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Hugo Junkers, Luftfahrtpionier und die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke

Foto von Hugo Junkers 1919 vor einer JU 13, Ausstellung in Dessau

Hugo Junkers 1919 vor einer JU 13 , Ausstellung in Dessau
Foto: Erhard Schaeffer, Kassel

Hugo Junkers (1859 bis 1935) zählt zu den spannendsten Unternehmer-Persönlichkeiten Deutschlands. Nach seinem Studium der Ingenieurwissenschaften baute er in Dessau ein Flugzeug- und Motorenwerk auf. Er arbeitete zugleich als Professor an der Universität Aachen. Sein Ziel war es, das Fliegen zu popularisieren und das Flugzeug zu einem alltäglichen Verkehrsmittel für Reisende zu machen. In Deutschland entstand in den Junkerswerken bereits im Jahre 1915 das erste Ganzstahl-Flugzeug, die J 1. Die von ihm entwickelte legendäre „Tante Ju“ (Ju 52) war eine der erfolgreichsten Passagiermaschinen.
In den Dessauer Flugzeugwerken wurden nach der »Machtergreifung« Adolf Hitlers und der Enteignung Junkers viele innovative Entwicklungen für die militärische Flugzeugproduktion des Zweiten Weltkrieges umgesetzt. Zweigwerke für den Flugzeugbau existierten unter anderem in Bernburg, Breslau, Leopoldshall, Aschersleben, Halberstadt, Fritzlar, Schönbeck, Gotha und Prag. Flugzeugmotoren wurden in Köthen, Magdeburg, Königshof und Kassel gefertigt. Im Werk Kassel der Junkers Flugzeug‐ und Motorenwerke wurden unter anderem Zubehörteile für den ersten einsatzfähigen Düsenjäger der Welt, die von Messerschmitt entwickelte Me 262, gefertigt.

Hugo Junkers, Luftfahrtpionier

Der Name Hugo Junkers ist in erster Linie Synonym für Pionierleistungen in der Luftfahrtindustrie. Geboren wurde Hugo Junkers am 03.02.1859 in der rheinischen Industriestadt Rheydt (heute Mönchengladbach) als Sohn des Webereibesitzers Heinrich Junkers und dessen Ehefrau Luise Vierhaus. Hugo war das dritte von sieben Kindern. Von Kindheit an litt er an der Behinderung, das einige seiner Finger der linken Hand zusammengewachsen waren. Dies hindert ihn aber nicht sich später als gewandter Erfinder einen Namen zu machen. An der Höheren Gewerbeschule in Barmen (heute Wuppertal) legte er 1878 das Abitur ab. Nach dem Schulabschluss arbeitete er vorrübergend als Praktikant in der Rheydter Maschinenfabrik Carl Klingelhöfer. 1878 zog Hugo Junkers nach Berlin und nahm das Studium an der Königlichen Gewerbeakademie auf. Seine Fachrichtungen waren Maschinenbau, Physik, Chemie und Geometrie. Zum Sommersemester 1881 wechselte er an die Technische Hochschule in Aachen und legte dort am 25.051883 sein Examen als Regierungsmaschinenbauführer ab. Nach weiterer Fortbildung wechselte er wieder nach Berlin und forschte im Labor von Adolph Slaby an der Entwicklung von Gasmaschinen und -motern. 1889/90 gründete er die Versuchsstation für Gasmotoren von Oechelhäuser und Junkers. Ziel war die Entwicklung von leistungsfähigen Gasmotoren zur Elektrizitätserzeugung.

Zu seinen weiteren Erfindungen und Entwicklungen gehörten das s.g. Kalirometer und neuartige Gasbadeöfen, welche er 1894 zum Patent anmeldete. Mit diesen Produkten gründete die Warmwasser-Apparatefabrik „Junkers & Co“. Obwohl später an die Robert Bosch AG verkauft zieren heute noch Thermen, Heizungen und Wärmepumpen den Namen Junkers.

