma „Salzmann und Behrens“. Die eigene Fabrikation begann mit der Aufstellung von Handwebstühlen.

Heinrich Salzmann (geb. 3. Feb. 1851), das 2. Kind des Landwirts und Textilhändlers Georg Salzmann in Spangenberg, zeigte schon in jungen Jahren großes Interesse am väterlichen Geschäft.
Am 1. November 1876 trat Heinrich Salzmann nach einer gründlichen kaufmännischen Ausbildung in Kassel bei Siegfried Aschrott in den Betrieb „Salzmann und Behrens„ ein. Das Datum gilt als Gründungsdatum für die später eingetragene Firma Salzmann & Comp.
Schon 1881 erfolgten die ersten Produktionserweiterungen mit 20 mechanischen Webstühlen in der gekauften Zilchschen Mühle in Melsungen und weiteren 30 Handwebstühlen in Eschenstruth.
Im Jahre 1884 trennten sich Vater und Sohn Salzmann von ihrem Geschäftspartner Behrens. Während Behrens eine eigene Weberei in Einbeck betrieb, wurde Georg Salzmann stiller Teilhaber an der von seinem Sohn Heinrich Salzmann allein geführten Firma „Salzmann & Comp.“ mit Sitz in Kassel-Bettenhausen.
Der junge Unternehmer erkannte die günstigen wirtschaftlichen Gegebenheiten im neu entstandenen Deutschen Reich nach dem gewonnenen Krieg von 1870/71 und lenkte die Firma auf einen erfolgreichen Expansionskurs.
Der eingeschlagene Weg wurde von wichtigen infrastrukturellen Maßnahmen der hessischen Landesregierung begünstigt. Dazu zählten u. a. die Eröffnung der Main-Weser-Bahn 1872 und die Schiffbarmachung der Fulda bis zur Weser und der Bau des Fuldahafens.
Im April 1891 eröffnete er eine Weberei mit 60 mechanischen Stühlen und den angegliederten Abteilungen zur Veredelung der Erzeugnisse durch Färben und Imprägnieren in Kassel-Bettenhausen.
Hinzu kam eine seit 1890 gepachtete Weberei in Friedland in Schlesien mit 160 Webstühlen.
Da sich die Textilherstellung und der Handel immer stärker auf den europäischen Raum ausdehnten, gründete die Fa. Salzmann & Comp. 1898 eine ungarische Tochtergesellschaft zur Hanfverarbeitung mit Niederlassungen in Budapest und Szegedin.
Nach dem Tode des Vaters Georg Salzmann, 1898, trat Heinrichs Salzmanns jüngerer Bruder Carl als Teilhaber in die Firma ein und übernahm die Pflege der Beziehungen zu den Abnehmerkreisen.
Salzmann & Comp. hatte sich inzwischen zu einer beachtlichen Größe entwickelt, und die Nachfrage nach den Erzeugnissen wuchs rasant.
So verwundert es nicht, dass im Jahre 1900 die Fertigungsanlagen die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit erreicht hatten.
Rechtzeitig zum 25-jährigen Firmenjubiläum im November 1901 wurde an der Sandershäuser Strasse in Bettenhausen auf einer Fläche von 8000 qm ein Weberei-Neubau mit 22 Sheddächern von je 90 Metern Länge errichtet.
In Abhängigkeit von dieser Erweiterung folgte eine Vergrößerung der Imprägnieranstalt (1901), der Färberei (1902) und der Kraftanlage (1905) durch die Aufstellung zweier Dampfkessel mit 700 PS Leistung zum Antrieb der Transmissionsriemen.
Für ihren Güterverkehr in erheblichem Umfange betrieben Salzmann und fünf weitere Firmen seit 1901 die „Bettenhäuser Industriebahn“. Zweck der Bahn war es, den Transport der Güter zwischen dem Bahnhof Bettenhausen und den Standorten der angeschlossenen Fabriken, in Zeitablauf und Menge selbst bestimmen zu können.
Im Jahre 1908 verbrauchte allein das Kraftwerk der Firma Salzmann zur Dampferzeugung die Ladung von 781 Waggons mit mehr als 8720 Tonnen Kohle.

