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Hassia Drogerie
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1920
- Ort: Hassia Drogerie
- Vom: 06.01.2009
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Handel und Dienstleistungen
Die beiden Häuser Leipziger Straße 108 und 110 sind 1905 in Erwartung der Eingemeindung zur Stadt Kassel als prachtvolle, mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser errichtet worden. Auf der nach Osten führenden breiten Stadtstraße verkehrte schon ab 21. Mai 1884 die Straßenbahn mit Anbindung in die Kasseler Innenstadt. Der in Sichtweite liegende Bahnhof der Cassel-Waldkappeler-Eisenbahn und ein gut erreichbarer Hafen an der Fulda waren beste Voraussetzungen für eine sichere Investition in Grund und Boden und den Ausbau von Handel und Gewerbe.
Der Wertegang des Bettenhäuser Einzelhandels an der Leipziger Straße ist an der Geschichte der Hassia-Drogerie in der Leipziger Straße 110 exemplarisch ablesbar. Aus kleinteiligem, eigentümergeführtem Einzelhandel und spezialisierten Fachgeschäften wurden Filialen von deutschlandweit tätigen Handelsketten und Niederlassungen von beliebig austauschbaren Dienstleistern. Übrig geblieben ist das Gebäude Leipziger Straße 110 und die Straßenbahn.
Im Jahr 1905 ließ der Mehlhändler Heinrich Riede sen. in Bettenhausen an der Leipziger Strasse ein Haus mit einem Ladengeschoß und 3 Wohngeschossen errichten. Das Gebäude hatte eine großstädtisch gestaltete Vorderfront mit 4 Balkonen und ausgeprägter Verzierung.
Nach der Eingemeindung des Dorfes Bettenhausen zur Stadt Kassel bekam das Haus die amtliche Hausnummer 110, unter der es auch heute noch zu finden ist.
In dem Ladengeschäft im Erdgeschoss links hat der Erbauer, H. Riede, bis zum Ende des 1. Weltkrieges seine Mehlhandlung betrieben.
Im Ladengeschäft rechts eröffnete im Jahr 1906 der Apotheker Otto Knöpfel die Fortuna-Drogerie. Der Apotheker scheint mit seinem Geschäft offensichtlich nicht viel Glück gehabt zu haben, denn schon ab 1912 ist in den Räumen ein Hausschlachter namens Gerling verzeichnet.
Am 1. April 1920 gründete der Drogist Alexander Ebert unter dem Namen „Hassia-Drogerie Alexander Ebert“, Drogenhandlung, im linken Laden der Leipziger Strasse 110 seine vierte und letzte Drogerie. A. Ebert war als Drogist sehr geschäftstüchtig und hatte davor schon drei weitere Drogerien in Kassel und den eingemeindeten Vororten eröffnet. Das rechte Ladenlokal hatte in jener Zeit der Rezession verschiedene andere Mieter. z.B. den Spielwarenhändler Tölke und später die Gebr. Kopschina mit ihrer Trikot-Fabrikation. Erst ab 1925, nachdem die Geschäfte sich wieder besser entwickelt hatten, wurden diese Verkaufs- und Lagerflächen zur Hassia-Drogerie hinzugenommen. Als standesbewusster Drogist hat A. Ebert auch Lehrlinge ausgebildet. Der spätere Ladeninhaber, Karl-Heinz Franke, begann 1929 in der Hassia-Drogerie seine Ausbildung zum Fachdrogist. Nach Ablegung der Gehilfenprüfung wurde er dort angestellt und schon wenig später als 1. Gehilfe geführt.
A. Ebert verkaufte das Geschäft 1929 an den Drogisten Hermann Peterhänsel, der die Drogerie unter der Bezeichnung „Hassia-Drogerie, A. Ebert Nachfolger“ weiterführte. Einen Monat vor Ausbruch des 2. Weltkrieges, am 1. August 1939, erwarb Karl-Heinz Franke von seinem Arbeitgeber H. Peterhänsel die Hassia-Drogerie. Die Drogerie hatte zu dem Zeitpunkt ein aus heutiger Sicht erstaunliches Warensortiment anzubieten. Neben Drogen und Chemikalien gab es Spirituosen aus eigener Abfüllung, Farben und Fußbodenbeläge, Verbandsstoffe und Fotos aus eigener Dunkelkammer. Hinzu kam ein Auslieferungslager der chemischen Fabrik E. Merck, Darmstadt. Besonders erwähnenswert ist die Tatsache, dass in der Hassia-Drogerie in dieser Zeit auch Pkw-Benzin der Marke „DAPOLIN“ aus Fässern getankt werden konnte.
