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Verschüttet bei den Junkers-Flugmotoren-Werken
- Autor: Falk Urlen
- Zeit: 1943
- Ort: Industriegebiet Lilienthalstrasse 150
- Vom: 03.10.2009
- Themen: Zweiter Weltkrieg, Menschen erzählen
Jugenderinnerungen von Ursula Henkel, Mitarbeiterin bei den Junkers-Flugmotorenwerken in Kassel
Die zweite Hälfte meines Pflichtjahres machte ich in einem Lebensmittelgeschäft in Bettenhausen und war für zwei Jungen zuständig, wurde hier aber bereits als Verkäuferin eingesetzt. Ich wollte aber langfristig lieber in ein Büro, so fing ich 1940 bei den Junkers Flugzeug- und Motorenwerken an der Lilienthalstr. an, wo ich bis Kriegsende beschäftigt war. Ich arbeitete in der Direktion und telefonierte zum ersten Mal mit der Zentrale in Dessau und war dabei sehr aufgeregt.
Im Frühjahr 1943 hatten wir zwei Tagesangriffe auf Fieseler und Junkers. Beim ersten Angriff saßen wir im Keller, als eine Bombe auf unser Haus fiel. Zuerst ging das Licht aus und wir stellten fest, dass wir verschüttet waren. Lange mussten wir in Schutt und Staub warten, bis wir freigeschaufelt wurden. Im Nebenraum fand man dann zwei Tote, das wurde uns aber nicht gleich gesagt. Wir liefen dann sofort in ein Fabrikationsgebäude und erhielten erst einmal Wasser. Die Büros aber waren so zerstört, dass diese in die Stadt in das Haus des jetzigen Drogeriemarktes Müller ausgelagert wurden. Andere Abteilungen waren im Woolworth, Kaufhof usw. untergebracht. Natürlich hatten wir fast jeden Tag Alarm und liefen dann bis zum Weinberg in die Felsen-Bunker. Am 22. 10 1943 wurde dann unsere Stadt vernichtet. Ich wollte am anderen Morgen zur Arbeit ins „Haus Voepel“, aber ich kam nicht weit. Die Häuser brannten rechts und links in der Leipziger Straße, die Straßenbahnschienen standen hoch. Ich traf noch einen Kollegen und wir beschlossen, wieder nach Hause zu gehen.
Mutti und ich fuhren nach Bad Wildungen und wohnten u. a. in einer Pension. Hier gab es gutes Essen, der Wirt freute sich, wenn es seinen Gästen gut ging. Wie wir später hörten, soll er auch „schwarz“ geschlachtet haben, man hat ihn abgeführt und zum Tode verurteilt. So hart war man im Krieg.
Nach dem Angriff auf Kassel gingen wir wieder ins Werksgebäude, mein Chef wusste aber von meiner großen Angst, so wurde ich in die Abteilung Rechnungsprüfung versetzt, die nach Wellerode-Wald ausgelagert war. Wir arbeiteten in Baracken, in denen auch Gefangene lebten, die draußen arbeiten mussten. Wir arbeiteten zusammen mit Holländern und Belgiern von früh um 7 Uhr bis abends um 7, dafür bekamen wir die „Speerspende“ (zus. Lebensmittelkarten). Hier haben wir auch gekocht und die Haare gewaschen, am Arbeitsplatz fühlten wir uns wie zu Hause. Das ging so bis Kriegsende am 08. Mai 1945. Es war Ostern, als die Amerikaner einmarschierten. Zuerst haben sie geschossen, das gegenüberliegende Haus wurde getroffen. Die Familie des Kleinbauern und ich saßen im Stall, und als es klopfte, ging ich an die Tür, öffnete und sah zum ersten Mal einen Schwarzen. Das Haus wurde durchsucht nach deutschen Soldaten. Alle waren dann auf der Straße und standen Spalier, als die Amerikaner von der Wiese her einmarschierten. In Wellerode musste dann der Ort geräumt werden, er wurde zur Plünderung freigegeben. Wir zogen mit einem Leiterwagen über Wattenbach zurück in unsere Wohnung in der Agathofstr. Das Haus war aber von Amerikanern besetzt, weil aber mein Vater zu Hause geblieben war, war in unserer Wohnung nur die Mansarde von Amerikanern bewohnt. Als sie dann gingen, lag auf meinem Bett eine Tafel Schokolade.
Ursula Henkel, geb. Bode
Redakteur: Falk Urlen
Luftaufnahme vom 01.08.1943, man sieht deutlich die Trichter der Bomben, die Junkers (links unten) und Spinnfaser und Fieseler (links oben) treffen sollten, auch die Häuser der Fieseler-Siedlung (rechts) wurden teilweise getroffen.
Editor: Falk Urlen , Oktober 2009
Quelle: Rolf Nagel, Lilienthalstr. 150, Geschichte eines Industriestandortes, Wolfhagen 2007, Auflage vergriffen
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Kurzbeschreibung
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