Ein Bericht der Casseler Zeitung vom 1. November 1901 vermittelt, mit welchem zeitgemäßen Aufwand das Ereignis gefeiert wurde.
Dem zitierten Zeitungsartikel kann entnommen werden, dass der Unternehmer und die Mehrheit seiner Beschäftigten von dem gleichen, der Zeit entsprechenden Willen getragen wurden, etwas Neues, Großes und Einmaliges zu schaffen.
Das gemeinsame Streben resultierte zu einem erheblichen Teil aus dem sozialen Engagement, das Heinrich Salzmann als Unternehmer auszeichnete.
Bereits 1899 erwarb Salzmann im Rahmen der Wohnungsfürsorge, das ehemalige Landkrankenhaus, die Charité, an der Leipziger Strasse, um darin, nach entsprechenden Umbauten, im so genannten Salzmannshof 25 Wohnungen für seine meist aus der ländlichen Umgebung angeworbenen Arbeiter und Beamten zu schaffen.
An der Ecke Sandershäuser Strasse/Huthstrasse entstand 1902 das erste Mehrfamilienhaus für Salzmann-Mitarbeiter.
1903 schließlich wurde an der Grenze zu Sandershausen ein Gelände von 165 000 m² erworben, um darauf eine Gartenstadt zu planen. Die Erschließung des Areals dauerte bis 1908. Damit die Bewirtschaftung der entstehenden Werkswohnungen auf eigenen Füßen stand, gründete Salzmann 1910 die „Kassel-Bettenhäuser Gemeinnützige Baugesellschaft mbH“. In den Folgejahren entstanden Schritt für Schritt mit dem Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern nach englischem Vorbild die Gartenstadt Salzmannshausen.
Die gewählten Straßenbezeichnungen „Spangenberger Straße“ und „Rauschenberger Straße“ erinnern noch heute an die Geburtsorte von Heinrich und Minna Salzmann.
Schon 1906 zeigten sich die Bettenhäuser Fabrikgebäude den gestiegenen Anforderungen nicht mehr gewachsen.
In dem Bestreben „die Fabrikation ständig auf der Stufe höchster Leistungsfähigkeit zu erhalten“ beschloss Heinrich Salzmann sich durch die Aufstellung von eigenen Zwirnmaschinen zur Herstellung bestimmter Zwirnsorten, von den Lieferungen anderer Spinnereien unabhängig zu machen. Für diesen neuen Betriebszweig wurde an der Sandershäuser Strasse ein Neubau von 80 m Länge und 20 m Tiefe errichtet und am 1. Oktober 1913 seiner Bestimmung übergeben.
Der 4-geschossige Bau umfasste 8000 m² Arbeitsfläche und bot neben der Spinnerei noch Platz für die Zwirnerei, Sattlerei, Näherei und den Zeltbau.
Zeitgleich mit der Erweiterung in Bettenhausen erfolgten der Bau eines Werkes in Öderan in Schlesien sowie der Kauf einer Weberei mit 115 Webstühlen des ehemaligen Geschäftspartners Behrens in Einbeck.
Diese Erweiterungen dienten hauptsächlich der weiteren Spezialisierung der einzelnen Niederlassungen. Durchgreifende Rationalisierungsmaßnahmen sollten die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und den Absatz steigern.

Gezeichnete Ansicht des Salzmann-Werks II im Jahr 1914
Salzmann Werk II an der Sandershaeuser Strasse in Bettenhausen, 1914  Foto: Salzmann u. Comp.

