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Gedanken auf dem Heimweg von der Muni

Stich Munitionsfabrik

Foto: Geschichtwerkstatt Forstfeld

Gedanken einer Arbeiterin nach Schichtende bei der Munitionsfabrik im Kasseler Forst mit geschichtlicher Hintergrundinformation.

„[...] dann geht's mit höchster Eile in die Umkleideräume und endlich - ins Freie. Aus all den vielen Einzelhallen ergießen sich Ströme müder grauer Menschen. Der Hauptstrom wird breiter. Langsam windet er sich durch das Tor der Kontrollstelle. Lärm, Staub, verbrauchte Luft, Müdigkeit bleibt zurück, wie wir so zu Tausenden die lange Straße entlang ziehen, die uns zur Stadt führt. Winterlich kahle Acker, entlaubte Bäume, eine häßliche Gasfabrik, Schienenstränge der Eisenbahn - alles entsetzlich nüchtern, und doch stellt sich täglich wieder das gleiche Glücksgefühl ein: die nächsten vierzehn Stunden gehören mir. Ich schaue auf die Gesichter um mich herum. Auch sie hellen sich auf, trotzdem ihr Ziel die unerfreulichen Quartiere der Unterstadt, ... vielleicht ein paar Stunden Schlaf, wahrscheinlich aber neue Arbeit daheim ist. [...] Ein Glück, daß die Munitionsfabrik so weit außerhalb der Stadt liegt. Der lange Marsch in den grauen Morgen hinein ist unsere tägliche Rettung. Die elektrischen Bahnen klingeln halbleer neben uns her - nur keine neue Eingeschlossenheit in dumpfen Kästen.“ (KASSELER TAGEBLATT(1929): Als ich in der Muni arbeitete. Eine Erinnerung von Margarethe Wagner, Kassel, in: Unterhaltung und Wissen: Der "Plauderstube" 43. Jg., Sonntagsbeilage zum Kasseler Tageblatt, Nr. 44/5.11.1929, S. 1-2, nach der Magisterarbeit von Jörg Rudolf, April 2002))

Mittagsmahlzeit 1918
Foto: Sammler Karl Wills

HINTERGRUND:

1906 hatte die Stadt Kassel das gesamte Gelände des Forstes vom Militärfiskus freigekauft. Stadt und Bewohner der näheren Umgebung waren nun endlich frei von Belästigungen durch Schießübungen. Man plante zwar die Besiedelung und Nutzbarmachung für Industrieunternehmen, aber der Erste Weltkrieg brachte erneut Militärisches: den Bau der „Königlichen Munitionsfabrik“ mit einigen Wohnblöcken für die Beschäftigten. 1915 wurde ein Teil des Forstes wieder an die Militärverwaltung verkauft. Der Architekt Karl Dupont erhielt den Auftrag, auf dem Gelände eine Munitionsfabrik zu bauen. In kurzer Zeit entstanden riesige Anlagen, die schon 1915 in Betrieb genommen wurden. (Thomas Wölker, Entstehung und Entwicklung des Deutschen Normenausschusses 1917 bis 1925, Beuth-Verlag). Dieser riesige Betrieb umfasste das heutige Gelände links und rechts der Lilienthalstraße in dem ursprünglich Patronen hergestellt wurden. Im Frühjahr 1917 arbeiten hier bis zu 15000 Menschen in Tag- und Nachtschichten (Kassel.de - Stadtinformation > Stadtgeschichte > Chronik >), zwei Drittel davon waren Frauen. Der Bahnhof Bettenhausen war für die Verkehrsanbindung optimal geeignet. Zu Beginn des Baus wurden in der sog. Wohnstraße, zu sechs Hausgruppen zusammengefasst, elf Mehrfamilienhäuser erbaut wurden, die allerdings den Angestellten der Fabrik vorbehalten waren. Für die Beschäftigten bestand noch ein ungeheurer Wohnbedarf, dazu sollte die Gartenstadt Forstfeld bei Cassel gebaut werden (siehe dort), von der aber nur einige Häuser in der heutigen Steinigkstraße. erstellt wurden.

Die Munitionsfabrik wurde 1918 durch den Vorsitzenden des lokalen Arbeiter- und Soldatenrats, Albert Grzesinski (ehemaliger Stadtverordneter und Gewerkschaftsvorsitzender), geschlossen. „Unter Zahlung eines vierzehntägigen Lohnes wurden die Arbeiter und Arbeiterinnen entlassen und in ihre Heimat abtransportiert. Nur die in Kassel Sesshaften blieben hier zurück. Sie wurden mit den Abwicklungsarbeiten beschäftigt. Die großen Nahrungsmittelbestände der Munitionsfabrik, darunter nicht unbeträchtliche Viehbestände - die auch der Fabrikleitung zugute gekommen waren und eine Quelle ständiger Missstimmung gebildet hatten - wurden der allgemeinen Versorgungswirtschaft zugeführt. In die Räume der Munitionsfabrik wurden die Lagerbestände des Bekleidungsamtes und die Schneiderwerkstätten des Militärs verlegt.“ (A. Grzesinski, Im Kampf um die Deutsche Republik, S. 89; Oldenbourg Wissenschaftsverlag). Danach befand sich auf dem Gelände ein Materialsammellager eines Armeekorps. Nach dem Krieg standen die Fabrikationsanlagen leer. Die Dimensionen und die Lage der Fabrikhallen waren prädestiniert, wieder neue Rüstungsindustrie zu beherbergen.

Am 3. Mai 1935 wurde der Grundstückskaufvertrag zwischen der Industrieanlagen GmbH Berlin und der Spinnfaser AG abgeschlossen. Der Startschuss zum Aufbau des Zellwollwerkes in Kassel war gegeben.

Plan der Munitionsfabrik 1915
Plan der Munitionsfabrik 1915  Foto: @ Hans Pirsch

Redaktion: Waltraud Wenke und Falk Urlen

Quellen:

  • Waltraud Wenke, Kassel
  • Stadtarchiv Kassel, Signatur C22 Erster Weltkrieg

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Kurzbeschreibung

Gedanken einer Schichtarbeiterin auf dem Heimweg von der Munitionsfabrik, die 1915 im Kasseler Forst erbaut wurde; mit Hintergrundinformationen

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