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Forstfelder Geschichten aus der "Forstfelder kleinen Zeitung"
- Autor: Falk Urlen
- Zeit: 1976
- Ort: Forstfeld
- Vom: 16.05.2023
- Themen: Stadtteilkultur, Menschen erzählen
Die „Forstfelder kleine Zeitung“ erschien von 1976 bis 2010. Nachdem der Lindenberg dem Stadtteil Forstfeld zugewiesen worden war, wurde der Name entsprechend geändert. In dieser Zeit erschien die Ortsteilzeitung im allgemeinen vier mal jährlich und informierte Forstfelder Bürgerinnen und Bürger mit Nachrichten aus ihrem Stadtteil. Eine Rubrik befasste sich mit lustigen Vorkommnissen in früheren Zeiten, die Leserinnen und Leser der Zeitung berichteten. Einige dieser Geschichten wurden bereits in eigenen Beiträgen in Erinnerungen im Netz beschrieben, die folgenden sind zu kurz für einen eigenen Beitrag, nichtsdestoweniger erzählen sie von früher und entlocken uns doch ein Schmunzeln.
Anekdoten aus der Singerstraße
Ein kleiner Bub, dessen Eltern einen Verkaufsladen betrieben und wenig Zeit für ihn hatten, schloss Freundschaft mit seinem Nachbarn, dem Bäckermeister Correus aus der Singerstraße. Dort saß er öfter auf den Mehlsäcken in der Backstube und schaute zu. Und so geschah es, dass ihn der Bäckermeister folgendes Gedicht lehrte: „Morgens backt der Bäcker Brötchen, abends backt der Bäcker Brot, nachts geht der Bäcker bei die Mädchen, morgens ist der Bäcker tot!“
Wir hatten ein gutes nachbarschaftliches Umfeld. Es gab so gut wie keine Gartenzäune und wir saßen öfter gemütlich beisammen, auch zum Kaffeetrinken. Eine Nachbarin gefiel durch ihre unterhaltsame, humorvolle Art, doch sie war so unpraktisch und bequem. Eines Tages zwang man sie doch zum Kaffeekochen. Sie brachte den Kaffee, der aber ungenießbar war! Nach eingehender Befragung gestand sie, dass sie noch heißes Kochwurst-Wasser hatte und damit den Kaffee aufgebrüht hat.
Wir Kinder hatten großen Respekt und Angst vor den in der Nähe wohnenden Polizisten, die zu Fuß und mit Schäferhund auf Streife gingen. Über den Wahlebach durfte nicht mit dem Fahrrad gefahren werden und nur die untere Radestraße war als Spielstraße ausgewiesen worden; doch wir wohnten in der Singerstraße und spielten mit Ball und Murmeln (wir sagten Wackeln) gern vor der Tür, dabei stand dann immer einer von uns an der Ecke "Schmiere", um nicht von der Polizei erwischt zu werden.
Der Wahlebach war für uns Kinder Sommer wie Winter ein interessanter Spielort. So gern sahen das unsere Eltern nicht und hatten es im Winter verboten, auf die zugefrorenen Flächen zu gehen. Für uns war es so verlockend, das Eis oder unser Sprungvermögen auf die andere Uferseite zu testen. Natürlich gab es immer wieder mal nasse Schuhe, Strümpfe und auch Hosen. Aus Angst vor Strafe krochen wir in ein größeres Hühnerhaus zwischen die Hühner, um uns zu trocknen. Diese Idee war nicht so gut!
Renate Winkler-Gabriel
„Flugunfähiger Papagei" entfliegt
Es muss so Ende der 1970er Jahre gewesen sein. Ich war damals 11 oder 12 Jahre alt und hatte einen "Mohrenkopfpapagei" bekommen. Der konnte eigentlich nicht fliegen. Und deshalb hatten wir ihn mit auf den Balkon in der Heinrich-Steul-Straße genommen. Gegenüber von unserem Balkon waren große Bäume neben den Gleisen der Söhrebahn. Mein Papagei "Hugo" spazierte auf dem Sonnenschirm herum, und ehe ich mich versah, flog er in die gegenüberliegenden Bäume. Meine Mutter und ich sind schnell hinterher geklettert, doch jedes Mal, wenn wir in greifbarer Nähe waren, flog er auf den Nachbarbaum. Spielende Kinder haben das beobachtet und uns dann beim Einfangen geholfen; ohne deren Hilfe hätten wir ihn wohl nicht gekriegt. Meine Mutter holte dann ganz schnell 5 Mark, damit die Kinder sich ein Eis kaufen konnten. Hugo lebt heute immer noch bei mir.
