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200 Jahre Hessische Patrioten
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1809
- Ort: Hessendenkmal am Waldauer Fußweg
- Vom: 23.05.2009
- Themen: Jubiläen, Bedeutende Persönlichkeiten
Vor 200 Jahren (1809) wurden auf der alten Kasseler Richtstätte, auf dem Großen Forst, sechs Männer wegen ihres Widerstandes gegen das französische Besatzungsregime erschossen. Ein Denkmal am Waldauer Fußweg ( an den Waldauer Wiesen) soll daran erinnern.
Nach dem Frieden von Tilsit war Kassel für kurze Zeit (1807-1813) die Hauptstadt des Königreichs Westfalen. Jérôme Bonaparte, jüngster Bruder Kaiser Napoleons, zog am 10. Dez. 1807 mit seiner Frau, Katharina von Württemberg, als König in das Schloss Wilhelmshöhe ein, das den Namen „Napoleonshöhe“ erhielt. Die überlieferten Schwierigkeiten des Königs mit der deutschen Sprache, außer „morgen wieder lustik“ (lustik, lustik demain encore lustik) soll er kein Wort deutsch gesprochen haben, waren 2008 Ausgangspunkt für eine viel beachtete Landesausstellung mit dem Titel „König Lustik!?“. Unbestritten ist, dass mit der französischen Besatzungsmacht fortschrittliche und positive Entwicklungen in das neu gegründete Westfalen Einzug hielten, hier sei stellvertretend der Code Napoleon genannt. Auf der anderen Seite bekamen die hessischen Untertanen auch deutlich die Schattenseite dieser Fremdherrschaft zu spüren. Advokaten, Kaufleute und Künstler zweifelhaften Rufs waren Jérôme nach Kassel gefolgt und sorgten u.a. dafür, dass die Mietpreise binnen Jahresfrist um das 4 fache stiegen. Das ausschweifende Leben des Fürsten, seine grenzenlose Verschwendungssucht und sein aufwendiger Hofstaat, „König Jérômes Karneval“ genannt, mussten von den hessischen Bürgern bezahlt werden. Die finanzielle Not und die Verständnislosigkeit der Franzosen gegenüber der deutschen Lebensweise, Wissenschaft und Kunst ließen den Widerstand in der Bevölkerung schnell wachsen.
In 4 Erhebungen haben mutige hessische Patrioten versucht, der französischen Besatzungszeit ein vorzeitiges Ende zu bereiten. Schon 1807 hat der Sergeant Jacob Schumann aus Eschwege seine Hessentreue durch Hinrichtung in der Karlsaue mit dem Leben bezahlt. Am 23. April 1809 scheiterte der sogenannte „Dörnberg Aufstand“ unter Führung des Freiherrn Wilhelm von Dörnberg in der Schlacht an der Knallhütte. W. von Dörnberg konnte entkommen und mit Hilfe der adligen Damen des Damenstifts Wallenstein in Homberg nach Prag fliehen.
In Eschwege an der Werra versuchte der ehemalige Leutnant F. Wilhelm von Hasserodt vergeblich eine Erhebung zustande zu bringen.
In Marburg an der Lahn versammelte sich der Widerstand um den schon 73 jährigen Jägeroberst Andreas Emmerich aus Hanau und den Medizinprofessor Joh. Heinrich von Sternberg.
Mit 150 schlecht ausgerüsteten Männern, vorwiegend ehemalige Soldaten, Jäger und Bauern, marschierten sie am 24. Juni 1809 Richtung Marburg. Die Aufständischen konnten zwar die Wache am Barfüßertor überwältigen, wurden aber von den französischen Truppen schnell zersprengt und mussten fliehen. A. Emmerich wurde am 2. Juli 1809 gefangen genommen und nach Kassel gebracht. Prof. J. H. Sternberg kam am 6. Juli in Arrest. Die Verhandlungen vor dem Kriegsgericht waren für alle Aufständige kurz und die Urteile waren gleichlautend: „Tod durch Erschießen“. Die Erschießung der Teilnehmer am so genannten „Emmerich-Aufstand“ fand auf dem Großen Forst, der alten Kasseler Richtstätte vor den Toren Kassels, statt.
Nach dem Abzug der französischen Besatzer und der Flucht König Jérômes bei Nacht und Nebel, 1813, pflanzte der Kasseler Bürger Prévôt über den Gräbern auf dem Forst eine Eiche als Erinnerungsmal.