Am 23. August 1939 bekam der Drogist Karl-Heinz Franke seinen Stellungsbefehl zur Ableistung einer Wehrübung von 6 Stunden in einer Sanitätskompanie. Daraus wurde ein Kriegseinsatz von 6 Jahren bis zum Kriegsende in 1945. Während seiner Abwesenheit vom gerade eröffneten eigenen Geschäft haben seine Frau Berta Franke, die Eltern und Schwiegereltern unter schwierigen Bedingungen den Betrieb aufrechterhalten. Erst 1941 wurde, aus dem Saarland kommend, der Drogist Erich Burger als Geschäftsführer eingesetzt. Mit dem Kollegen aus schwerer Zeit pflegte Karl-Heinz Franke später eine lebenslange Freundschaft.
Nach dem 2. Weltkrieg entwickelte sich die Hassia-Drogerie rasch zu einer gut gehenden Fachdrogerie mit einem Warensortiment von über 30 000 Artikeln. Daneben betrieb K-H. Franke eine Verbandsmaterialien-Großhandlung und das Auslieferungslager für die Chemikalien und Reagenzien der Firma E. Merck in Darmstadt. Als die Erbengemeinschaft Riede nach dem Konkurs ihrer Seifenfabrik zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geriet, hat Karl-Heinz Franke im September 1962, zur Sicherung seiner Existenzgrundlage, das Haus Leipziger Strasse 110, in dem sich die Hassia-Drogerie befand, erworben. Auch das Nachbargebäude, Leipziger Str. 112, hat er von der Erbengemeinschaft Riede erstanden.
1977 zog sich K.-H. Franke, sen. aus Altersgründen aus dem aktiven Geschäft zurück, und sein Sohn hat als selbstständiger Drogist den Laden übernommen. Die Geschäfte der Hassia-Drogerie führte ab dieser Zeit sein Sohn Wolfgang Franke. Bei den im Jahre 1978 notwendigen Modernisierungs- und Renovierungsmaßnahmen wurde das Ladenlokal der Hassia-Drogerie in ein zeitgemäßes Selbstbedienungsgeschäft umgewandelt.
1995 ging das Eigentum an den Liegenschaften im Wege einer vorweg genommenen Erbfolge an Herrn Wolfgang Franke über.
Was schon in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts begonnen hatte, setzte sich in der Folgezeit verstärkt fort. Supermärkte und insbesondere Drogerieketten entzogen den althergebrachten Fachdrogerien zunehmend die Existenzgrundlage.
Trotz aller Bemühungen, wie die Hinzunahme einer Foto-Quelle Agentur, und andere Maßnahmen konnte der Umsatzverfall der Hassia-Drogerie nicht aufgehalten werden.So sah sich Herr Wolfgang Franke am 30. Juni 1996 gezwungen, die Hassia-Drogerie nach 76 Betriebsjahren zu schließen.
In die Ladenlokale zogen das Sanitätshaus Zuber und eine Versicherungsagentur der HUK Coburg ein. Auch die Liegenschaften an der Leipziger Strasse 110 fanden nur wenig später einen neuen Eigentümer.
Text und Editor: Bernd Schaeffer, April 2007
Quellen:
- Geschäftschronik der Hassia-Drogerie K.-H. Franke Kassel Bettenhausen, aufgestellt von Herrn Reinhard Franke
- Amtliche Adressbücher der Stadt Kassel von 1905 bis 1997
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Kurzbeschreibung
Die beiden Häuser Leipziger Straße 108 und 110 sind 1905 in Erwartung der Eingemeindung zur Stadt Kassel als prachtvolle, mehrgeschossige Wohn- und Geschäftshäuser errichtet worden. Auf der nach Osten führenden breiten Stadtstraße verkehrte schon ab 21. Mai 1884 die Straßenbahn mit Anbindung in die Kasseler Innenstadt. Der in Sichtweite liegende Bahnhof der Cassel-Waldkappeler-Eisenbahn und ein gut erreichbarer Hafen an der Fulda waren beste Voraussetzungen für eine sichere Investition in Grund und Boden und den Ausbau von Handel und Gewerbe. Der Wertegang des Bettenhäuser Einzelhandels an der Leipziger Straße ist an der Geschichte der Hassia-Drogerie in der Leipziger Straße 110 exemplarisch ablesbar. Aus kleinteiligem, eigentümergeführtem Einzelhandel und spezialisierten Fachgeschäften wurden Filialen von deutschlandweit tätigen Handelsketten und Niederlassungen von beliebig austauschbaren Dienstleistern. Übrig geblieben ist das Gebäude Leipziger Straße 110 und die Straßenbahn.
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