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Die Wohnstraße eine Zustandsbeschreibung
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 2019
- Ort: Wohnstraße
- Vom: 06.11.2019
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Menschen erzählen
Die Wohnstraßenbebauung stellt als die von Militärbaurat Karl Dupont 1915 entworfene Gesamtanlage noch heute ein für die Gründerzeit architekturgeschichtliches typisches, interessantes und recht anschauliches Ensemble dar. Neben dem Haupt- und Verwaltungsgebäude der ehemaligen Munitionsfabrik existieren heute noch einige dazugehörigen Werksgebäude und die eigene Straße mit Wohnhäusern, damals für höhere Angestellte bestimmt. Alle Gebäude sind in einem gleichartigen Stil errichtet. Als funktionale Abrundung der Gesamtanlage gab es ein Pförtnerhaus und die ehemalige Fahrbereitschaft.
Der Autor Phillippe Delage beschreibt in diesem Beitrag als Bewohner der Wohnstraße die Entwicklung der Straße, deren Bebauung unter Denkmalschutz steht, im Industriegebiet des Kasseler Osten.
Die Wohnstraße, eine Querstraße der Lilienthalstraße, ist eine Privatstraße. Sie gehört dem heute dort ansässigen Unternehmen, dem Unternehmenspark Kassel (UPK). Diese Straße war seit ihrer Erbauung von der Munitionsfabrik (1915-1918) über die Spinnfaser AG (Spifa) bis zur Enka GmbH (1934-1984) immer Bestandteil des dort ansässigen Unternehmens. Nach der Stilllegung von ENKA wurde bei der Abwicklung des Unternehmens aber nur die Straße, als Fahrbahn und Bestandteil des Industriegeländes, vom neuen Eigentümer UPK gekauft.
Die dort vorhandenen Wohnungen in den Häusern auf der rechten Seite wurden an andere private Interessenten veräußert. Dies ist der Grund, warum diese Häuser mit ihren Grundstücken seitdem eine Art Enklave innerhalb des UPK - Industriegeländes bilden und warum die Hausbewohner verkehrstechnisch vom Besitzer der Straße, dem UPK, abhängig sind.
In der Kasseler Adressbüchern taucht der Name „Wohnstraße“ das erste mal im Jahr 1931 auf. Davor wurden die Bewohner dieser Straße dem Reichswerk Bettenhausen oder der Körnerstraße (Deutsche Werke) oder noch Später der Lilienthalstraße zugeordnet. Der Name stammt aus der Zeit der „Industrieanlagen GmbH“ (1924-1928). Sie folgte den „Deutschen Werken“ (1920-1924), davor befand sich auf dem Gelände die Königliche Munitionsfabrik (1915-1918) vom Militär- Baurat Karl Dupont in der Zeit des Ersten Weltkrieges gebaut. Wem wir diesen Einfall die Straße "Wohnstraße" zu taufen verdanken ist bis heute nicht bekannt.
Die Wohnstraße ist nicht nur eine Privatstraße, sondern sie ist auch eine Sackgasse. Ausgenommen ist nur der Betriebsverkehr des UPK. Die Straße führt am Ende zu der Werksschranke, dahinter auf das Gelände des Unternehmenspark und danach wieder auf die Lilienthalstraße. Noch 2017 konnte man als Fußgänger über eine Brücke am Ende der Wohnstraße mittels eines kurzen Weges die Ochshäuser Straße erreichen. Leider ist diese Abkürzung von der Wohnstraße zum Ortskern von Bettenhausen (Leipziger Platz) seit zwei Jahren auf Grund von Brückenschäden gesperrt. Wann und ob überhaupt dies Verbindung den Bürgern jemals wieder zur Verfügung gestellt wird ist unklar. Dies Option liegt allein in der Hand des UPK, des Eigentümers der Brücke und des Verbindungsgrundstückes zur Ochshäuser Straße.
