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Die Erholungs- und Kuraufenthalte in meiner Kinder- und Jugendzeit
- Autor: Wilfried Strube
- Zeit: 1946
- Ort: Forstfeld
- Vom: 05.09.2019
- Themen: Jugend- und Kindheitserinnerungen, Menschen erzählen
Durch meine erlittene Rauchvergiftung in der Nacht vom 22./23. Oktober 1943 in einem Luftschutzkeller unter der Gastwirtschaft „Pinne“, in der Kasseler Altstadt waren meine Bronchien stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Dies äußerte sich in den ersten 10 Kinderjahren in regelrechten Asthmaanfällen. Ich war also ständig von solchen Attacken bedroht und deshalb immer in ärztlicher Behandlung. Dazu kam dann noch eine Rachitis und Unterernährung, die wohl bei fast jedem Kind in den Nachkriegsjahren festgestellt wurde. Zur Behandlung erhielt ich Kalktabletten, schrecklichen Lebertran und Höhensonne, die ärztlich verordnet wurden. So kam meine Mutter mit ärztlicher Unterstützung auf die Idee, der Junge braucht Luftveränderung und muss zur Erholung. Diese Kur sollte möglichst noch vor der Einschulung geschehen, damit ich in der Schule nichts versäumte.
Bad Sooden-Allendorf 1946
Im Februar 1946 war es dann soweit. Man hatte mir einen Kuraufenthalt in allen schönen Farben geschildert und schmackhaft gemacht. Wie mein heutiger Kollege bei „Erinnerungen im Netz – Bettenhausen“, Erhard Schaeffer, mir geschildert hat, war der Aufenthalt im Kinderkurheim Werraland auch für ihn eine Tortur. Als Kriegerwitwe musste meine Mutter keinen Geldzuschuss leisten, den übernahm das Versorgungsamt der Stadt Kassel. Hier teile ich die Erfahrungen vieler Kinder, es war weit entfernt von allen freudigen Erwartungen, kurz, es war einfach schrecklich.
Der Tagesablauf war streng organisiert, die Erzieherinnen waren aus der alten preußischen Schule, alles wurde nach Zeit eingeteilt und die Tagesabläufe strickt vorgegeben. Den täglichen Besuch der Saline, der bereits erwähnt wurde, kann ich nur bestätigen. Die mitgebrachte Kleidung musste in einen Schrank auf dem Dachboden säuberlich eingeräumt werden, alles in Reih und Glied angeordnet. Über Kleiderwechsel musste ich selbst entscheiden und so kam es dann wie es kommen musste, ich hatte mir eine starke Erkältung eingefangen. Weil ich mit meinen starken Hustenanfällen die anderen Kinder in den Ruhezeiten störte, wurde ich in ein separates kleines Zimmer im Erdgeschoss verlegt. Da ich zu der starken Bronchitis auch noch Fieber bekam und mein Gesundheitszustand sich einer Lungenentzündung näherte, wurde ich von den täglichen Ausflügen an die frische Luft ausgeschlossen. Ich lag den ganzen Tag, zwei Wochen lang allein in dem Zimmer. Erst kurz vor der Heimreise durfte ich wieder aufstehen und ich fuhr kränker wieder nach Hause als ich gekommen war. Tägliche Spaziergänge führten uns an das Gradierwerk, wegen der gesunden Luft hielten wir uns dort auf. Wir trabten mehre Male um die Anlage herum, atmeten die Salzluft ein, das tat unseren Bronchien gut. Zweimal die Woche kamen wir in einen Holzbottich mit Solewasser, alles für unsere Gesundheit. Auch ich kann mich an das Lied „Kein schöner Land in dieser Zeit ...“, und „Am Brunnen vor dem Tore“, noch erinnern. Die ersten Worte an meine Mutter waren, als diese mich am Hauptbahnhof in Kassel abholte, ich möchte nie wieder in Erholung fahren. Das gab sich aber mit den Jahren. Erst später, in den 60zigern habe ich die Kirschenblüte zwischen Bad Soden – Allendorf und Witzenhausen genießen können. In diesen Jahren fuhren wir öfters mit dem Motorroller die Strecke am 1. Mai eines Jahres ab, um die Nähe der Grenze bei Wahlhausen oder Lindewerra in Augenschein zu nehmen. Von einem Parkplatz zwischen Oberrieden und Ellershausen an der B 27 konnten wir die großen politischen Parolen auf riesigen Spruchbändern auf der anderen Werraseite besonders gut sehen und sehnsüchtig schaute ich auf die Ruine der Burg Hanstein. In 1990 habe ich das alles nachgeholt. In Wahlhausen habe ich die Stuckmalereien in der vergammelten Kirche und die Ruine Hanstein, die war in einem guten Zustand, besucht und besichtigt. In den 70er Jahren habe ich als Grundstücks-Sachbearbeiter bei der „NEUE HEIMAT Nordhessen“ die Grundstücksumlegung als Vorbereitung für die Bebauung des „Klausberges“ im Ortsteil Allendorf bearbeitet. Hier habe ich durch ständigen Kontakt zu den einzelnen Grundstückseigentümern in allen Ortsteilen und den Nachbargemeinden einen guten Überblick über die Schönheiten der Stadt bekommen und diese dann auch als schön und sehenswert empfunden. Die unschönen Erinnerungen an das Kinderkurheim Werratal waren inzwischen längst vergessen.