Petra Fischer
Makabrer Arzt - „Notarzt anno dazumal"
Mitte der sechziger Jahre wurde im Forstbachweg/ Ecke Ochshäuser Straße der damalige co-op- Markt (heute Edeka-Getränkemarkt) gebaut. Bei Planierarbeiten für die Gründung stürzte ein Frontlader auf die Seite. Hierbei wurde der Fahrer unter dem Fahrzeug eingeklemmt. Die herbeigerufene Berufsfeuerwehr hob mithilfe ihres Kranwagens den Frontlader an, um die Person aus ihrer misslichen Lage zu befreien. Da es zu dieser Zeit noch nicht so einen gut organisierten Notarztdienst wie heute gab, holte man einen Arzt aus einer Praxis, der als Notdienst für Forstfeld und Waldau eingeteilt war. Als er an der Einsatzstelle ankam, fragte er mich, ob ich mal einen Groschen (10-Pfennig-Münze) hätte. Ich glaubte, er wolle vielleicht telefonieren, um noch einen Kollegen zur Hilfe zu holen. Er nahm jedoch den Groschen und fuhr dem Patienten hiermit über die Pupillen und stellte so den Tod fest. Es ist unglaublich, aber wahr. Da funktioniert unser heutiger Notarztdienst doch ganz anders. Er braucht heute keinen Groschen, sondern ein großes Fahrzeug, um seine fast eine halbe Tonne schwere Beladung mitführen zu können.
Manfred Ranft
Nachbarschaftshilfe auf dem Lindenberg
Es war an einem Freitag im Sommer 1988. Wir waren mit dem Sanierungsprogramm unseres Siedlungshauses beschäftigt und ich war an diesem Tag nur bedingt einsetzbar, da ich unter Zahnweh litt. Durch Arbeit versuchte ich meinen Schmerz zu vergessen, es wollte aber einfach nichts gelingen, es war furchtbar. Noch bevor ich meinen Gedanken, dann doch endlich den Zahnarzt aufzusuchen, in die Tat umsetzen konnte, kam eine Nachbarin um die Ecke. Sie nahm mir meine Entscheidung ab. Die Familie P. war am Dachdecken und benötigte dringend fleißige Hände zum Zureichen der Ziegel. Auf diese Weise fanden immer so 10 Helfer Beschäftigung. In unserer Siedlung war oberstes Gebot: die Nachbarschaftshilfe. Ich begab mich, zusammen mit meinem Mann, 3 Grundstücke talwärts zu der auf Hilfe wartenden Familie. Einige Freiwillige waren schon versammelt. Ein fröhliches „Hallo" mit den anderen Nachbarn verdrängte für kurze Zeit meinen mich immer noch quälenden Zahn. Der Dachdecker hatte seine Arbeit begonnen und die Ziegel wanderten von Hand zu Hand. An diesem Freitag sollte die gesamte Nordhälfte des Daches eingedeckt werden.
Es gab eine kurze Frühstückspause, bei der ich wegen meines noch immer pochenden Zahnes auf die leckeren Gehacktesbrötchen verzichten musste. Nach getaner Arbeit gab es dann Bier und einen Schnaps. Ich benutzte meinen Schnaps zur Zahnspülung, was zur allgemeinen Erheiterung beitrug. Diese angriffslustige Flüssigkeit betäubte meinen Zahn. Mir ging es besser und ich hatte das Wochenende Ruhe und blieb schmerzfrei.
Von derartigen spontanen Einsätzen der Nachbarschaftshilfe ist auch heute noch etwas übrig geblieben. Maschinen und Förderbänder können einfach den Menschen nicht komplett ersetzen. Man hilft sich einfach gegenseitig. Mittlerweile haben sich in unserer Siedlung die Eigentumsverhältnisse stark verändert.
Ursprüngliche Heimatvertriebene sterben langsam aus, und wenn das Anwesen nicht an die Kinder übergeht, kommt es zum Verkauf. Doch bei den neu hinzugekommenen Familien gibt es auch schon einige mit Interesse am Gemeinschaftssinn. Möge dies noch lange so bleiben!
Dagmar Zach
Neue Heimat im Forstfeld
Ins Forstfeld kam ich nach Kriegsende durch Zufall. Damals hieß es noch Fieseler Siedlung. 10 Jahre alt war ich und wohnte mit meiner Mutter und einigen Verwandten in Binsförth bei Melsungen, wo wir nach der Bombardierung eine Bleibe gefunden hatten. Als der Krieg beendet war, zog es uns in unser geliebtes Kassel zurück.
