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Ein Blick in die Bettenhäuser Straße
- Autor: Geschichtskreis "Bettenhausen früher und heute"
- Zeit: 1935
- Ort: Bettenhäuser Straße
- Vom: 29.01.2012
- Themen: Stadtentwicklung, Kommunale und staatliche Einrichtungen
Die Straßen der heutigen Unterneustadt gründen auf den historischen Resten vergangener Jahrhunderte. Mit einem Blick in die Bettenhäuser Straße der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts wird der Versuch unternommen die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Unterneustadt wieder in Erinnerung zu rufen.
Über die Fulda führte ab 1336 eine Holzbrücke, ab 1512 eine steinerne Brücke mit drei Pfeilern. Auf den Brückenpfeilern stand jeweils ein Haus, am Unterneustädter Brückenpfeiler stand eine Kapelle, die dem Heiligen Nikolaus geweiht war. Außer der Nikolauskapelle befanden sich auf der alten Holzbrücke (1506) sowie später auch auf der Steinbrücke (1520) eine zweite Kapelle. An den Brückenenden standen sogenannte Torhäuser, in der sich am Altstädter Ufer die Unterneustädter Schule befand. Über die Brücke floss in hölzernen Rohren das sog. Eichwasser. Bereits 1521 stürzte der mittlere Pfeiler mit Kapelle ein, diese musste die Stadt aber wieder aufbauen. 1788 hatte diese Brücke ausgedient. Weil sie für das erhöhte Verkehrsaufkommen nicht mehr ausreichte, wurde bis 1794 die Wilhelmsbrücke flussabwärts neu errichtet. Auf der Unterneustädter Seite blieb das Brückenhäuschen stehen. Die einstige Brückenstraße wurde zuerst in Leipziger Straße und danach in Bettenhäuser Straße umbenannt.
Das Bild oben links aus 1935 zeigt das Brückenhäuschen von der Wasserseite aus, es ist das Haus Nummer 1 der Bettenhäuser Straße. Die Ansichtskarte von 1930 unten zeigt den Anfang der Bettenhäuser Straße. Der zugemauerte Brückenübergang ist als Mauer zur Fulda am Bildende zu erkennen. Bild rechts: Das vorspringende Haus, die Nummer 3, wurde mit Haus Nummer 1 zusammen errichtet. Im Häuserverzeichnis von 1605 wurden sie so bezeichnet: „der Stadt Caßell klein Heußlein vf d fuldenbrucken" und „der stadt Caßell mietheußlein".
Die Eigentümer von Haus Nummer 1 waren in der Folge: 1606 Jakob Regenhart, 1766 und 1769 die Stadt Cassel, 1843 die Witwe Marquart und um 1900 der Schlosser Ludwig Berninger. Die Unterneustadt wurde alle Jahre wieder vom Hochwasser der Fulda mehr oder weniger überflutet und so war am Haus eine Wasserstandsmarke angebracht ( WASSERFLUTH AM 18 ten JANUAR 1841).
Die Mauern von Haus Nummer 3, sie waren wahrscheinlich die Reste der Nikolauskapelle, wurden 1704 zum größten Teil wegen Baufälligkeit abgebrochen. 1605 wurde es als „ein Steinern hauß die Capellen der Stadt Cassel zustendig darin sie miedtleut haben mußen burgliche gerechtigkeit thun" bezeichnet. (Häuserverzeichnis Stadtarchiv E 16 und K 36)
Nach dem Abbruch baute der Kammmacher Chr. Ritsch das Haus im Stile eines Bürgerhauses wieder auf. 1766 steht Martin Falckeisen als Eigentümer im Häuserverzeichnis, 1810 Heinrich Wagner. Das Erdgeschoss und der erste Stock waren gemauert, der dritte und vierte Stock bestanden aus Fachwerk, das 1930 z.T. verputzt war. Wie fast überall an den Unterneustädter Häusern waren auch hier eine Wasserstandsmarke angebracht. Diese hat die Form einer Hand mit der Inschrift (WASSERFLUTH ANNO 1643 5. v. 6. JAN).
Die alte Karte zeigt die Unterneustadt etwa 1766 nach Abriss der Befestigungsanlagen. Auf ihr hat man einen Überblick über die Führung der Straßen und ihre Namen. Die Brückenstraße (die spätere Bettenhäuser Straße) führte vom Stadttor direkt auf die Alte Fuldabrücke.
In die Bettenhäuser Straße mündet heute wie in den 30er Jahren von links, auf den Bildern schlecht zu erkennen, die Christophstraße (früher Im Ziegenstall) ein. Auf dem Ansichtskartenfoto sieht man vorn rechts die Mühlengasse auf die Bettenhäuser Straße einmünden. Die Waisenhausstraße hieß früher Schindergasse und davor Lange Schenkelgasse. Das Reformierte Waisenhaus befand sich allerdings am Ende der Bettenhäuser Straße neben dem Stadtor.
Eigentümer vom Haus Nummer 2, das gegenüber vom Haus Nummer 1 stand, war 1605 Superintendent Christian Friedrich Marquart. Das Haus wurde 1830 abgebrochen aber kurz danach wieder aufgebaut. Danach zog das Rentenamt ein, Eigentümer war der Staat.
Vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wohnten in den Häusern laut Adressbuch von 1938 folgende Familien oder Personen:
Bettenhäuser Straße 1: Haus der Stadt Kassel ohne Bewohner
Bettenhäuser Straße 2: Hauseigentümerin Witwe Luise Nette
- Karl Orth, Kraftwagenführer (EG)
- Hogo Strickroth, Rentner (EG)
- Martha Wickmann, Stenotypistin (EG)
- Christa Probst, Witwe (1.OG)
- Thilo Steuber, Schlosser (1.OG)
- C.H. Hampe, Privatmann (2.OG)
- Karl Weißener, Kaufmann (2.OG)
Bettenhäuser Straße 3: Klempnerei Anselm & Vogt (Erdgeschoss)
- Heinrich Vogt, Klempnermeister (1.OG)
- Eduard Anselm, Klempnermeister (2.OG)
- Ludwig Gundlach, Landwirt (3.OG)
- Karl Vogt, Rentner (3.OG)
Im Rahmen der Planungen für die Wiederbebauung der Unterneustadt wurde Mitte der neunziger Jahre die alte Bettenhäuser Straße an verschiedenen Abschnitten freigelegt. Das Bild aus 1993 zeigt genau die Linienführung zur Brücke und ist in der Blickrichtung identisch mit der Aufnahme aus 2010. Die alte Mauer am Ufer, jetzt Elisabeth Selbert Promenade, ist identisch mit der Mauer der beiden alten Fotos. Das weiße Gebäude, rechts im Bild befindet sich an dem Standort des alten Brückenhauses in der Bettenhäuser Straße Nummer 1. Im Hintergrund erkennt man wie damals die Türme der Martinskirche.
Textbeitrag: Gerhard Böttcher
Editor: Erhard Schaeffer, Januar 2012
Quellen:
- Bau-und Kunstdenkmäler im Reg. Bezirk Cassel Dr. ing. A. Holtmeyer
- Die Bewohner der Unterneustadt im Jahre 1707 von August Woringer
- Dr. Schwarzkopf Vortrag im Bürgerverein Ostend "Die Geschichte der Unterneustadt"
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Kurzbeschreibung
Die Straßen der heutigen Unterneustadt gründen auf den historischen Resten vergangener Jahrhunderte. Mit einem Blick in die Bettenhäuser Straße der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts wird der Versuch unternommen die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Unterneustadt wieder in Erinnerung zu rufen.
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