Diese Verbindung von der Ochshäuser Straße zur Wohnstraße und umgekehrt war übrigens eine von zwei einst existierenden Fußwegen von Bettenhausen nach Waldau durch den „Kasseler Forst“. Die baufällige Brücke über die Bahngleise im Verlauf des Pfaffenstieges wurde vor Jahrzehnten abgerissen. Der Pfaffenstieg wurde später als Straße entwidmet. (heute Porsche Glinike) Die UPK- oder Enka-Brücke sollte als Ersatz erhalten bleiben und deshalb renoviert. Aus einer Betonbrücke wurde eine moderne Stahlbrücke. Sie diente der Spifa später der Enka GmbH und deren Mitarbeitern dazu auf direktem Weg vom Leipziger Platz zur Arbeit zu gelangen.
In den damaligen Werkswohnungen auf der rechten Seite der Wohnstraße wohnen heute Bettenhäuser Bürger. Ebenfalls auf der rechten Seite befindet sich auch die Firma SaF. Untergebracht ist sie im letzten erbauten ENKA Kasino. Im Keller ist die einstige Kegelbahn für Mitarbeiter noch vollständig erhalten, leider aber nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich. Vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg befand sich auf dem Grundstück noch ein Wohnhaus. In diesem Haus hat Gerhard Fieseler, Kunstpilot, am Anfang seiner Flugzeugkonstrukteurskarriere für einige Jahre in den 1930ern gewohnt bevor er nach Wilhelmshöhe umzog. Dieses Haus wurde ab 1943 mehrfach bombardiert, zerstört und nicht wieder aufgebaut.
Übrigens haben laut den Adressbüchern aus unterschiedlichen Zeiten noch weitere Berühmtheiten in der Straße gelebt. Unter anderem war es Antonius Raab, Mitbegründer der Bettenhäuser Flugfirma Raab-Katzenstein. Otto Sander, der bekannte Schauspieler, hat im Haus 3a gewohnt. In diesem Haus hat er zwischen dem 13. und 18. Lebensjahr gelebt, bevor er zur Marine ging. In ihm gab es später auch mal die Gaststätte Paulaner. Das Haus gibt es nicht mehr. Es wurde vor ein paar Jahren abgerissen und leider nicht restauriert.
Die Wohnstraße hat nicht nur einen ungewöhnlichen Namen, sie hat auch eine einzigartige und prägnante Geschichte. Sie ist weitgehend unbekannt trotzdem ein sehr wichtiger Zeitzeuge für die Stadt Kassel und für Bettenhausen! Besuchen sie uns.
Autor: Philippe Delage Wohnstraße 7, Kassel, 2019
Anmerkung der Redaktion:
Die Brücke als Verbindungsgrundstückes zur Ochshäuser Straße, die sich auf dem Gelände und im Eigentum der Unternehmenspark Kassel GmbH (UPK) befindet, ist seit der ersten Januarwoche 2024 wieder nutzbar. Sieben Jahre haben sich eine Bürgerinitiative „Wohnstraße“ und später der Verein Dupont für diesen kurzen Fußweg zum Ortskern von Bettenhausen eingesetzt. Die Bewohner des Quartiers mussten jahrelang erhebliche Umwege mit dem Auto in Kauf nehmen.
Den HNA-Artikel vom 13.01.2024 dazu können sie im Anhang herunterladen.
Editor: Erhard Schaeffer, November 2019, Januar 2024
Quellen:
- Falk Urlen, Kassel
- Frank Obrat, Kassel
- Rudi Mach, Berlin
- Fotos Archiv Stadtteilzentrum Agathof e. V.
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Kurzbeschreibung
Die Wohnstraßenbebauung stellt als die von Militärbaurat Karl Dupont 1915 entworfene Gesamtanlage noch heute ein für die Gründerzeit architekturgeschichtliches typisches, interessantes und recht anschauliches Ensemble dar. Neben dem Haupt- und Verwaltungsgebäude der ehemaligen Munitionsfabrik existieren heute noch einige dazugehörigen Werksgebäude und die eigene Straße mit Wohnhäusern, damals für höhere Angestellte bestimmt. Alle Gebäude sind in einem gleichartigen Stil errichtet. Als funktionale Abrundung der Gesamtanlage gab es ein Pförtnerhaus und die ehemalige Fahrbereitschaft.
Der Autor Phillippe Delage beschreibt in diesem Beitrag als Bewohner der Wohnstraße die Entwicklung der Straße, deren Bebauung unter Denkmalschutz steht, im Industriegebiet des Kasseler Osten.
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