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Das Leipziger Tor und die Zollmauer
- Autor: Gerhard Böttcher
- Zeit: 1750-1799
- Ort: Unterneustadt
- Vom: 26.04.2012
- Themen: Stadtentwicklung, Kommunale und staatliche Einrichtungen
Nach Beendigung des siebenjährigen Krieges und der Rückkehr des 42jährigen Landgrafen Friedrich II. am 2. Januar 1763 nach Cassel, vollzog sich ein städtebaulicher Umbruch der Stadt. Friedrichs Berater und erster Baumeister war Simon Louis du Ry, der wohl genialste der Architekten Familie du Ry. Durch den Ankauf vieler außerhalb der Mauer liegender Gärten durch den Landgrafen und reger Bautätigkeit innerhalb und außerhalb der Befestigungsanlage war die Schleifung der Mauer die notwendige Folge. Auch der letzte Krieg zeigte die Entbehrlichkeit eines Festungswerks, das im dreißigjährigen Krieg noch seine Berechtigung hatte. Bis auf wenige der fürstlichen Minister, voran Ernst von Schlieffen, wollten die Erweiterung des Befestigungsringes. Von der Bevölkerung aber kam mehrheitlich der Wunsch und die Bitte an den Landgrafen den Abriss der Mauer und die Wassergräben zu beseitigen. Allein der fortgeschrittene Neubau von Häusern in der Leipziger Vorstadt , die der alten Ummauerung immer näher rückten, verlangten ein Umdenken.
Aus der Zeichnung ersichtlich ist die auf Simon Louis du Ry zurückzuführende neue Brückenführung mit der neuen Platzgestaltung des Leipziger Platzes (heute Unterneustädter Kirchplatz) und die Straßenführung von der Brücke fast gradlinig zum Ausgang des neuen Platzes.
Nicht genau zu erkennen ist die Stelle des neuen Leipziger Tors und der Verlauf der Zollmauer. Der Ausgang zur Leipziger Straße führt vom Ravelin mit der Brücke über den Wassergraben direkt auf den neuen Torausgang. Der Holzplatz zeigt schon seine neuen Umrisse, allerdings steht noch die Magdalenekirche, die 1795 abgebrochen wurde.
Mit dem Abriss der Mauer begann der Landgraf am 21. Dezember 1767, mit dem Abstecken über den Verlauf der Zollmauer wurde am 8. April 1768 begonnen. Die Mauer verlief in der Unterneustadt am Außenrand des alten Grabens, beginnend an den Hinterhäusern der alten Leipziger Straße, hinter dem Waisenhausgarten an der jetzigen Maulbeerplantage zum Leipziger Platz. Von da aus umschloss sie den Brückenkopf des Unterneustädter Tor, hinter dem alten Gefängnis (später Elwe) bis zum Salztor (Salztorstraße) zur Wallstraße, aber diesmal am Innenrand zur Fulda hin. Nach einer Verordnung des Landgrafen musste beiderseits der Mauer eine sechs Meter (20 Fuß) breite Straße verbleiben (Losch, Chroniken).
Die Arbeiten unterlagen dem Ingenieur-Major Capitän Albrecht, 1782 war in der Unterneustadt die neue Stadtmauer fertiggestellt.
Einen Einblick in die Arbeiten und Zeitdauer über die „Demolirung" der Festungswerke, sowie es Carl Theodor Piderit formuliert hat, bekommt man in seiner Geschichte über die Residenzstadt Cassel.
„Zuerst mußten die Gefangenen die Strichmauer an dem Walle neben dem Zeugmantel (Mauerwerkdas mit der Befestigungen des Schlosses an der kleinen Fulda verbunden war) abbrechen, im folgenden Jahre 1768 wurden von allen Regimentern zu Fuß, außer der Garde, Abtheilungen commandirt, welche vom 22. Februar an ununterbrochen, so lange es die Witterung selbst im Winter gestattet, an der Abtragung der Wälle und Ausfüllung der Gräben arbeiteten und doch dauerte die Arbeit volle sieben Jahre, bis man wieder zum Zeugmantel kam, von dem man ausgegangen war, dessen letzte Spuren erst vom 5. Oktober 1789 bis zum 17. April 1790 völlig verschwanden" ( Piderit)
Durch die geschleiften Wälle und aufgefüllten Gräben entstanden große, freie Flächen die allerdings nur allmählich einer Bebauung zugeführt werden konnten. Bis die aufgeschüttete Erde sich festigen konnte, gestattet der Landgraf seinen Bürgern vorläufig Gärten darauf anzulegen. Am äußersten Scheitelpunkt des Unterneustädter Tores entstand in seiner ovalen Form der Leipziger Platz, der erst mit dem Bau der Kirche auf der Mitte des Platzes, den Namen Unterneustädter Kirchplatz erhielt. (Der Plan ist auf Simon Louis du Ry zurückzuführen)
Die in rot eingezeichnete, vorhandenen Festungswerke sind durch Lessing 1880 eingetragen, die dunkle, schmale Linie ist die Zollmauer um die Unterneustadt. Ellipse links Zeugmantel, Ellipse rechts No. 32, Leipziger Tor und Unterneustädter Kirchplatz, in der Mitte No. 7 Kirche, No. 19 Kastell, No. 36 Wilhelmsbrücke, No. 5 Brüderkirche, No.18 Renthof, No. 5 Brüderkirche, No. 34 Altmarkt, No. 17 Marstall, No. 6 ehemalige Lutherkirche, No. 15 Chattenburg und No. 18 Packhof.
