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25. Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft mit Kolonialausstellung
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1911
- Ort: Industriegebiet Lilienthalstrasse/Wohnstrasse
- Vom: 22.10.2023
- Themen: Stadtentwicklung, Industrie und Gewerbe
Nachdem der Forst im Jahr 1906 uneingeschränktes Eigentum der Stadt Kassel geworden war, fand dort die am 21. Juni 1911 eröffnete Ausstellung der Deutschen Landwirtschaft, deren besonderer Aspekt eine große Kolonialwarenschau war, statt. In der Zeit des Deutschen Kaiserreiches waren Kolonialausstellungen keine selbstständigen Veranstaltungen, sondern als Teile anderer Ausstellungen konzipiert.
Für Hessen sind mindestens acht Kolonialausstellungen verbrieft, davon drei in Kassel (1897, 1906, 1911). Die Ausstellung vom 4. Juni bis zum 13. Juni 1897 in Kassel fand in der Orangerie, dem Gebäude am nördlichen Rand der Karlsaue, statt. Auch die Ausstellung in Kassel 1906 fand in der Orangerie und der Voraue statt. Sie war vom 24. August bis zum 5. September geöffnet und gehörte zur Jubiläumsausstellung des Gartenbau-Vereins Cassel anlässlich seines 50-jährigen Bestehens. Indem die Schauen meist nicht für sich standen, sondern in größere Kontexte eingebettet waren, dokumentierten sie zugleich, dass auch der Kolonialismus kein Thema einer kleinen Elite sein sollte, sondern ein selbstverständlicher Teil des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland.
Der „Sauplatz“ (kleine Forst) jenes Gelände was die Stadt Kassel ursprünglich für ihre Schweineherden als Huteplatz nutzte. Dieser Sauplatz wurde Ende des 19. Jahrhunderts völlig von einem neuen Gaswerk überbaut. Am 1.12.1879 wurden Schienen von Waldkappel bis Bettenhausen verlegt. Der Bahnhof Bettenhausen entstand. Aber noch immer war genügend Raum um Großveranstaltungen auf dem großen Forst abzuwickeln.
Die Kolonialausstellung in Kassel 1911 war Teil der 25. Auflage der jährlichen Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft und wurde als Ausstellung mit entschiedenem kolonialwirtschaftlichem Schwerpunkt konzipiert. Es sollten die Errungenschaften und die Fortschritte nicht nur der heimischen Landwirtschaft, sondern auch die der deutschen Kolonien sich im friedlichen Wettstreit messen. Landgraf Chlodewig von Hessen eröffnete in Anwesenheit vieler Gäste die Wanderausstellung. Zu den Ehrengästen zählten u. a. der Preußische Landwirtschaftsminister Dr. Clemens Freiherr von Schorlemer und der Kasseler OB August Nikolaus Müller.
Die Ausstellung lockte zwischen dem 22. und dem 27. Juni knapp 200.000 Besucher in den Forst neben dem 1906 eingemeindeten Kasseler Stadtteils Bettenhausen. 30 ha des Forstgeländes hatte die Stadt für diese 25. Wanderausstellung zur Verfügung gestellt. Die Fläche in unmittelbarer Nähe des Hessendenkmals mit Friedenseiche erstreckte sich an der alten Nürnberger (ehemals Fuldaer Str.) vor dem Gaswerk das 1894 in Betrieb ging, dem Wahlebach im Westen und der Bahnlinie hinter dem Bahnhof Bettenhausen im Osten. Zur leichteren Orientierung wurde das Gelände in Straßen eingeteilt, an denen die vorgefertigten Hallen aus Zeltplanen angrenzten.
Angeschlossen war innerhalb der Kolonialausstellung eine Sonderschau der Kolonialschule Witzenhausen. Ziel dieser Kolonialausstellung war es, deutsche Landwirte für die Kolonien anzuwerben, die in Übersee tropische Produkte für den deutschen Markt produzieren sollten. Die Deutschen Kolonialzeitung Nr. 21 vom 27. Mai 1911 schreibt dazu:
„Ihre Bedeutung liegt darin, den deutschen Landwirt auf die Aufgaben, die seiner in den Kolonien harren, aufmerksam zu machen, ihn anzuregen, sich als Pflanzer, Viehzüchter, Beamter, Aufseher oder Ansiedler an der Bodennutzung der Kolonien zu beteiligen, sich in den Kolonien neue Gebiete oder Tätigkeit zu erobern und so die ungeheuren Summen, die wir alljährlich für tropische Produkte nach fremden Ländern und Kolonien abführen müssen, für unsere eigenen Kolonien gewinnen zu helfen.“
Die Deutsche Kolonialschule aus Witzenhausen a. d. Werra bot per Anzeige für junge Männer eine bewährte praktische und theoretische Ausbildung für Obstbauer, Land- und Viehwirte und Pflanzungsbeamte in Übersee an.
