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Bei der Kirmes war der Bär los

Kirmesfeier mit Baer, 1910

Kirmes Gesellschaft auf dem Dorfplatz, 1910
Foto: Stadtteilzentrum Agathof e.V.

Wie in vielen anderen nordhessischen Dörfern wurde auch in Bettenhausen Kirmes gefeiert. Leider gibt es über den Verlauf des Festes und den Zeitpunkt, wann im Jahr die Bettenhäuser Kirmes gefeiert wurde, keine schriftlichen Aufzeichnungen und auch keine Schilderungen von Zeitzeugen. Lediglich zwei aussagekräftige Schwarz-Weiß-Fotos bezeugen, dass es auch in Bettenhausen zwischen 1925 und 1957 Kirmesfeiern gegeben hat. Nach Meinung der Sprachforscher leitet sich der Begriff Kirmes von dem Wort Kirchmesse über Kirmesse zur Kirmes ab. Kirchmesse wurde in den Dörfern regelmäßig an dem Wochenende gefeiert, an dem nachweislich die Kirche geweiht wurde. Nun ist zwar belegt, dass der erste Bau der Bettenhäuser Marienkirche mit ihrem wehrhaften Turm im April 1793 fertiggestellt wurde, über den Tag der ersten Weihung finden sich aber keine konkreten Angaben.

Die spärliche Vegetation und die warme Kleidung der Kirmesburschen auf dem Foto von 1957 lassen die Vermutung zu, dass die örtliche Kirmes im Herbst eventuell auch erst nach dem Erntedankfest, Mitte Oktober, stattfand.
Eine weitere Besonderheit der heimischen Feierlichkeiten war der Kirmesbär. Der Kirmesbär hat seine Wurzeln in dem Stroh- oder Erbsenbär der schwäbisch-alemannischen Fasnacht.
Bis zum heutigen Tage wird zum Beispiel im nordhessischen Elbenberg, ein Stadtteil von Naumburg, ein mit Stroh umwickelter Bursche als Strohbär im Kirmesumzug mitgeführt.
Traditionell zogen die Kirmesburschen samstags mit einigen Musikern durch das Dorf und spielten vor den Häusern ein „Ständchen“. Diese „Ständchen“ wurden reichlich mit Schnaps begossen und mit Sach- und/oder Geldgeschenken belohnt. Diese Geschenke bildeten die Grundlage für das sonntägliche Fest im Kirmeszelt oder wie auf dem Foto von 1910 zu vermuten in der benachbarten „Dorfschänke“ beim Wirt Rewald.

Wie ausschweifend bis wild die Kirmes auch in Bettenhausen gefeiert wurde, geht aus einer traurigen Anekdote hervor, die den Bettenhäusern ihren Spitznamen gab. Bei einer ausgelassenen Feier, mutmaßlich einer Kirmes, sollen junge Burschen ein dorfbekanntes, einfältiges Mädchen in einen Sack gestopft haben. Sie zogen und warfen den verbundenen Sack so lange umher, bis aus ihm kein Schreien und Wimmern mehr zu hören war. Als der Sack geöffnet wurde, war das arme Wesen vor Angst und Schmerz gestorben. Nachdem sich diese Geschichte herumsprach, bekamen die Bettenhäuser den Spitznamen „de Sackstopper“. Es ist auch verständlich, dass die Bettenhäuser mit ihrem Spitznamen sehr zurückhaltend umgehen.

Geschmueckter Kirmeswagen, 1949
Kirmeswagen in Bettenhausen, 1949  Foto: Stadtteilzentrum Agathof e.V.

Der Brauch der Kirmesfeier ist, wie viele andere dörfliche Traditionen, mit der Verstädterung und zunehmender Anonymisierung im Stadtteil untergegangen. Der Geschichtskreis Bettenhausen früher und heute würde sich darüber freuen, wenn unvermutet doch noch ein Zeitzeuge etwas über den Verlauf der Bettenhäuser Kirmes zu berichten weiß.

Kirmesgesellschaft in Bettenhausen, 1957
Letzte Kirmes in Bettenhausen, 1957  Foto: Stadtteilzentrum Agathof e.V.

Die Hessischen Nachrichten berichten in ihrer Ausgabe am 29.10.1958:

Kassel (red). Nach alter Tradition begeht am 1. November 1958 das Bandonion-Orchester Kassel-B, seine Kirmes. Wie alljährlich hat Kirmesvater Richard Buse mit den Kirmesburschen die Vorbereitungen getroffen. Dieses Jahr wird - wie vor 50 Jahren - die Kirmes am Freitagabend in sämtlichen Gaststätten von Bettenhausen angeblasen. Die Gäste in den Lokalen sollen mit einem Gesundheitsständchen geehrt werden. Am Samstag ab 8 Uhr früh beginnt der festliche Tag. Die Kirmesflasche von 1957 wird vor dem Theater des Ostens ausgegraben. Höhepunkt ist das Auftreten des Kirmesbären. Auch werden - wie vor 50 Jahren - ein Schutzmann und der Bürgermeister von Bettenhausen an dem Morgenständchen teilnehmen. Ab 20 Uhr spielt das Bandonion-Orchester in Bauerntracht im Theater des Ostens.

Das Bandonion - Orchester Bettenhausen feiert am 30. und 31. Oktober 1959 zum zehnten Male nach dem Kriege seine Original - Bauernkirmes.

Zum Schluss noch ein altes deutsches Sprichwort, gesammelt von Karl Simrock, 1846:

Es ist keine Kirche so klein,
Des Jahrs muß einmal Kirmes drin sein.

Text und Editor: Bernd Schaeffer, Mai 2015

Quellen:

  • Die ev. Kirchengemeinde Kassel-Bettenhausen, Pf. i.R. Adalbert Römheld, 1972
  • regiowiki.hna.de aufgerufen am 24.05.2015
  • Strohbär, Wikipedia, aufgerufen am 24.05.2015

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Kurzbeschreibung

Wie in vielen anderen nordhessischen Dörfern wurde auch in Bettenhausen Kirmes gefeiert. Leider gibt es über den Verlauf des Festes und den Zeitpunkt, wann im Jahr die Bettenhäuser Kirmes gefeiert wurde, keine schriftlichen Aufzeichnungen und auch keine Schilderungen von Zeitzeugen. Lediglich zwei aussagekräftige Schwarz-Weiß-Fotos bezeugen, dass es auch in Bettenhausen zwischen 1925 und 1957 Kirmesfeiern gegeben hat. Nach Meinung der Sprachforscher leitet sich der Begriff Kirmes von dem Wort Kirchmesse über Kirmesse zur Kirmes ab. Kirchmesse wurde in den Dörfern regelmäßig an dem Wochenende gefeiert, an dem nachweislich die Kirche geweiht wurde. Nun ist zwar belegt, dass der erste Bau der Bettenhäuser Marienkirche mit ihrem wehrhaften Turm im April 1793 fertiggestellt wurde, über den Tag der ersten Weihung finden sich aber keine konkreten Angaben.

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