50 Jahre später am 18. Oktober 1863, anlässlich des 50. Jahrestages der Leipziger Völkerschlacht, wurde unter großer Teilnahme der Kasseler Bevölkerung und in Anwesenheit des Kurfürsten an dieser Stelle eine schlichte Steinplatte enthüllt. Hergestellt vom Hofbaumeister Credé trug sie die Inschrift: „Zum Gedächtnis der hessischen Männer, welche wegen der Treue zum Vaterland unter der französischen Fremdherrschaft an dieser Stelle das Leben verloren.“ Später erhielt die Gedenkstätte am Fuße der Eiche noch eine von einem Gitter umzäunte Granitplatte, auf der die Namen der sechs hier ruhenden Hessen aufgeführt wurden.
Nach der Errichtung der Munitionsfabrik auf dem Forst, während des 1. Weltkriegs, war das Hessendenkmal nicht mehr öffentlich zugänglich. Als 1936 die Spinnfaser AG das Gelände übernahm, überbaute sie die Gedenkstätte.
Die Granitplatte mit den Namen der Erschossenen wurde gerettet und an anderer Stelle in eine Mauer auf dem Fabrikgelände eingelassen
Zusätzlich stellte die Firma Mittel für ein neues Hessendenkmal außerhalb des Fabrikgeländes zur Verfügung.
Mit Entwurf und Ausführung der nun 3. Gedenkstätte beauftragte die Stadtverwaltung den Kunstprofessor Erich Schmidt-Kestner.
Am 11. März 1937 meldete die „Kasseler Post“: „….Am Waldauer Fußweg, einer schönen alten Baumgruppe benachbart, erhebt sich seit einigen Tagen ein aus edlen Material künstlerisch gestalteter neuer Gedenkstein“. Das Hessendenkmal von Schmidt-Kestner ist aus grünschimmerndem Diabas-Granit gefertigt. Am Kopf zeigt es einen von Pfeilen getroffenen Löwen und darunter ist der Satz eingemeißelt:
„Gedenket der unter französischer Fremdherrschaft im Jahre 1809 erschossenen 6 hessischen Freiheitskämpfer“.
Es folgen die Namen und der Todestag der Hingerichteten. (Soweit bekannt, wurde das Geburtsdatum ergänzt.)
- Leutn. F. Wilhelm v. Hasserodt, Wahlhausen *02.10.1786, +13.05.1809
- Oberst Andreas Emmerich, Kilianstädten *10.11.1735, +18.07.1809
- Prof. J. Heinrich Sternberg, Marburg/L. *15.04.1772, +19.07.1809
- Ackermann W. Günther, Sterzhausen +19.07.1809
- Ackermann D. Muth, Ockershausen +19.07.1809
- Wachtmeister Ch. Hohnemann, Wahlhausen +11.08.1809
Das Denkmal steht auch heute (2009) noch an dieser Stelle und trägt auf der Rückseite einen kaum zu entziffernden Hinweis auf die ursprüngliche Grabstätte. Die rondellartige Baumgruppe, mit einem Kranz aus Findlingen, am Waldauer Fußweg, ist die letzte von ehemals drei Rondells, die an dem zu Zeiten Jérômes angelegten „Damenweg“ existierten. Auf dem „Damenweg“ flanierten seinerzeit mit Vorliebe die in Kassel wohnenden Frauen der in Waldau stationierten französischen Offiziere.
Zur Erinnerung an die erschossenen Emmerich, Hasserodt, Hohnemann und Sternberg hat die Stadt Kassel Straßen benannt.
Weitere Informationen zum Thema finden sie in dem Beitrag "Tod(t) auf dem Forst".
Text und Foto: Bernd Schaeffer, Kassel
Quellenverzeichnis:
- Heidelbach, Paul, „Kassel-Ein Jahrtausend hessischer Stadtkultur“, Bärenreiter Verlag, Kassel, 1957
- Hermsdorff, Wolfgang, „Ein Blick zurück aufs alte Kassel“, HNA Serie, Nr. 75, 358, 1172.
- AK aus dem Onlineportal „ORKA“ der Uni Kassel, Kennung: urn:nbn:de:hebis:34-02008022319642
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Kurzbeschreibung
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