Die neue Mauer dient weniger der Verteidigung sondern war vornehmlich zu Ordnungszwecken gedacht, sie erfüllte den Zweck der Zoll- und Steuerkontrolle. Auch die Tore waren nicht als Wehrvorrichtung eingerichtet und hatten Anfangs einfache Flügeltüren mit geringer Durchfahrtsbreite.
Die rot gekennzeichneten Grafiken No. 41 Anatomie, No. 42 Findelhaus, No. 43 Wilhelmsbrücke, sind auf Simon Louis du Ry, die rot gepunkteten auf Paul und Charles du Ry zurückzuführen. Der Verlauf der Zollmauer liest sich an der roten Linie ab und zeigt auf der Maulbeerplantage wie an der Wallstraße eine geplante Baumbepflanzung. Vorgesehen war auch rechts und links der Mauer ein 20 Fuß (5.75 Meter) breiter Streifen, der für Straßen frei bleiben musste. Am unteren Bildrand rechts ist noch ein Rest des Wassergrabens zusehen.
Über die Anzahl der Tore, die von Friedrich II. gebaut wurden gibt es unterschiedliche Angaben, nach „ Engelhard ” sind es dreizehn Tore. Das ehemalige Cassel hatte vor 1776 nur acht Tore und vier Schläge, unter Friedrich II. sind fünf neue Tore hinzu gekommen (Schminke Beschreibung von Cassel 79 S.5). „Das Leipziger Tor , als das einzige der Unterneustadt, führte vor dieselbe auf verschiedene, vornehmlich, nach welcher gleich vom Thore an ein schnurgerader mit Bäumen besetzter gepflasterter Weg in 1776 neu angelegt worden ”. ( Erdbeschreibung Band 1 Engelhard )
In der „Casselischen Policey- und Commercien- Zeitung” wurden am 4. und 18. September 1769 auf Anordnung des Landgrafen für alle Tore neue Namen angeordnet. Aus dem Unterneustädter Tor wurde das Leipziger Tor. Den Namensgebungen liegen die Weisungen von Friedrich II. vor, dass Cassel sich zur Handelsstadt ausweisen sollte. Die Stadttore sollten auf die Handelsorte hinweisen und nicht nach der nächsten Umgebung. Dazu gehörte auch die Wiederaufnahme der regelmäßigen Fulda-Schifffahrt nach Hersfeld und ein Pferde- und Viehmarkt auf dem Forst.
Die Lithographie von Kramp und Wagner zeigt die Grundform der Toranlage mit den beiden rechteckigen Mauervorhöfen mit den geschwungenen Flügelmauern. An dem geraden Mauerstück die zwei hohen, quadratischen Torpfeiler, die auf dem ausladenden Sims mit 2 Pinienzapfen bekrönt sind. Nicht sichtbar sind die zwei Lattentore mit dem Anschlag hinter den Torpfeilern. Rechts und links hinter dem Tor befinden sich zwei Torhäuser und davor der Schlagbaum um Fuhrwerke und Reiter zum Anhalten zu zwingen. Das rechte Gebäude wurde erst später gebaut und diente als Amtswohnung für den Torschreiber. Auf der rechten Seite des Bildes halb verdeckt stand das geräumige Wachhaus (mit Mansardendach), das Gegenstück auf der linken Seite, die spätere Gastwirtschaft „ Zum wilden Wasser ” . Wenn auch das Leipziger Tor nicht aus der Feder von du Ry stammt, so ist es von seiner Größe und Bedeutung eines der Haupttore der Stadt.
Das Leipziger Tor war auf Grund der Bündelung dreier Hauptstraßen vor seinen Toren, der Leipziger Straße, der Nürnberger Straße, und der Hannoverschen Straße mit erheblichem Verkehr belastet. Ähnlich der Tore der Altstadt unterlag auch das Leipziger Tor einer besonderen Ordnung. Die Sperrung der Tore richtete sich nach der Zu- und Abnahme der Tage. An Sonn- und Feiertagen blieben die Tore bis um 3 Uhr geschlossen, allerdings wird auch nach bereits eingetretener Sperrung jedermann gegen Zahlung eines festgesetzten Sperrgeldes Einlass gewährt. Dieses beträgt für Fußgänger sechs Heller und für jedes Pferd zwei Albus. Das Tor war durch einen Seiteneingang mit einem Holzriegel, der fußhoch über der Erde angebracht war gesichert und verhinderte einen schnellen Durchlauf. Mit der barschen Frage der Posten „Wer da?”, mussten die Passanten mit „Mit gut Freund !” antworten, erst dann konnten sie das Tor passieren. Eine Besonderheit ist noch bei Feueralarm zu erwähnen, da werden alle Stadttore geschlossen, allerdings wird jeder Person freien Einlass gewährt, solange der Brand andauert, keiner Person aber der Ausgang erlaubt. Kurfürst Wilhelm II. legte der Stadt 1826 die Verpflichtung auf, bis auf zwei Ausnahmen die Wachhäuser und Tore neu zu erbauen und die alten der Stadt als Eigentum zum Abbruch zu übereignen.