Als Anfang 1913 die Zündholzfabrik Otto Miram in Bettenhausen mit seinen fast neuen Anlagen in Konkurs ging, zögerte H. Salzmann nicht lange und erwarb das Werk.
Durch entsprechende Umbaumaßnahmen wurden dort im Salzmannwerk II zwischen Sandershäuser Str. und Miramstraße die so genannten Veredelungsabteilungen wie Färberei, Appretur und Imprägnierung untergebracht.
Obwohl man sich lange Zeit gegen unproduktiv erscheinende bauliche Erweiterungen gesträubt hatte, war es 1914 vor Ausbruch des 1. Weltkrieges nicht mehr zu umgehen für die erweiterte und neu organisierte Verwaltung, den 4-geschossigen Flügel an der Sandershäuser Strasse bei voller Aufrechterhaltung des Betriebes auszubauen. So ausgestattet war die Firma Salzmann & Comp. in der Lage, auch den erhöhten Materialanforderungen des im 1. Weltkrieg befindlichen deutschen Heeres gerecht zu werden. Der plötzliche Tod des Firmengründers, Kommerzienrat Heinrich Salzmann, am 3. November 1915, traf das Unternehmen in einer schwierigen Zeit.

Die 2. Generation

Der ganze Besitz und die alleinige Leitung der Firma Salzmann & Comp. lag von nun an in den Händen von Frau Minna Salzmann, geb. Scheffer, der Witwe des Firmengründers.
Die Salzmann-Werke waren insgesamt auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit angekommen. Aus bescheidenen Anfängen heraus hatte sich ein Textilimperium entwickelt, in dem an 5 Standorten 3500 Arbeiter und Angestellte an 2825 Webstühlen mit 6490 Spindeln arbeiteten.
Die Textilindustrie war schon am Anfang des 20. Jahrhunderts stark auf Weltverkehr und Weltwirtschaft angewiesen. Dieser Lebensnerv wurde durch die Blockade der Kriegsgegner nachhaltig getroffen, da die Zufuhr von Rohstoffen auf dem Seewege völlig abgeschnitten wurde.
Um den enormen Rohstoffbedarf weiter decken zu können, musste nach heimischen Ersatzfasern Umschau gehalten werden. Zu diesem Zwecke entstanden in Berlin die Kriegs-Flachsbau-Gesellschaft und in Landsberg a. d. Warthe die Deutsche Hanfbau Gesellschaft.
Nachdem sich die Versuche der Fasergewinnung aus Nesselpflanzen, Rohrkolben oder auch Seetang als nicht brauchbar oder unwirtschaftlich erwiesen hatten, zeigte sich schließlich, dass die aus Holz gewonnene Zellwolle eine adäquate Ersatzfaser sein könnte. In erstaunlich kurzer Zeit machte die Herstellung der Zellwolle so große Fortschritte, dass die aus diesem Material hergestellten Stoffe für Militärbedarfsartikel und andere Gegenstände Verwendung fanden.
Anfang 1916 wurde der Schwiegersohn, Fabrikant Georg W. Sethe, „in anbetracht der besonderen Umstände“ aus dem Militärdienst beurlaubt und trat an der Seite von Minna Salzmann in die Geschäftsleitung ein.
Durch seinen Eintritt in den Vorstand verschiedener Kriegsgesellschaften und der damit verbundenen zugeteilten Quoten an Material und Absatz rettete er die Firma über die Kriegsjahre und die Zeiten der Zwangswirtschaft.
Während des 1. Weltkrieges traten der einzige Sohn Heinrich-Carl Salzmann (1917) und der 2. Schwiegersohn der Firmeninhaberin, Major a. D. Robert Beichhold (1916) in die Leitung des Unternehmens ein.
Die Fabrik in Starkenbach i. Böhmen musste 1918 verkauft werden. Die Belieferung der Kunden in Ungarn und Österreich erfolgte bis 1923 vom Werk Kassel aus.
Die Nachkriegszeit war, nach Annullierung der Heeresaufträge, gekennzeichnet durch die notwendige Umstellung der Produktion für den Verkauf an die reguläre Kundschaft. Im Vordergrund stand die Versorgung der Bevölkerung mit möglichst billigen Qualitätsstoffen.
Während der Inflation kam es zu einer Neubewertung des Betriebsvermögens durch eine amerikanische Stelle. Der Wert der Firma reduzierte sich von 77,8 Millionen Dollar in 1912 auf 35,7 Millionen Dollar in 1922. Daraus resultierten erhebliche Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Krediten für den Wareneinkauf, den Handel und die notwendigen Investitionen.
Trotzdem versuchte die Firmenleitung mit Hilfe alter Geschäftsverbindungen die Gründung von Aktiengesellschaften in Ungarn, um diesen traditionellen Absatzmarkt weiter beliefern zu können. Nach einem weniger erfolgreichen Versuch einer Firmengründung in Miskolzc wurde in 1923 ein Betrieb in Romaifürdö (Römerbad) bei Budapest eröffnet. In dieser Fabrik unter ungarischer Leitung arbeiteten schon 1926 wieder 160 Webstühle für Salzmann & Comp.

