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Silberne Zigarre und Schwalbe landen in Waldau

Gerhard Fieseler mit Flugzeug Schwalbe steht vor dem Luftschiff Graff Zeppelin 1930

Gerhard Fieseler mit Flugzeug Schwalbe steht vor dem Luftschiff Graff Zeppelin 1930
Foto: HNA, Blick zurück auf das alte Kassel

Das Zusammentreffen von Ernst August Lehmann und Gerhard Fieseler, zweier Persönlichkeiten der Luftfahrt in Deutschland, auf dem Flugplatz Waldau findet 1930 statt. Wolfgang Harmsdorff beschreibt dieses Ereignis in seinem Blick zurück auf das alte Kassel. Er gibt hiermit einen historischen Einblick in die Geschichte der Fliegerei dieser Zeit und ein besonderes Ereignisse auf dem ehemaligen Flugplatz.

Kohlezeichnung von Ernst August Lehmann 1928
Ernst August Lehmann 1928  Foto: commons.wikimedia.org

Lehmann, Ernst August

Luftschiff-Kapitän, 12.03.1886 Ludwigshafen/Rhein (evangelisch), 7.05.1937 Lakehurst bei New York. L. wurde nach dem Abitur 1904 Marinebau-Eleve auf der Kaiserl. Werft in Kiel. 1909 wurde er auf dem Seekadettensegelschiff „Stosch“ für 9 Monate angemustert. Nach einem „Seeunfall“ entschloß er sich, Schiffbau-Ingenieur zu werden, studierte 1906-12 an der Berlin Schiff- und Schiffsmaschinenbau (1912 Dipl.-Ing.) und ging danach als Marinebauführer erneut auf die Kaiserl. Werft in Kiel. Über den dortigen Akadem. Seglerverein erreichte ihn eine Anfrage Hugo Eckeners, der für das damals in Bau befindliche Luftschiff „Sachsen“ der Luftschifffahrtsgesellschaft (DELAG) in Friedrichshafen am Bodensee, einen Luftschiffführer suchte, L. fing im Frühjahr 1913 unter Luftschifsfkapitän Dr. Hugo Eckeners Leitung an, diesen „Beruf“ zu erlernen, und erhielt schon im Herbst das Kommando über die „Sachsen“.
Im Winter 1913/14 bildete er mit Eckener die ersten Offiziere und Mannschaften der damals neu aufgestellten Marine-Luftschiff-Abteilung aus. Mit Beginn des 1. Weltkrieges wurde die „Sachsen“ mit weiteren Luftschiffen von der Obersten Heeresverwaltung übernommen; bis zum Kriegsende gab es 88 „Kampfzeppeline“ mit z. T. beträchtlichen Flugleistungen (3500 m Gipfelhöhe, 16 000 km Radius). Als Oberleutnant zur See d. Res. unternahm L. mit der „Sachsen“ und anderen Luftschiffen 1914-18 Aufklärungs- und Angriffsfahrten über Ost- und Westeuropa. In der Luftkriegführung begann damals das „Legen von Bombenteppichen“, vor allem bei Luftschiffangriffen auf England.

Fieseler, Gerhard

Ein anderer Pionier der Deutschen Luftfahrt war Gerhard Fieseler (*15.4.1896, +01.9.1987). Der gebürtige Rheinländer Fieseler war ein berühmter Kunstflieger und Flugzeugkonstrukteur sowie Gründer und Inhaber der Fieseler Werke in Kassel.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 sah sich der Achtzehnjährige seinem Traum, Flieger zu werden, ein Stück näher. Er meldete sich als Freiwilliger bei den Fliegerabteilungen in Berlin-Johannisthal und auf dem Butzweiler Hof in Köln, wurde jedoch zunächst abgelehnt. Als er es erneut versuchte, schaffte es der junge Fieseler, nach der infanteristischen Ausbildung in den militärischen Flugdienst aufgenommen zu werden. Zu Beginn des Jahres 1915 startete er seine Ausbildung bei der Militärflugschule, die er erfolgreich absolvierte.

Gerhard Fieseler steht vor seinem Flugzeug Typ Schwalbe auf einem Flugfeld
Gerhard Fieseler steht vor seinem Flugzeug Typ Schwalbe, ca. 1930   Foto: Zürich - ETH-Bibliothek Bildarchiv

Tag der Landung

Ein besonderes Zusammentreffen dieser beiden Persönlichkeiten gab es am 30.September 1930 an dem auf dem Flugplatz Kassel Waldau eine Flugschau stattfand. Hierzu erwartet wurde auch das Luftschiff DLZ 127 „Graf Zeppelin“.

