- Startseite
- Erinnerungen
- Mit der Pferdebahn nach Bettenhausen – Eine Zeitreise mit der Straßenbahn
Mit der Pferdebahn nach Bettenhausen – Eine Zeitreise mit der Straßenbahn
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1877
- Ort: Leipziger Straße < Leipziger Platz
- Vom: 30.11.2011
- Themen: Stadtentwicklung, Kommunale und staatliche Einrichtungen
Mit dem industriellen Aufschwung Ende des 19. Jahrhunderts wuchs auch der Anspruch nach Mobilität der Menschen in Deutschland. Für die Erleichterung des Verkehrs in den Städten wurden neben der Eisenbahn Straßenbahngesellschaften gegründet. Die eröffneten Straßenbahnen wurden anfangs alle mit Pferden betrieben. Bereits im Jahr 1884 bekam das Berliner Unternehmen Marks & Balke die Konzession zum Betrieb einer Straßenbahn mit Pferdebetrieb in Cassel erteilt. Dies war der Start für die erste Straßenbahnverbindung zwischen Kassel und der damals eigenständigen Gemeinde Bettenhausen.
Die Residenzstadt Cassel hatte allerdings schon im Jahr 1877 eine dem reinen Lokalverkehr dienende von Dampfkraft fortbewegte Trambahn gebaut. Damit konnte sie für sich den Ruhm in Anspruch nehmen, als dritte Stadt der Welt, nach Paris und Kopenhagen über eine solche sogenannte Sekundärbahn zu verfügen. Die "Cassel Tramway Campeny Limited" verkehrte auf einer Strecke von 6 Kilometern zwischen Wilhelmshöhe und dem Königsplatz und wurde von der Firma Jay & Comp. Londen betrieben.
Die Dampfbahn war aber nicht lange das einzige Casseler Verkehrsunternehmen. Mit der am 13. April 1884 von Marks & Balke gegründeten “Aktiengesellschaft Casseler Stadteisenbahn“ kam die Pferdebahn dazu. Am 21. Mai 1884 wurde der Verkehr zwischen Cassel Hedwigstraße und dem Staatsbahnhof Bettenhausen in der Leipziger Straße aufgenommen. Daneben gab es die Strecken Hedwigstraße - Centralbahnhof (Hauptbahnhof) und Totenhof (Holl. Straße) - Königsplatz. Dem Unternehmen standen 17 geschlossene und vier offene Personenwagen sowie 80 Pferde zur Verfügung. Für eine Fahrt mit der Pferdebahn kostete ein Billet 20 bis 30 Pfennig. Die maximal erreichte Beförderungszahl in einem Jahr betrug stolze 1.404.977 Personen.
Die Casseler-Straßenbahn-Gesellschaft übernahm die Cassel Tramway Campeny Limited und ihr Firmensitz wurde 1895 nach Cassel verlegt. Mit der Gründung der Großen Casseler Straßenbahnaktiengesellschaft am 24. September 1897 und der Übernahme der liquidierten Aktiengesellschaft Casseler Stadteisenbahn bestand nun nur noch eine Straßenbahn.
Die "Große Casseler Straßenbahnaktiengesellschaft" leitete 1900 die Umstellung vom Dampf- und Pferdebahnbetrieb auf elektrischen Betrieb ein. Die Lieferung der Anlagen, Betriebsmittel und die Einrichtung der Betriebsbahnhöfe in Wilhelmshöhe und Bettenhausen wurden der Firma Siemens & Halske, Berlin übertragen.
Der Betriebsbahnhof Bettenhausen konnte 1898 an der Leipziger Straße 124 neben dem Restaurant zum Schwarzen Adler fertiggestellt werden. Die eingleisige Strecke nach Bettenhausen wurde vom Bahnhof zum Schwarzer Adler erweitert, Endhaltestelle Kirchgasse. Am 31. März 1898 genehmigt die Regierung zu Cassel den elektrischen Betrieb. Danach entwickelte sich die "Elektrische", wie sie im Volksmund genannt wurde, zügig: 1900 Verlängerung der Linie bis zum Pfaffenstieg.