Zeichnung der Wachstuh- und Kunstlederfabrik aus dem Jahr 1927
Wachstuch- und Kunstlederfabrik in Bettenhausen, 1927  Foto: Salzmann u. Comp.

Mit der Herstellung von Kunstleder startete man in Kassel den Versuch sich neue Märkte zu erschließen. Der Kauf der ausgedehnten Gebäude der ehemaligen Dampfwäscherei Ludwig Gerhard und Söhne an der Sandershäuser Str. 59 diente der Gründung der Wachstuch- und Kunstlederwerke AG, Kassel und schaffte die Voraussetzungen für eine Produktion in größeren Mengen. Die Warenpalette wurde durch die Hinzunahme von verwandten Artikeln wie Reifenkarkassen und Eisenbahnwaggon-Bedachungen abgerundet.
In den folgenden Jahren gelang es, die Firma mit durchgreifenden Rationalisierungsmaßnahmen und den damit verbundenen Produktivitätssteigerungen durch die Zeiten der wirtschaftlichen Depression zu bringen.
Die 65-jährige Minna Salzmann legte 1929 die Verantwortung für das Wohl der Firma in die Hände ihrer Nachfolger.
Nach 1933 unterstützte Salzmann & Comp. sehr früh die NSDAP. So verwundert es nicht, dass in der Festschrift zum 75-jährigen Bestehen in 1951 zu lesen ist: „Die Firma Salzmann & Comp. ging einer neuen Blüte entgegen, als der 2. Weltkrieg ausbrach.“
Die Flutwelle nach der Zerstörung der Edertalsperre, in der Nacht vom 16 zum 17. Mai 1943, richtete in den Kasseler Werken schwere Schäden an und beeinträchtigte die Fabrikation von Rüstungsgütern erheblich.
In der Gartenstadt Salzmannshausen stand das Wasser der Fulda teilweise bis an das Obergeschoß der Häuser.

Bei Kriegsende, 1945, lagen große Teile der Fabrikanlagen in Trümmern. In einer ersten Bilanz wurde festgestellt:

  • - Hauptwerk Bettenhausen I: 70% der Gebäude und 90% der Maschinen zerstört.
  • - Werk II und die Wachstuch- und Kunstlederwerke AG in Kassel: völlig vernichtet.
  • - Das Werk in Budapest und die Weberei in Öderan wurden enteignet.
  • - In den Werken in Melsungen und Einbeck konnte kurz nach Kriegsende die Produktion in bescheidenem Umfange wieder aufgenommen werden.

Im Sommer 1945 begannen „46 entschlossene Männer“ unter der Leitung des Betriebsratsvorsitzenden Heinrich Linge mit der Bergung der Maschinen aus den Trümmern des Werkes I in Bettenhausen, so dass noch im gleichen Jahr die ersten 6 Webstühle wieder betriebsbereit waren. Die Steine für den Wiederaufbau mussten von den Mitarbeitern mühsam aus den Schuttbergen geborgen werden. Zur Fortsetzung des Betriebes stand man vor den gleichen Schwierigkeiten wie nach dem 1. Weltkrieg; keine Kredite und fehlende Rohstoffe. 1946 gelang mit Hilfe von Bankkrediten eine 50% Beteiligung an der Kurhessischen Flachsverwertungs- GmbH in Hünfeld und damit ein 1. Schritt zur Sicherung der Rohstoffversorgung.
Am 17. Januar 1946 starb mit Heinrich-Carl Salzmann ein Mitglied der Firmenleitung aus der 2. Generation. Seine Besitzanteile übernahm seine Ehefrau Margarita Salzmann, geb. Keller.

