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Fahrradtour zur Nordsee mit Unterbrechung

Zwei Jungen mit Fahrrad auf der Straße im Hintergrund das Schulgebäude

Start in der Eichwaldstraße vor dem Schulgebäude
Foto: Erhard Schaeffer, Kassel

In meiner Jugend war es das Größte ein eigenes Fahrrad zu besitzen. Man hatte entweder ein gemeinsames Rad, das man mit einem Geschwister nutzte, oder ein aus verschiedenen Einzelteilen zusammengeschraubtes altes Rad, oft von der Rahmenhöhe nicht ganz passend. Ein nagelneues Fahrrad sein Eigen zu nennen war schon eine Besonderheit. Als ich 1963 ein neues Rad kaufen konnte, wuchsen auch die Pläne für eine Radtour. Von dieser Radtour zur Nordsee berichte ich hier.

Den Glücksfall des Kaufes eines neuen Rades hatte ich nach meiner Konfirmation, als ich mit gespartem Taschengeld und den Geldgeschenken zum Anlass der Feier mein erstes Rad Marke Göricke, einer der bedeutendsten deutschen Fahrradhersteller, mir kaufen konnte. Ein Onkel half mir bei der Auswahl und durch seine Beziehungen konnte ich noch etwas Geld sparen. Wir gingen zur Firma Neddermann, dem Zweiradexperten in Kassel, der damals sein Geschäft noch in der Erzberger Straße betrieb.

Ein Traum war das Göricke Fahrrad mit schwarzweiß abgesetztem Rahmen, Aluschutzblechen und Torpedo-Dreigang. Etwas besonderes war die Drehgriffschaltung, die im Lenkergriff integriert war. Zur Standardausstattung gehörte eigentlich ein kleiner Klickhebel am Lenker. Ich war stolz auf das neue Teil. Mit dem Besitz des neuen Rades wuchsen auch die Pläne für eine Radtour.

Mein Vater war gebürtiger Hamburger, so besuchten wir in den Ferien oft die Verwandtschaft im Norden. Zusammen mit einem etwas älteren Freud planten ich die Tour an der Weser entlang, zum Steinhuder Meer, weiter nach Hamburg und vielleicht bis an die See. In drei bis vier Tagen sollten diese 350 Kilometer zu schaffen sein. Übernachten konnte man unterwegs in Jugendherbergen und am Ziel bei der Tante in der Großstadt.

Zwei Jungen stehen auf einem Parkplatz neben dem Rad
Pause am Parkplatz neben der Bundesstraße  Foto: Erhard Schaeffer, Kassel

Zur Vorbereitung gehörten der Kauf von Packtaschen für den Gepäckträger, die Ausstattung mit Straßenkarten, Flickzeug für eine mögliche Reifenpanne, obligatorisch karierte Baumwoll-Schlafsäcke für die Betten der Jugendherbergen und das Sparen von Taschengeld. Mit einem Fotoapparat wollten wir das Erlebnis festhalten, wir fieberten dem Abenteuer entgegen. Als die Sommerferien kamen war es dann soweit, die Tour konnte beginnen.

Zwei Radfahrer machen Rast auf einer Treppe
Rast auf einer Treppe in Karlshafen  Foto: Erhard Schaeffer, Kassel

Die besorgten Eltern gaben uns so manche gut gemeinten Ratschläge und Anweisungen mit auf den Weg. Wir starteten an einem Montag vor den Toren unserer Schule in der Eichwaldstraße. Die Fahrt an der Fulda entlang der Straße ging schnell, viel Autoverkehr gab es in den 60er Jahren noch nicht. Separate Fahrradwege waren eher die Ausnahme.

Am Weserstein in Hann. Münden hatten wir unseren ersten Rastpunkt. Weiter ging es nun an der Weser entlang bis nach Karlshafen. Dort legten wir eine Mittagspause ein. Wir waren jung, ausdauernd und ehrgeizig und kamen so nach etwa 150 Kilometern am späten Nachmittag in Hameln an.

Ansicht der Jugendherberge Hameln
Jugendherberge Hameln  Foto: Ansichtskarte-Postkarte-Hameln

In der Jugendherberge, einem Fachwerkhaus mit Blick auf die Weser in der Nähe der Altstadt von Hameln, bezogen wir ein Mehrbettzimmer mit Stockbetten. Das gemeinsame Abendessen in der Herberge stärkte uns nach der lagen Fahrt. Wie in Jugendherbergen üblich ging es zur Nachtruhe früh auf die Zimmer. Wir hatten keine Lust zum Schlafen und trotz der Anstrengungen der Fahrt noch genügend Energie um uns aus Spaß in den Betten zu raufen.

Es kam wie es kommen sollte, ich stürzte mit dem Schlafsack um die Füße aus dem oberen Bett, schlug auf den harten Boden und brach mir den rechten Arm am Handgelenk. In der Folge wurde ich durch die Herbergseltern ins Stadtkrankenhaus gebracht. Nach Operation mit Vollnarkose wachte ich am nächsten Morgen im Krankenhausbett auf der Kinderstation mit Gipsarm wieder auf. Ich schämte mich auf der Kinderstation gelandet zu sein, wo ich mich doch schon erwachsen fühlte. Die schöne, lang ersehnte große Radtour hatte damit ein jähes Ende gefunden. Ein Jugendtraum war geplatzt. Zusätzlich musste ich meinen Eltern alles erklären und um unseren Rücktransport bitten.

Zwei Jungen stehen vor dem Michel in Hamburg
Michel in Hamburg  Foto: Erhard Schaeffer, Kassel
Junge vor dem Flughafengebäude in Hamburg
Flughafengebäude in Hamburg  Foto: Erhard Schaeffer, Kassel

Ganz zum Schluss gab es dann doch noch ein „Happy End“. Zusammen mit meinen Eltern und dem Freund fuhren wir schließlich in jenen Ferien per Bus und Bahn zu den Verwanden nach Hamburg. Ich konnte dem Freund den Michel, Hamburgs Wahrzeichen, zeigen und wir machten einen Besuch am Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel.

Junge mit Gipsarm in den Wellen auf Sylt
In den Wellen auf Sylt  Foto: Erhard Schaeffer, Kassel

Von Hamburg reisten wir für einen Tag mit dem sog. „Sambazug“ nach Sylt an die Nordsee. Trotz meines Gipsarms konnte ich in den Wellen baden. Ein Gummihandschuh machte es möglich.

Text: Erhard Schaeffer, Juli 2021

Bilder:

  • Privat Archiv
  • www.zvab.com/manuskripte-papierantiquitaeten/Ansichtskarte-Postkarte-Hameln-Niedersachsen-Blick-Jugendherberge

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Kurzbeschreibung

In meiner Jugend war es das Größte ein eigenes Fahrrad zu besitzen. Man hatte entweder ein gemeinsames Rad, das man mit einem Geschwister nutzte, oder ein aus verschiedenen Einzelteilen zusammengeschraubtes altes Rad, oft von der Rahmenhöhe nicht ganz passend. Ein nagelneues Fahrrad sein Eigen zu nennen war schon eine Besonderheit. Als ich 1963 ein neues Rad kaufen konnte, wuchsen auch die Pläne für eine Radtour. Von dieser Radtour zur Nordsee berichte ich hier.

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