Schon im Vorfeld des großen Ereignisses warben die Firmen in den Zeitungen mit ihren Produkten aus den Übersee-Kolonien oder mit Erzeugnissen und Geräten, die sie für die besonderen Erfordernisse in diesen anbieten konnten. Größere Fabriken, die sich mit der Verarbeitung von Erzeugnissen der Kolonien beschäftigen, führten die wichtigsten Produkte in allen Stufen vom Rohprodukt bis zur fertigen Verkaufsware vor. Hinzu kamen landwirtschaftliche Maschinen für die Tropen und wissenschaftliche Darstellungen, so dass die Ausstellung einen fast lückenlosen Überblick über die Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft in den Kolonien geben konnte.
Die landwirtschaftliche Wanderausstellung wurde mit 400 Pferden, mit Geflügel, Kaninchen, Fischen und Schäferhunden beschickt. Wegen einer grassierenden Maul- und Klauenseuche fehlte das Klauenvieh, wie Rinder und Schweine. Auf einem großen Ring am östlichen Rand der Ausstellung fanden Tierschauen und Geschützvorführungen statt. Das Ackergelände dahinter diente der Vorführung von dampfbetriebenen landwirtschaftlichen Maschinen.
Viele der tausenden Besucher reisten mit der Straßenbahn oder der Eisenbahn über die Cassel-Walkappel-Strecke an. Die Verbindung von Bettenhausen in Richtung Kasseler Hauptbahnhof war bereits am 15. März 1880 befahrbar. Am 21. Mai 1884 konnte der Straßenbahnverkehr zwischen Cassel Hedwigstraße und dem Staatsbahnhof Bettenhausen in der Leipziger Straße aufgenommen werden. Mit der Planung für die große Landwirtschaftliche Wanderausstellung 1911 wurde die Line 3 bereits 1910 zweigleisig ausgebaut.
Für die Bequemlichkeit der Besucher gab es im Ausstellungspark Wein- und Bierwirtschaften sowie Cafés und Post-, Telegraph- und Schreibstuben. Sogar ein Friseur war auf dem Platz zu finden. Laut Notiz aus der Deutschen Kolonialzeitung verkaufte auch ein "junger Togolese" an einem Stand Kolonialwaren aus seiner Heimat. Für die Schiffsreise nach Übersee warben die Reeder der Norddeutschen Llyod mit Passagen auf ihren Hochseedampfern. Von dem Doppelschrauben Schnelldampfer „Kronprinzessin Cecilie“ wurde sogar ein Schnittbogen zum Basteln angeboten.
Unter vielen Ausstellern aus dem gesamten Kaiserreich waren auch zahlreiche Firmen aus Cassel dabei, wie:
Drell- und Segeltuch-Webereien Salzmann & Co.
Kasseler Hafer-Kakao-Fabrik Hausen & Co. A.-G.
Dampfdestillerie und Likörfabrik Hermann Cramer
Kekes- und Biskuitfabrik Hermann Hämer
Auf dem Forst wurden bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts die großen Vieh- und Pferdemärkte, sowie später die Rennen des Hessischen Reitervereins abgehalten. Die DLG Ausstellung 1911 war trotz eines von Experten prophezeiten Fiaskos ein großer Erfolg und übertraf mit ihrer Besucherzahl alle davor in Kassel stattgefundenen Ausstellungen. Auf diesem Gelände fanden später keine derartigen Veranstaltungen mehr statt. Im Jahr 1912 wurde an der östlichen Grenze des Ausstellungsgeländes die Söhrebahn feierlich eingeweiht. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges 1914 endete für das Deutsche Kaiserreich die Zeit des wachsenden Kolonialismus. Die Stadt Cassel verkaufte ein großes Areal des Forstes südlich von Bettenhausen an den Militärfiskus. Ab 1915 entstand darauf eine riesige Königliche-Munitionsfabrik.
Editor: Erhard Schaeffer, Oktober 2023
Quellen:
Deutsche Kolonialzeitung S. 123-124, Artikel zur DLG Wanderausstellung
Kassel ein Blick zurück S.12, Wartberg Verlag, Wolfgang Hermsdorff
Hessenland (25. 1911) S. 182 Artikel zur DLG Wanderausstellung
HNA Stadtausgabe 25.06.1966, Ein Blick zurück (209)
Kolonialausstellungen Uni Marburg https://www.online.uni-marburg.de/hessen-postkolonial/
Uni Kassel Bibliothek, Bücherverzeichnis der Deutschen Kolonialgesellschaft
Uni Kassel Bibliothek, Tageblatt der 25. Wander-Ausstellung (1535359588886)
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Kurzbeschreibung
Nach dem der Forst im Jahr 1906 uneingeschränktes Eigentum der Stadt Kassel geworden war, fand dort die am 21. Juni 1911 eröffnete Ausstellung der Deutschen Landwirtschaft, deren besonderer Aspekt eine große Kolonialwarenschau war, statt. In der Zeit des Deutschen Kaiserreiches waren Kolonialausstellungen keine selbstständigen Veranstaltungen, sondern als Teile anderer Ausstellungen konzipiert.
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