Die Bettenhäuser Linie 3 wird nach der Eingemeindung des Dorfes Bettenhausen und mit Planung für die Große Landwirtschaftliche Wanderausstellung 1911 auf dem Forst bereits 1910 zweigleisig ausgebaut. Nach kriegsbedingter Pause wird der Ausbau des Schienennetzes fortgesetzt und so kann am 23. November 1920 der Betrieb auf der Strecke mit der ersten Schleife an der Ochshäuser Straße aufgenommen werden. Die ursprünglich vorgesehene Weiterführung bis zum Faustmühlenweg fällt der beginnenden Inflation zum Opfer. Nach Rückgang der Fahrgastzahlen bleibt es bis zum Zweiten Weltkrieg bei diesem Ausbauzustand. 1926 bekommt Cassel ein K und die Straßenbahn hießt "Grosse Kasseler Straßenbahn AG".
Von Bettenhausen fahren die Linien 3, die über Hauptbahnhof und Germaniastraße bis Wilhelmshöhe und nach 1928 die Linie 13, die über das Theater und den Kirchweg nach Wilhelmshöhe fährt. Ab 1939 wird ersatzweise die Linie 10 zum Theater eingesetzt. Nach der Neuorganisation 1939 heißt die Bahn "Kasseler Verkehrsgesellschaft AG", Die Bettenhäuser sind gut an die Stadt mit ihren Geschäften, Gewerbebetrieben, kulturellen Einrichtungen wie Kino und Theater und das beliebte Ausflugsziel die Wilhelmshöhe angebunden. Der Ausflugsverkehr zum Westen der Stadt hatte von Anfang an eine besondere Bedeutung für die Straßenbahn. Die Fahrpreise bis zum Zweiten Weltkrieg liegen je nach Teilstrecken immer noch bei 20 bis 30 Pfennig für den Fahrschein.
Der Zweite Weltkrieg bringt für den Straßenbahnbetrieb erhebliche Einschränkungen sowie Umstellungen der Linienpläne. Darüber hinaus werden bis zum Kriegsende ein Großteil der Gleisanlagen, Oberleitungen und der Triebwagen b.z.w. Beiwagen beschädigt oder total zerstört. Schwer beschädigt wird in Folge der Angriffe ab 1942 der Betriebshof Bettenhausen. Seine Funktion muss er aber nach provisorischer Instandsetzung bis weit nach Kriegsende erfüllen. Als 1945 beim Einmarsch der Amerikaner von der Wehrmacht die Fuldabrücke gesprengt wird, bleiben durch reinen Zufall in Bettenhausen sechs Triebwagen und sieben Beiwagen stationiert. Zum Glück, denn das Schienennetz ist nur noch im Pendelverkehr von Leipziger Platz bis Holzmarkt als Inselbetrieb befahrbar. Die Fahrgäste müssen bis zum Brückenneubau 1948 mit der Fähre zum Altmarkt übersezten um dort weiterfahren zu können.
Die erste Neubaustrecke nach dem Krieg wird in 1949 von der Ochshäuser Straße in Richtung Lindenberg gebaut. Am 04. Juli 1949 rollt der erste Wagen bis zur Endstelle Forstfeldstraße. Das Reststück sollte im zweiten Bauabschnitt innerhalb von 2 Jahren fertig sein. Es dauert aber noch bis 1956 bis die erste Bahn am 15. November an der Schleife Lindenberg hält. Nach Bettenhausen fahren jetzt die Linien 2 und 8 von der Hessenschanze bzw. Kurhausstraße ab. Mit Ausbau des Netzes nach Baunatal kommt später noch die Linie 5 bis zum Leipziger Platz dazu.
Das Konzept der "Kasseler-Verkehrs-Gesellschaft", kurz KVG, lautet ab 1970 alle Betriebshöfe für Bus und Bahn jeweils auf einen Standort zusammenzufassen. Für die Straßenbahn wird dies Wilhelmshöhe und für die Busse die Sandershäuser Straße in Bettenhausen. Der alte Betriebsbahnhof Bettenhausen wird 1971 stillgelegt und später abgerissen. Das Busliniennetz zur Anbindung der Stadtteile ohne Straßenbahnversorgung und des Umlandes wird erheblich erweitert. Die Entwicklung bei der Straßenbahn bleibt auch nicht stehen. Die alten Triebwagen noch aus der Vorkriegszeit werden ab Mitte der 50er Jahre durch 6-achsige Gelenktriebwagen für den Zweirichtungsverkehr ersetzt. Automaten in den Bahnen und an den Haltestellen ersetzen den Schaffner. Für eine Fahrkarte mit Umsteigerecht bezahlt man 1976 bereits 90 Pfennig.