Die 3. Generation

In den folgenden Jahren vollzieht sich ein Führungswechsel an der Spitze von Salzmann & Comp. und die so genannten „Jungen Herren“ übernahmen Verantwortung für den weiteren Weg des Traditionsunternehmens.

  • - Am 15. Jan. 1948 übernimmt der kriegsverletzte Horst Beichhold, Sohn von Robert Beichhold, den Bereich Spinnerei und Weberei.
  • - Am 1. Januar 1949 tritt Dr. A. Otto Truckenbrodt, Schwiegersohn von Georg W. Sethe, als Kaufmann in die Firma ein.
  • - Am 15. Juni 1949 ergänzt der Ingenieur Hermann Langenau, Schwiegersohn von Margarita Salzmann, die Geschäftsleitung.

Der Flachsspezialist Max May war zu dieser Zeit das einzige Mitglied der Firmenleitung, das nicht der Familie angehört.

Der Wechsel an der Spitze war auch eine Folge des Todes von Minna Salzmann, der Witwe des Firmengründers, die am 29. November 1948 starb.
Bis 1951 entwickelte sich die Auftragslage so gut, dass die Fertigung in den Werken im 2- und 3- Schichtbetrieb gefahren werden konnte. Die Belegschaft umfasste 2000 Beschäftigte.
Am 1. November 1951 feierten Firmenleitung und Belegschaft im Beisein von Prominenz aus Politik und Wirtschaft die eingangs schon erwähnte 75. Wiederkehr der Firmengründung. Es gab viel Anerkennung und hohes Lob dafür, das es gelungen war, die Kriegsschäden aus eigener Kraft zu überwinden.
Im Oktober 1953 berichtete eine Kasseler Zeitung, dass bei Salzmann & Comp die Vorkriegsproduktion deutlich überschritten werden konnte. Umsatzträger waren Einlagestoffe für Schuhe und Kleidung, Markisenstoffe und Zelte. Der Export von 25% der Waren hatte einen erheblichen Anteil am Erfolg.
Robert Beichhold, ein Mann aus der 2. Generation der Firmenleitung, starb am 3. November 1960.
Am 3. Dezember 1960 traten Gertrud Wolff und Hans Fröhlich, Eigentümer der Firma Fröhlich und Wolff in Hess. Lichtenau, als Komplementäre in die Firma ein. Damit setzte sich fort, was schon in den Nachkriegsjahren begonnen hatte, der Familienverband der Salzmanns war an der Spitze von Salzmann & Comp. nicht mehr allein Ton angebend.
Ein Großbrand ergriff am 15. März 1965 weite Gebäudeteile des Werks in Bettenhausen an der Sandershäuser Strasse und richtete einen Millionenschaden an. Wieder bewährte sich das Zusammengehörigkeitsgefühl von Mitarbeitern und Firmenleitung, denn unter schwierigen Bedingungen wurde die Produktion ohne Unterbrechung aufrechterhalten.
Zu dieser Zeit waren noch 1500 Arbeitnehmer in den nordhessischen Betrieben beschäftigt.
In 1968 machte Salzmann noch einmal mit positiven Schlagzeilen auf sich aufmerksam, als in Schwarzenborn ein Zweigwerk mit 50 Beschäftigten zur Herstellung von Zeltplanen seine Tore öffnete.

Das Ende

Denkmalgeschuetztes Treppenhaus der Salzmannfabrik, 2012
Treppenhaus der Salzmannfabrik, 2012  Foto: Bernd Schaeffer, Kassel

Bereits 1970 beim Zusammenschluss von Salzmann & Comp. mit Fröhlich und Wolff und Be Be Kle (Berufs- u. Sportbekleidung GmbH in Bettenhausen, Sandershäuser Str. 77/83) wurde angenommen, dass dieser Schritt vor dem Hintergrund finanzieller Schwierigkeiten geschah.
Ein Jahr später, im März 1971, bestätigten ein Bericht und ein Kommentar in der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung, was bis dahin nur vermutet werden konnte.