Schon sehr früh waren die Kasseler nach Waldau geeilt um dieses Schauspiel erleben zu können. Schon vor der Landung konnten sie die Flugkünste von Gerhard Fieseler bestaunen. Der Kunstflugmeister vollzog mit seiner Schwalbe halsbrecherische Flugfiguren um den Leib der silbergrauen Zigarre. Aus heutiger Sicht ein zu hohes Risiko das von der Flugaufsicht nicht genehmigt würde, denn die damaligen Luftschiffe waren noch mit dem explosiven Wasserstoff gefüllt. Eine Kollision der Flieger hätte zur unvermeidlichen Katastrophe geführt.

Das Luftschiff und und die Schwalbe landeten unversehrt auf dem Platz. Das Foto oben zeigt Fieseler und seine Schwalbe vor dem Luftschiff „Graff Zeppelin“, das 1928 gebaut wurde und über 235m lang war. Die Passagiere aus Friedrichshafen mussten über eine Leiter aus der Gondel klettern. Unter ihnen befand sich auch der bekannte Kapitän Ernst Lehmann. Bürgermeister Lahmeyer begrüßte als Repräsentant der Provinzhauptstadt von Kurhessen ihn und seinen Kollegen den Flugkapitän Hans Flemming. Es folgte der Eintrag in das Goldene Buch der Stadt.

Graf Zeppelin in Waldau 1930
Zeppelin bei Landung in Kassel-Waldau, September 1930  Foto: @ Stadtmuseum Kassel

Dann hatten 36 glückliche Bürger der Stadt die Möglichkeit an einem einmaligen Rundflug nach Hamburg und zurück teilzunehmen. Der Journalist Fritz Metz schreibt danach in einem Artikel über das Ereignis: „Man sitzt im Zeppelin so sicher wie zu Hause am Kaffeetisch“.

Am Nachmittag kam der Abschied von der silbernen Zigarre. Mit ihrem Start stieg auch Gerhard Fieseler und eine Mongolfiere (Heißluftballon) in den Himmel über Kassel auf. Dies war eine Demonstration für die Entwicklung der Fliegerei von den Anfängen in 1783 bis zu diesem Jahr 1930. Der Höhepunkt der Entwicklung der Deutschen Luftschifferei war aber damals schon überschritten. Sie endete mit einer Katastrophe am 06. Mai 1937 in Lakehurst.

Mit dem besonders erfolgreichen Luftschiff „Graf Zeppelin“ wurden unter Lehmanns Leitung zwischen Sept. 1928 und Dez. 1935 genau 272 von insgesamt 505 Fahrten durchgeführt, viele davon über den Südatlantik. Am 6. Mai 1937 verbrannte das deutsche Zeppelin-Luftschiff LZ 129 „Hindenburg“ kurz vor seiner Landung auf dem amerikanischen. Luftschiffhafen Lakehurst aus bislang noch immer ungeklärter Ursache. Lehmann, der sich als Beobachter für die Durchführung des neuen Fahrplans und als Repräsentant der Deutschen Zeppelin-Reederei an Bord befand, gehörte zu den zahlreichen Opfern.

Editor: Erhard Schaeffer, Juli 2024

Quellen:

Kurzbeschreibung

Hintergrund:

Nach Kriegsende trat Lehmann 1918 als Prokurist in die Konstruktionsabteilung der von Eckener geleiteten „Luftschiffbau Zeppelin “ in Friedrichshafen ein. Gemeinsam mit Eckener und Hans Flemming entwickelte er Pläne für den künftigen Nordatlantik-Luftverkehr mit Luftschiffen. Auch andere internationale Luftschifffahrt-Projekte, z. B. in Spanien und Schweden, wurden von ihm beraten und gefördert. – Nach der Gründung der „Goodyear Zeppelin Corporation“ 1923 in Akron (Ohio, USA) wurde er dort zum „Vice President in Charge of Engineering“ ernannt. Im Okt. 1923 war er neben Eckener 2. Kommandant des an die USA abzuliefernden Reparationsluftschiffes LZ 126 (in den USA „ZR III Los Angeles“). L. hielt sich bis 1927 wiederholt in den USA auf und wurde nach seiner Rückkehr nach Friedrichshafen erneut Prokurist sowie Assistent bei Eckener in dessen Luftschiffbau Zeppelin . Er besaß in mehr als 1000 Fahrten erworbene praktische Erfahrungen und hatte ein enormes theoretisches Wissen. In der Geschichte der Luftschifffahrt nimmt L. neben Eckener einen hervorragenden Platz ein.

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