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Brandkatastrophe im Fuldahafen

Rauchwolke und Feuerwehr im Kasseler Hafen 1936

Brand im Hafen Kassel 1936
Foto: Giller-Mierke-Petig, Kassel 1991

„Die größte Feuersbrunst seit Jahren“ so titelte die Kasseler Neuste Nachrichten zum Großbrand vom 14.9.1936 am Kasseler Hafen. Zur Brandbekämpfung waren mehr als hundert Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehren Wolfsanger und Bettenhausen sowie für Aufräumarbeiten 80 Arbeitsdienstmänner über Tage tätig. Den Flammen fielen trotzt massiven Löschwassereinsatzes die Hafenspeicher mit großen Mengen von Jute, Hanf, Getreide und Ölen zum Opfer. Von der Getreidereinigungsanlage ragte nach dem Brand nur noch ein einsamer Kamin über die Brandstelle. Lesen Sie hier wie diese für den Hafenbetrieb so einschneidende Katastrophe ablief.

Nach einem Zeitungsartikel der Kasseler Neusten Nachrichten bemerkte der Lagerverwalter Stern kurz nach 13 Uhr das aus dem Speicher dicke Rauchwolken aufstiegen. Die Alarmierung der Feuerwehr und Polizei führt kurz darauf zum Großfeueralarm. Nach einigen Minuten hatte der Brand eine riesige Ausdehnung angenommen. Hohe Stichflammen schossen empor und laute Detonationen kündeten von der Gefährlichkeit des Brandes.

Die Feuerwehr setzte nach dem Eintreffen an der Brandstelle sofort fünf Motorspritzen ein. Aus mehr als 15 Rohren wurden gewaltige Mengen Wasser in die Glut gespritzt. Der Kampf schien zunächst aussichtslos. Im Speicher lagerten große Mengen an Jute, Hanf, Getreide aber auch Öle. Nach einer halben Stunde stand der Mittelteil des Speichers in einer Ausdehnung von 70 Metern voll in Flammen. Die Feuerwehr unter der Leitung von Branddirektor Becker musste sich darauf beschränken ein Übergreifen des Brandes zu verhindern.

Luftbild vom Hafen 1936
Blick auf den Hafen und die Speicherhallen vor der Brandkatastrophe 1936  Foto: Junkers, Dessau

Kurz nach 14 Uhr stürzte der mittlere Teil des Speichers ein. Die Gewalt des Feuers war mit dem Einsturz zum Glück gebrochen. Die Feuerwehrkräfte konnten sich auf den Schutz der Seitenflügel konzentrieren. Dadurch gelang es diese Teile vor der Zerstörung zu bewahren. Nach zwei Stunden war die größte Gefahr beseitigt. Feuerwehr, Polizei und Arbeitsdienst konnten mit der Bergung der Lagergüter beginnen. Angekohlte Juteballen und Säcke wurden, wie auf den Bild zu sehen, ins Freie gebracht. Aufgeheizte Ölfässer wurden geborgen und weiter gekühlt. Insgesamt konnte von der Menge der Güter mehr gerettet werden als zerstört wurde. Der Schaden überschritt aber bei Weiten den Wert der geretteten Güter. Denn allein die völlig zerstörte Getreidereinigungsanlage hatte einen Wert von 40.000 Mark.

Besonders lobend erwähnt werden in dem Artikel die Männer des Reichsarbeitsdienste. Ab 1935 wurde die Teilnahme am Reichsarbeitsdienst (RAD) für alle männlichen und weiblichen Arbeitskräfte im Alter von 18 bis 25 Jahren Pflicht. Der RAD hatte den Auftrag, gemeinnützige Projekte zu unterstützen. Der RAD sollte zur Erziehung der Arbeitsmoral dienen und dazu beitragen, Klassengegensätze aufzuheben; Motto: „Arbeit für Dein Volk adelt Dich selbst". Gedacht war der Arbeitsdienst aber vor allem für arbeitslose Jugendliche, die keine Lehrstelle oder keinen Arbeitsplatz nach der Schulausbildung gefunden hatten. Die Zeitung schrieb unter der Überschrift

Das Heldenstück der Arbeitsdienstmänner
„Unter den Lösch- und Rettungsmannschaften tat sich eine kleine Gruppe der Arbeitsdienstabteilung 9/221 unter Führung des Unterfeldmeisters Freißler rühmlich hervor. Die Gruppe hatte den Brand an ihrer Arbeitsstelle in der Fieseler - Siedlung gesichtet und eilte sofort nach dem Hafen. Eine kurze Orientierung und dann gingen die Männer ans Werk. Als später Regierungspräsident Monbart an der Brandstelle weilte, sprach er ihnen den tapferen Dank und Anerkennung für ihren heldenmütigen Einsatz aus.“

Nach der Eindämmung des Brandes wurden die Aufräumarbeiten in Angriff genommen wobei wiederum der Arbeitsdienst mit bis zu 80 Mann auch in den nächsten Tagen zum Einsatz kam. Am späten Nachmittag konnte die Berufsfeuerwehr von den Freiwilligen Feuerwehren Bettenhausen und Wolfsanger teilweise abgelöst werden. Diese freiwilligen Wehren zählten nach der Eingemeindung der Vororte zu der Feuerwehr Kassel und wurden ab 1933 zu Großeinsätzen nachalarmiert. Die Wehren übernahmen während der Nacht die Brandwache.

Sportboothafen des Yacht Clubs Kassel 2010
Der Hafen dient heute als Sportboothafen für den Yacht Club Kassel . Die alten Speichergebäude werden immer noch genutzt.  Foto: Gerhard Baumbach, Kassel

Die Ursache des Feuers konnte nicht einwandfrei aufgeklärt werden. Man vermutete, dass Selbstentzündung von Jute die schwere Brandkatastrophe ausgelöst hatte. Im Hafen wurde danach fast die gesamte Anlage neu geplant und vor 1939 wieder aufgebaut. Die Bremer-Mindener-Schleppschifffahrtsgesellschaft übernahm wenig später anstelle der Kasseler Firma Broekelmann sen. & Grund die Lagerhäuser als Pächter. Die Lagergebäude überstanden fast unbeschadet den Zweiten Weltkrieg und stehen heute unter Denkmalschutz.

 

Editor: Erhard Schaeffer, 2011

Quellen:

  • 100 Jahre Berufsfeuerwehr Kassel, Giller-Mierke-Petig, 1991
  • Lebenssituationen in Deutschland, Deutsches Historisches Museum Berlin, Rosmarie Beier und Bettina Biedermann, 1993
  • 100 Jahre Hafen Kassel, Yacht Club Kassel, Ingrid Friedrich, 1995

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Kurzbeschreibung

„Die größte Feuersbrunst seit Jahren“ so titelte die Kasseler Neuste Nachrichten zum Großbrand vom 14.9.1936 am Kasseler Hafen. Zur Brandbekämpfung waren mehr als hundert Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr, der Freiwilligen Feuerwehren Wolfsanger und Bettenhausen sowie für Aufräumarbeiten 80 Arbeitsdienstmänner über Tage tätig. Den Flammen fielen trotzt massiven Löschwassereinsatzes die Hafenspeicher mit großen Mengen von Jute, Hanf, Getreide und Ölen zum Opfer. Von der Getreidereinigungsanlage ragte nach dem Brand nur noch ein einsamer Kamin über die Brandstelle. Lesen Sie hier wie diese für den Hafenbetrieb so einschneidende Katastrophe ablief.

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