Ab 1991 gab es einen genauen Plan zum Ausbau der Straßenbahnlinie bis ins Lossetal nach Oberkaufungen und später bis nach Hessisch Lichtenau. Es dauert aber noch bis zum 28.01.2006 bis zur Eröffnungsfeierlichkeit der Lossebahn, Helsa – Hessisch Lichtenau. Inzwischen verkehrt auch die Regio Tram auf dem Schienennetz des NVV sowohl innerhalb der Stadt Kassel als auch auf den Schienen der Eisenbahn bis in die Zentren des nordhessischen Umlandes. Der Betriebshof in der Sandershäuser Straße beherbergt jetzt die Stellplätze für Bus, Regio Tram und Bahn, die notwendigen Werkstätten und das Straßenbahnmuseum.
Die Bahnen der neuesten KVG-Generation sind Gelenktriebwagen in Niederflurausführung und besteht aus 3 über Faltenbälge verbundenen Wagenteilen mit 2 Triebdrehgestellen und 2 Laufdrehgestellen. Der Fahrpreis für eine Streifenkarte in der Kasseler Zone liegt 2011 bei 2,10 Euro.
Damit soll die Zeitreise mit der Straßenbahn durch mehr als 130 Jahre hier ihr vorläufiges Ende finden.
Editor: Erhard Schaeffer, 2011
Quellen:
- Schriftenreihe Kasseler Schienennahverkehr Band 1-5, Wolfgang Kimpel 1989-93
- 1877-1977 Ein Jahrhundert Nahverkehr in Kassel, Herausgeber Kasseler- Verkehrs-Gesellschaft, G.A. Stör 1977
- Fotos Bettenhausenarchiv, Agathof.
Wo spielt dieser Beitrag?
Kurzbeschreibung
Bereits im Jahr 1884 bekam das Berliner Unternehmen Marks & Balke die Konzession zum Betrieb einer Straßenbahn mit Pferdebetrieb in Cassel erteilt. Dies war der Start für die erste Straßenbahnverbindung zwischen Kassel und der damals eigenständigen Gemeinde Bettenhausen.
Artikel Kategorien
- Stadtplanansicht
- Straßen
- Agathofstraße [9]
- Am Försterhof [2]
- Am Holzmarkt [4]
- Am Messinghof [1]
- Am Sälzerhof [2]
- Autobahnauffahrt Kassel-Nord [1]
- Bergshäuser Straße [4]
- Bettenhäuser Straße [3]
- Bunte Berna [4]
- Buttlarstraße [5]
- Christophstraße [1]
- Dormannweg [8]
- Eichwaldstraße [14]
- Eschenweg [2]
- Faustmühlenweg [4]
- Forstfeldstraße [2]
- Gecksbergstrasse [1]
- Hafenstraße [3]
- Heiligenröder Straße [3]
- Heinrich-Steul-Straße [5]
- Huthstraße [4]
- Inselweg [2]
- Jakobsgasse [1]
- Kalkbergweg [1]
- Königinhofstraße [2]
- Leipziger Straße < Leipziger Platz [37]
- Leipziger Straße > Leipziger Platz [9]
- Miramstraße [4]
- Ochshäuser Straße [5]
- Olebachweg [1]
- Ölmühlenweg [4]
- Osterholzstraße [8]
- Pfaffenstieg [1]
- Pfarrstraße [7]
- Radestrasse [4]
- Salztorstraße [2]
- Sandershäuser Straße [9]
- Söhrestraße [2]
- Steinigkstraße [7]
- Unterer Käseweg [2]
- Waisenhausstraße [2]
- Waitzstraße [1]
- Wallstraße [1]
- Windhukstraße [2]
- Wohnstraße [2]
- Yorkstraße [1]
- Stadtansicht
- Alt Waldau [6]
- Alter jüdischer Friedhof in Bettenhausen [1]
- Blücherviertel [6]
- Dorfplatz an der Losse [37]
- Drahtbrücke Kassel [1]
- Eichwald [14]
- Erlenfeld [7]
- Fieselersiedlung im Stadtteil Forstfeld [2]
- Flugplatz Kassel-Waldau / Industriegebiet Waldau [6]