Zu Fuß auf der Autobahn machten wir uns auf den Heimweg, meine Mutter, meine Tante, die Oma und im Kinderwagen mein kleiner Cousin, welcher noch kein Jahr alt war. Ich erinnere mich an den Körler Berg. Jedoch hatten wir hier Glück. Ein Bauer mit einem Traktor nahm uns auf seinem Anhänger den Berg mit hinauf. Der Handwagen, mit welchem wir unsere wenigen Habseligkeiten beförderten, wurde hinten angehängt. Gegen Abend kamen wir in Kassel an. Irgendwie hatten meine Mutter und meine Tante eine Unterkunft für uns gefunden. Und wo? In der Radestraße. Meine Mutter und mein inzwischen aus französischer Gefangenschaft heimgekehrter Stiefvater bekamen dann in 1949 eine Wohnung. Ich muss sagen nach den jahrelangen beengten Wohnverhältnissen kam ich mir vor wie im Paradies. Ich hatte auf ein Mal zusammen mit meinem inzwischen geborenem kleinen Bruder ein eigenes Zimmer.
Sehr gern habe ich dort gewohnt. Es herrschte große Not in der Bevölkerung. Aber die Not war ein starkes Band zwischen den Menschen. Einer half dem anderen. Wie oft saßen wir mit den Nachbarn zusammen, es wurde gesungen, man erlebte trotz allem viel Freude. All das ist ja heute nicht mehr in. Ich denke trotz der vielen Entbehrungen gern an die Zeit zurück.
Später, als junge Frau, zog ich mit meinem Ehemann nach Bettenhausen. Zu meiner großen Freude bekamen wir dann 1957 in der Radestraße eine kleine Dachwohnung. Endlich eine Wohnung!!! Später im Jahre 1963 wurde uns durch Vermittlung der AEG, dort waren wir beschäftigt, eine Wohnung am Lindenberg angeboten. Dort wohne ich nun seit 44 Jahren und dort fühle ich mich wohl.
An die Kinderzeit denke ich oft noch zurück - an die Freundlichkeit und die Nachbarschaftshilfe, die damals für alle eine Selbstverständlichkeit war.
Helga Heinze (2007)
Oberbürgermeister Eichel hilft Hortkindern
Es war Mitte der 70er Jahre und ich war gerade neu zur Elternbeiratsvorsitzenden der Kindertagesstätte Lindenberg gewählt worden. Eines Tages sprach mich die Leiterin an: „Ich darf die Kinder nicht mehr auf dem Gelände mit Bällen spielen lassen, wenn ein Ball über den Zaun fliegt und es passiert ein Unfall, muss ich persönlich haften." Das war natürlich besonders für die Hortkinder schlimm, die nach stundenlangem Sitzen in der Schule körperliche Bewegung haben wollten. Das gleiche Problem gab es in der Kita im Struthbachweg in der Nordstadt. Unsere gemeinsamen Eingaben beim Jugendamt hatten keinen Erfolg. Wir gaben aber keine Ruhe, wandten uns an den neuen, jungen Oberbürgermeister Hans Eichel, der dann bei einer Ortsbesichtigung eine für uns positive Entscheidung traf: Das Gartenamt musste die Bäume aus dem oberen Bereich an den Zaun am Faustmühlenweg verpflanzen und die Kinder konnten nun auf der neuen Freifläche im oberen Bereich endlich wieder Ballspielen.
Hannelore Diederich
Redaktion: Falk Urlen (2023)
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Kurzbeschreibung
Die „Forstfelder kleine Zeitung“ erschien von 1976 bis 2010. Nachdem der Lindenberg dem Stadtteil Forstfeld zugewiesen worden war, wurde der Name entsprechend geändert. In dieser Zeit erschien die Ortsteilzeitung im allgemeinen vier mal jährlich und informierte Forstfelder Bürgerinnen und Bürger mit Nachrichten aus ihrem Stadtteil. Eine Rubrik befasste sich mit lustigen Vorkommnissen in früheren Zeiten, die Leserinnen und Leser der Zeitung berichteten. Einige dieser Geschichten wurden bereits in eigenen Beiträgen in Erinnerungen im Netz beschrieben, die folgenden sind zu kurz für einen eigenen Beitrag, nichtsdestoweniger erzählen sie von früher und entlocken uns doch ein Schmunzeln.
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