Unter der Überschrift „Salzmann baut Produktion ab“ berichtete die Zeitung über das endgültige Ende der Textilfabrik Salzmann & Comp. nach 95 Jahren. Die Geschäftsleitung hatte den 440 Beschäftigten in den 3 Werken Kassel-Bettenhausen, Verna und Schwarzenborn gekündigt. Teile der Fertigungsanlagen in Kassel-Bettenhausen und das dort beschäftigte Personal wurden von der Firma Fries KG aus Brilon übernommen. Andere Mitarbeiter gingen zur Firma Brandt & Co in Kassel, Rothenditmolder Strasse. Das Zweigwerk in Schwarzenborn mit 30 Beschäftigten übernahm die Firma Bücking, Alsfeld. Die Zelt- und Markisenkonfektion wurde von der Firma Fröhlich und Wolff in Hess. Lichtenau weiter geführt.
Lediglich 60 Arbeitskräfte blieben noch kurze Zeit bei der Firma Salzmann & Comp. und stellten dort beschichtete Gewebe und Einlagestoffe her. Die Schließung der Firma beruhte im Wesentlichen auf strukturellen Problemen.

Nach Angaben der Geschäftsführung haben die Importe aus Billiglohnländern sowie steigende Lohn- und Sozialkosten in Deutschland besonders nachteilige Auswirkungen auf die Konkurrenzsituation der Firma gehabt.
Mit dem Betriebsrat wurde im Rahmen des Betriebsverfassungsgesetzes ein Sozialplan aufgestellt, nach dem alle Betriebsangehörigen eine nach Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindung erhielten.
Trotz des Einzugs des Vereins „Kultur-Fabrik Salzmann e. V.“ und einiger Firmen sind große Teile der 20 000 m² Gewerbefläche in der Sandershäuser Str. ab diesem Zeitpunkt ohne wirtschaftliche Nutzung.

Über die finanziellen Folgen für die Eigentümer von Salzmann & Comp. war in der lokalen Presse kein Bericht zu finden. Auch Selbstdarstellungen wie sie zu den Glanzzeiten der Firma in aufwendigen Broschüren selbstverständlich waren, hat es keine mehr gegeben.

Heute, 36 Jahre nach dem unrühmlichen Ende der einst größten Kasseler Textilfabrik Salzmann & Comp., bleibt festzuhalten, dass nach dem Tod des Firmengründers Heinreich Salzmann in 1915 keiner der nachfolgenden Generationen die Kraft hatte, um  als Spiritus Rector an der Spitze stehend, die von ihm begonnene Erfolgsgeschichte fortzusetzen.

Text und Fotos: Bernd Schaeffer, Kassel, August 2007

Quellennachweis:

  • Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Firma Salzmann & Comp., Firmendruck, 1926
  • Festschrift zum 75-jährigen Bestehen der Firma Salzmann & Comp., Firmendruck, 1951
  • Denkmalbuch der Stadt Kassel, Gesamtanlage: Salzmannshausen, St. Kassel, 1980
  • Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Stadt Kassel Bd. II, Bruno Jacob, Hrsg. GhK, 1988
  • Verschiedene Berichte aus der Kasseler Lokalpresse.
  • Ahnenliste der M. C. A. Scheffer, aufgestellt und in Druck gegeben von R. Beichhold, 30.11.1939

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Kurzbeschreibung

Als am 1. November 1951 der hessische Ministerpräsident Dr. Georg August Zinn die Laudatio zum 75-jährigen Bestehen der Textilfirma Salzmann & Comp. hielt, konnte keiner der Anwesenden ahnen, dass dieses Unternehmen mit seinem Aufstieg aus bescheidenen Anfängen zur Weltfirma, kaum 20 Jahre später die Werkstore für immer schließen würde.

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