- Forstfeld [25]
- Forstfelder Mitte [1]
- Friedhof Bettenhausen [2]
- Fulda-Schifffahrt [7]
- Fuldabrücke Kassel [4]
- Gerhard-Fieseler-Flugzeugwerke [8]
- Hafen Kassel [3]
- Hafenbrücke [2]
- Häschenplatz, Ochshäuser Str / Forstbachweg [4]
- Hessendenkmal am Waldauer Fußweg [1]
- Industriegebiet Lilienthalstrasse 150 [4]
- Industriegebiet Lilienthalstrasse/Wohnstrasse [12]
- Junkerscamp "Lettenlager" [8]
- Kasseler Forst [14]
- Kasseler Osten [21]
- Kunigundishof [2]
- Leipziger Platz [6]
- Munitionsfabrik 1916 [3]
- Quellgebiet der Eichwasserleitung [2]
- Salzmannshausen [14]
- Schröderplatz Forstfeld [5]
- Siedlergemeinschaft Lindenberg 1 [2]
- Spielplatz Osterholzstraße [1]
- Stadtschleuse und Walzenwehr [3]
- Unterneustadt [23]
- Wahlebach [4]
- Gebäude
- Altes Bürgermeisteramt [2]
- Altes Tor der Neustadt [1]
- Bahnhof Bettenhausen [4]
- Bahnhof Bettenhausen der Söhrebahn [2]
- Betriebshof Sandershäuser Straße [2]
- Bürgerhaus Waldau [2]
- Bürgerschulen 25 und 26 [7]
- Charité / Salzmanns Hof [4]
- Das "Große Maul" [1]
- Diana Werke [1]
- Ehemaliges Forstgut in der Ochshäuser Straße [2]
- Eisenhammer [4]
- Ev. Immanuelkirche Forstfeld [4]
- Ev. Jakobuskirche Eichwald [1]
- Ev. Marienkirche Bettenhausen [7]
- Fachwerkhaus Leipziger Straße 321 [1]
- Firma Pilzegrimm [2]
- Forstlehranstalt Waldau [4]
- Frw. Feuerwehr Bettenhausen/Forstfeld, DRK Bettenhausen/Waldau [3]
- Gasthaus "Zur Römerhalle" [2]
- Gaststätte Insel Helgoland [3]
- Gaststätte Nadler-Thalia [3]
- Gaststätte Zum Osterholz [3]
- Gaswerk Nürnberger Straße [1]
- Haferkakaofabrik/Schüle-Hohenlohe [3]
- Hallenbad-Ost [2]
- Hassia Drogerie [1]
- Haus Forstbachweg [4]
- Heilsarmee Sozial-Center-Kassel [1]
- Jägerhaus / Kastell [2]
- Kadruf [2]
- Kindertagesstätte Forstbachweg [1]
- Kindertagesstätte Lindenberg [1]
- Kupferhammer [1]
- Lilienthalstraße 1 [1]
- Lossekraftwerk [1]
- Lossemühle Agathof [3]
- Messinghof [2]
- Molkerei Krell [2]
- Postamt Bettenhausen [1]
- Pulvermühle / Herkulesbrauerei [2]
- Salzmann & Comp. [11]
- Schmiede Waldau [1]
- Schule Am Lindenberg [5]
- Schützenhaus [1]
- Seniorenwohnanlage Lindenberg [1]
- Siechenhof [2]
- St. Kunigundis - Kirche [5]
- St.-Andreas-Kirche Forstfeld [1]
- Stadtteilzentrum Agathof [16]
- Theater des Osten / Restaurant Belz [4]
- Treffpunkt Samowar [1]
- Unterneustädter Mühle [2]
- Wartburghütte Niestetal [3]
- Wollwäscherei Mosbacher [1]
- Zehntscheune Waldau [2]
- Kultur
- Erlebte Geschichte
- Familienfest
- Feier
- Unternehmen
- Organisationen
- Menschen
- Frühgeschichte
- Mittelalter
- 13. Jahrhundert
- 14. Jahrhundert
- 15. Jahrhundert
- 16. Jahrhundert
- 17. Jahrhundert
- 18. Jahrhundert
- 19. Jahrhundert
- 1900er Jahre
- 1910er Jahre
- 1920er Jahre
- 1930er Jahre
- 1940er Jahre
- 1950er Jahre
- 1960er Jahre
- 1970er Jahre
- 1980er Jahre
- 1990er Jahre
- 2000er Jahre
- 2010er Jahre
- 2020er Jahre