Die Beschaffenheit der Tore, die in ihrer Breite zu wünschen übrig ließen, führten bald zu Beschwerden der städtischen Körperschaften, sie entwickelten sich immer mehr zu „Verkehrshindernissen”. Die Einwendungen fanden beim Kurfürsten kein Gehör und auch bei Anhängern und Freunden der Kunst- und Heimatgeschichte stießen sie auf wenig Gegenliebe. Erst die preußische Regierung, die 1866 den Kurfürsten absetzte und Kurhessen in den preußischen Staat einverleibte, folgte noch im gleichem Jahr den Wunsch der Verwaltung und begann mit dem Abriss der Tore innerhalb von wenigen Monaten, begonnen wurde mit dem Holländischen Tor.
Die Mauern hatten allerdings eine kürzere Lebensdauer, bereits 1834 wurde von Stadtbaumeister Rudolph Aufträge zum Abriss verschiedener Teile der Zollmauer vergeben. In der Unterneustadt wurde mit dem Abriss um den Unterneustädter Kirchplatz bis zur Wallstraße begonnen. In der Maulbeerplantage bis zur Sternstraße wurden lediglich nur Durchbrüche durchgeführt. Größere Strecken in der Maulbeerplantage und hinter dem Garten des Waisenhauses, sowie in der Wallstraße bis zur Fulda hin bleiben stehen.
Obwohl die alten Tore erst 1866 abgerissen wurden, verlegte der Kurfürst schon viel früher die Zollerhebung vor die Leipziger Vorstadt am Forst. Dort wurde mit Schlagbaum und Zollhaus der Straßenzoll erhoben.
Das Bild links zeigt in beeindruckender Weise die detaillierte Wiedergabe den Standort der Zollstelle mit dem Amtshaus und Schlagbaum (rechts) des kurfürstlichen „Wegegeld-Erhebers”. Das kleine Haus vor den Gastwirtschaften der Leipziger Vorstadt ist die Heuwaage (hier wurde das Heu für die Pferde der ein- und ausfahrenden Fuhrwerke und Kutschen verkauft). Der umzäunte Platz hinter der Heuwaage war bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts die alte Hinrichtungsstätte. Das Foto rechts zeigt das alte Zollhaus in der Leipziger Straße um 1890, im Hintergrund die ankommende Pferdebahn. Am 13. April 1884 wurde die Pferdebahn in Betrieb genommen.
Text: Gerhard Böttcher
Editor: Erhard Schaeffer, April 2012
Literatur:
- Bau-und Kunstdenkmäler im Reg.Bezirk Cassel Dr.phil. Holtmeyer
- Cassel Beschreibung Hauptstadt und Residenz Engelhard Lederhose Erdbeschreibung Band 1
- Geschichte der Residenzstadt Cassel Hugo Brunner
- Simon Louis du Ry ein Wegbereiter klassizistischer Architektur in Deutschland (Herausgegeben von der Stadtsparkasse Kassel)
- Schminke, Beschreibung von Cassel
- Ph. Losch, Chroniken
- Hochfürstliche Hessische Residenzstadt Cassel, Friedrich Lometsch Verlag Kassel
- von Ernst Metz, Einführung von Leopold Biermer
- Heinrich Schmidtmann, Erinnerungsbilder
Bilder:
- Ernst Metz,
- Landesmuseum Cassel
- Murhardbibliothek Kassel
Karten:
- Stadtarchiv, Stadt Kassel
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Kurzbeschreibung
Nach Beendigung des siebenjährigen Krieges und der Rückkehr des 42jährigen Landgrafen Friedrich II. am 2. Januar 1763 nach Cassel, vollzog sich ein städtebaulicher Umbruch der Stadt. Friedrichs Berater und erster Baumeister war Simon Louis du Ry, der wohl genialste der Architekten Familie du Ry. Durch den Ankauf vieler außerhalb der Mauer liegender Gärten durch den Landgrafen und reger Bautätigkeit innerhalb und außerhalb der Befestigungsanlage war die Schleifung der Mauer die notwendige Folge. Auch der letzte Krieg zeigte die Entbehrlichkeit eines Festungswerks, das im dreißigjährigen Krieg noch seine Berechtigung hatte. Bis auf wenige der fürstlichen Minister, voran Ernst von Schlieffen, wollten die Erweiterung des Befestigungsringes. Von der Bevölkerung aber kam mehrheitlich der Wunsch und die Bitte an den Landgrafen den Abriss der Mauer und die Wassergräben zu beseitigen. Allein der fortgeschrittene Neubau von Häusern in der Leipziger Vorstadt , die der alten Ummauerung immer näher rückten, verlangten ein Umdenken.
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