Borkum 1948
Im Jahr 1948 stand wieder einmal ein Kuraufenthalt an, da ich immer wieder kriegsbedingt unter ständigen Problemen mit den Bronchien litt.. Der Arzt beim Gesundheitsamt der Stadt Kassel hielt einen Aufenthalt an der Nordsee für das geeignete. So fuhr ich dann mit dem Zug über Altenbeken, dort mussten wir umsteigen, nach Emden und von dort mit der Fähre nach Borkum. Hier war es schon viel besser und ich mit meinen 10 Jahren empfand die Erzieherinnen als aufgeschlossen und modern und es war ein sehr schöner Aufenthalt mit vielen Strandausflügen.
Auch wenn ich es nicht als sehr angenehm empfand zweimal wöchentlich nach dem Frühsport mit eiskaltem Meerwasser die Brust und den Rücken abgewaschen zu bekommen.
Den Leuchtturm von Borkum durften wir besteigen, immerhin mit einer Höhe von über 60 Metern ein sportliches Unternehmen.
Langeoog 1951
Im Frühsommer 1951 wurde ich wieder zur Kur wegen meiner Atemlufterkrankung verschickt, der Weg führte mich auf die Insel Langeoog ins Friesenheim. Wieder ging es per Bahn nach Altenbeken und von dort weiter nach Esens. Hier stiegen wir um nach Bensersiel. Von dort ging es mit dem Schiff zur Insel Langeoog. Mittlerweile liebte ich die Nordseeinseln.
Ich war im Stimmbruch und da zur Abschiedsfeier jede Gruppe das Programm mitgestalten sollte, kam auf mich die Wahl und ich musste die Sängerin Zarah Leander darstellen. Ich wurde in ein Kostüm gesteckt und ich trug das Lied „Der Wind hat mir ein Lied erzählt...“ vor. Wir hatten viel Spaß und mussten uns am Tag danach leider trennen. Einigen und auch mir fiel der Abschied von lieb gewordenen Freunden schwer.
Es war ein sehr angenehmer Aufenthalt mit guter Verpflegung und viel Frischer Meeresluft. Viele Freundschaften wurden geschlossen und noch nach Jahren kam Post mit Grüßen.
Später als Erwachsener habe ich die Insel Langeoog als Feriengast besucht.
Donaueschingen 1955
Da ich am 01.04.1956 meine Lehre beginnen sollte, wurde mir noch einmal ein Kuraufenthalt genehmigt. Ich wollte nun auch einmal etwas anderes kennen lernen als Meer und so kam ich im Frühjahr 1955 in ein Erholungsheim nach Donaueschingen im Schwarzwald. Am Hauptbahnhof in Kassel traf ich einen ehemaligen Freund aus der städtischen Siedlung der irgendwann nach Bettenhausen in die Leipziger Straße 120 gezogen war. Wir beide stöberten des Öfteren auf dem Gelände der „Sigurd – Werke“ und prüften, ob wir für unsere zusammen gebastelten Fahrräder Ausschussteile gebrauchen konnten. Das war verboten und wir durften uns nicht erwischen lassen.Dann war er verzogen in die Sandershäuser Straße 17. und der Kontakt war abgerissen. Sein Name war Valentin Siebert. Er fuhr mit mir gemeinsam nach Donaueschingen in Erholung. Wir waren täglich im Wald unterwegs und bauten uns aus Ästen Höhlen. Wir wanderten viel und hatten Gelegenheit ein Leichtathletik – Training zu absolvieren. Auch hier, selbst mit 13 Jahren musste wir noch mittags eine Ruhepause nach dem Essen einhalten. Abends wurden vor dem Zubettgehen noch Lieder gesungen. „Kein schöner Land...“, „Guten Abend Gute Nacht“, „Dass wir uns hier in diesem Tal...“ gehörten auch hier zum Repertoire. Es gab auch Strafen wenn während der Mittagsruhe und der Nachtruhe noch gequatscht wurde. Einmal, als ich selbst rief, nun aber Schluss mit dem Gerede, wurde ich, weil eine Erzieherin dies gehört und meine Stimme wohl erkannt hatte, im Schlafanzug eine halbe Stunde in den Waschraum verbannt. Dort stand ich nun und verfluchte diese Regelung. Während des gesamten Kuraufenthaltes habe ich mein Taschengeld gespart, damit ich mir mein erstes Fahrtenmesser für meine geliebte Lederhose kaufen konnte. Das Messer war mir bei einem unserer Spaziergänge aufgefallen. Das Messer besitze ich heute noch.
Vor der Heimreise erhielt ich als Belohnung von der Heimleitung einen Kuchen als Geschenk, weil ich von den Jungen am meisten zugenommen hatte. Stolze 12 Pfund. Das waren meine Erinnerungen und Erlebnisse bei mehreren Erholungskuren während meiner Kinder- und Jugendjahre.
Autor: Wilfried Strube 2019
Editor: Joachim Schmidt, September 2019
Quellen:
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Kurzbeschreibung
Durch meine erlittene Rauchvergiftung in der Nacht vom 22./23. Oktober 1943 in einem Luftschutzkeller unter der Gastwirtschaft „Pinne“, in der Kasseler Altstadt waren meine Bronchien stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Dies äußerte sich in den ersten 10 Kinderjahren in regelrechten Asthmaanfällen. Ich war also ständig von solchen Attacken bedroht und deshalb immer in ärztlicher Behandlung. Dazu kam dann noch eine Rachitis und Unterernährung, die wohl bei fast jedem Kind in den Nachkriegsjahren festgestellt wurde. Zur Behandlung erhielt ich Kalktabletten, schrecklichen Lebertran und Höhensonne, die ärztlich verordnet wurden. So kam meine Mutter mit ärztlicher Unterstützung auf die Idee, der Junge braucht Luftveränderung und muss zur Erholung. Diese Kur sollte möglichst noch vor der Einschulung geschehen, damit ich in der Schule nichts versäumte.
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