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Familien können Kaffee kochen

Eichwaldrestaurant 1940, C. Eberth

Eichwaldrestaurant 1936
Foto: C. Eberth, Stadtarchiv Kassel

Schon 1906, als Bettenhausen eingemeindet wurde, gab es auf der Südseite des Eichwaldes in einem Gebäude der ehemaligen Fasanerie ein Ausflugslokal. In der „Guten Alten Zeit“ war das Eichwaldrestaurant für die Bettenhäuser ein beliebtes Ziel für den sonntäglichen Nachmittagsausflug nach einer anstrengenden Sechstagewoche.

In der Zeit als ein Motorrad oder gar ein Auto für die Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich war, unternahmen die Bettenhäuser Familien im Sommer gern einen Sonntagsspaziergang. Mit der ganzen Familie, also mit Kind und Kegel, oft auch mit Freunden, ging es in ein Ausflugslokal mit Gartenwirtschaft am Rande der Großstadt, wie zum Beispiel das Eichwaldrestaurant. Dort konnten Familien ihren mitgebrachten eigenen Kaffee für eine geringe Abgabe kochen lassen, sofern das Schild „Familien können Kaffee kochen“ plakatiert war.

Gleich nach dem Mittagessen wurden die Kinder sonntagsschick angezogen. Die Mädchen mit duftigen Sommerkleidern und weißen Söckchen, die Jungen mit blauen Matrosenanzügen. Sie wurden auf die Straße zum Spielen geschickt, mit der Ermahnung sich nicht mehr schmutzig zu machen. So konnten die Frauen ohne Störung die Vorbereitungen treffen für den Höhepunkt des Spaziergangs.

Eichwaldrestaurant 1937
AK des Eichwaldrestaurants in 1937  Foto: AK aus Sammlung K-P. Wieddekind, Kassel

Der selbstgebackene Kuchen wurde zurechtgeschnitten. Der Vater durfte sich nützlich machen und den Kaffee mit der Handmühle frisch mahlen. Der Kuchen wurde in einem Schuhkarton, damit ihm nichts passierte, gut verpackt. Der gemahlene Kaffee (Bohnenkaffee, etwas mehr als üblich, mit Muckefuck (Malzkaffee) in der Mischung) kam in eine Tüte. Er wurde genau berechnet nach Anzahl der Personen und Tassen. Es sollte ja ein Genuss werden. Die Milch in eine kleine Flasche gefüllt und zusammen mit ein oder zwei eigenen Tassen sicher in ein Tuch verpackt, kamen zum Gepäck.

Jetzt konnten sich die Eltern in ihren Sonntagsstaat werfen. Mutter in ein Sommerkleid, duftig, großblumig -oft selbst genäht-. Vater zog seine "Maihose" zum dunkelblauen Jackett an und die "Kreissäge" oder eine "Butterblume" (Strohhut) auf als Kopfbedeckung. Dann wurden die Kinder gerufen, um gemeinsam zu starten.

Auf der Eichwaldstraße ging es mit Kinderwagen und einem Bollerwagen, damit nicht alles getragen werden musste, in Richtung Eichwald. Unterhalb des jüdischen Friedhofs, an den Lossewiesen entlang und zum Schluss unter dem Laubdach einer hundertjährigen Eichenallee führte der Weg zum Eichwaldrestaurant. Nach einer knappen Stunde dort angekommen, galt es zuerst auf der großen Terrasse unter der alten Eiche einen Tisch zu finden.

Eichwaldrestaurant Terrasse 1950
Terrasse des Eichwaldrestaurant   Foto: AK aus Sammlung Rolf Lang, Niestetal

Kaffeetrinken im Eichwaldrestaurant

Gesucht wurde ein Platz, der nicht zu sonnig war, aber auch nicht zu viel Schatten hatte. Die Bedienung kam um die Bestellung aufzunehmen: 4 Tassen a 0,20 RM für 6 Personen, (2 Tassen hatte man ja noch im Gepäck) und Kaffee aufgießen in einer Kanne für 12 Tassen.

„Den gemahlenen Kaffee bitte in der Kaffeeküche abgeben.“ Mutter begab sich dorthin. Sie passte genau auf, dass kein Versehen passierte. Man wünschte sich den eigenen Kaffeetüteninhalt in der richtigen Kanne. Bis der aufgegossene Kaffee kam, wurde am Tisch ausgepackt, Kuchen und Milch bereitgestellt. Nur die mitgebrachten Tassen blieben zunächst noch im Gepäck. Die Kinder konnten nicht warten und bekamen schon vorab ein Stück Kuchen. Endlich kam die weiße, dicke Porzellankanne mit dem duftenden Kaffee. Nun wurde vorsichtig und erwartungsvoll der Kaffee eingeschenkt und die erste Tasse kritisch abgeschmeckt. Oft waren Vorstellung und Realität über die Güte des Kaffees nicht im Einklang. Böse Gedanken, ob evtl. in der Küche trotz aller Vorsicht etwas abgezweigt worden war, oder die Erkenntnis, dass auch die eigene Berechnung nicht stimmen könnte, hielten sich die Waage. Jetzt konnten auch die mitgebrachten eigenen Tassen ausgepackt werden, denn die 0,40 RM hatte man schon gespart.

Das Kaffeetrinken mit eigenem Kuchen, im Freien und mit der Nachmittagssonne im Rücken, unter dem Laubdach der alten Eiche wurde von allen sehr genossen.
Zu besonderen Anlässen (z.B. am 1. Mai) gab es schon nachmittags Livemusik und Tanz auf der extra dafür geschaffenen, eingegrenzten Tanzfläche in der Mitte der großen Terrasse.

Die Kinder setzten sich ab in den Wald, um zu spielen. Der sich dabei entwickelte Durst wurde mit einem Glas Quatsch (Himbeersaft mit Wasser) für 0.05 RM gelöscht. Die Eltern unterhielten sich am Tisch, dabei gönnten sich die Väter ein Glas Bier (0,20 RM) und eine Sonntagszigarre für 0,25 RM. Die Mütter hielten sich an den Rest des Kaffees und als Zugabe an ein Gläschen Kirschlikör.

Spätnachmittags war es Zeit aufzubrechen. Alles wurde eingesammelt: Karton, Tassen, Fläschchen und auch die Kinder. Man kam zufrieden, aber auch etwas abgespannt nach dem langen Fußmarsch zu Hause an. Welch herrlichen Sonntagnachmittag hatte man mit der Familie und den Freunden erlebt.

Die Schilderungen der Mitglieder des Geschichtskreis Bettenhausen früher und heute wurden 1998 aufgezeichnet und 2012 für die Präsentation im Internet nachbearbeitet. 

Editor: Bernd Schaeffer, Januar 2012

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Ort: Eichwald

Kurzbeschreibung

Schon 1906, als Bettenhausen eingemeindet wurde, gab es auf der Südseite des Eichwaldes in einem Gebäude der ehemaligen Fasanerie ein Ausflugslokal. In der „Guten Alten Zeit“ war das Eichwaldrestaurant für die Bettenhäuser ein beliebtes Ziel für den sonntäglichen Nachmittagsausflug nach einer anstrengenden Sechstagewoche.

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