Streckennetz Junkers Luftverkehr AG 1925
Junkers Luftverkehr Waldau, Streckennetz von Europa  Foto: @Stadtteilzentrum Agathof e.V.

In Aachen betrieb Junkers parallel zu Hochschultätigkeit als Professor ein Maschinen-Laboratorium. Zahlreiche Firmengründungen in Aachen, München und Köln folgten in den Jahren um die Jahrhundertwende.

Bereits am 31.03.1898 heiratete er Therese Bennhold (1837-1917) Aus der Ehe gingen zwölf Kinder hervor. 1912 endete Junkers Tätigkeit an der Hochschule in Achen. Er orientierte sich wieder nach Dessau in Mitteldeutschland.

Die Firma Junkers & Co wurde 1914 auf Kriegsproduktion von Flugzeugen umgestellt. Hier entstand das erste Ganzmetallflugzeug der Welt die „Junkers J 1“. Auf Druck der Reichsregierung kam es zwischen 1917 und 1919 zu einer Kooperation zwischen Hugo Junkers und Hermann Fokker zur „Junker-Fokker AG“, welche der Serienproduktion von Militärflugzeugen diente.

Luftbild der Junkers Werke in Dessau 1926 mit Angabe der vier Teilfabriken
Luftbild der Junkers Werke in Dessau 1926  Foto: LuftbildItem 4 of 4

Bis in die 1920er Jahre war der größte Teil der Erde kaum oder gar nicht vermessen. Vom Flugzeug aus konnten große Gebiete fotografisch erfasst werden. Diese Luftaufnahmen dienten als Grundlage für die Erderforschung, Landvermessung und Kartografie. Wichtige Voraussetzungen waren leistungsfähige Flugzeuge und gute Piloten. 1921 richtete Junkers in seinem Flugzeugwerk die Junkers Luftbildzentrale ein. Viele Luftbilder auch von Kassel (1928/29) haben bis heute einen hohen Informationswert.

Nach Ende des Krieges stellte Junkers die F 13 (J 13) vor – das weltweit erste zivile Flugzeug, das vollständig aus einem besonders leichten, aber widerstandsfähigen Metall hergestellt war. Junkers’ Ziel war es, das Fliegen zu popularisieren und das Flugzeug zu einem alltäglichen Verkehrsmittel für Reisende zu machen. Er erkannte mit Flugzeugbau allein konnte man nicht genug Geld verdienen. Darum baute er eigene Fluglinien auf und wollte Mitte der Zwanzigerjahre Europas Städte mit einem dichten Netz von Fluglinien verbinden. So entstand bis 1925 Junkers Luftverkehr Streckennetz von Europa, das die Metropolen Berlin, Wien, Budapest, Genf, London, Stockholm und Helsingfors miteinander im Linienverkehr verband. In das Netz war damals auch der Flughafen Kassel bei Waldau integriert. Als die Junkerswerke in finanzielle Turbulenzen gerieten, nutzte die deutsche Regierung die Gelegenheit und entriss Junkers Teile davon, ebenso wie die Fluglinien. Sie stellten die Mehrheitsanteile der 1926 neu gegründeten Deutsche Luft Hansa AG und so wurde Hugo Junkers unfreiwillig zum Gründungsvater der deutschen Luftfahrtgesellschaft.

Ju 52 in einer Ausstellung des Junkersmuseum in Dessau
Tante Ju 52 in einer Ausstellung des Junkersmuseum in Dessau  Foto: Erhard Schaeffer, Kassel 2016

Seine Werke konnte er bei diesem Deal retten. Mit neuen Flugzeugtypen, die sein hervorragendes Team entwickelte, schaffte es Junkers, technisch ganz weit vorne zu bleiben. Legendär wurde die 1932 auf den Markt gebrachte Ju 52, die »Tante Ju«, wie der Volksmund sie nannte. Als einmotoriger Transporter konzipiert, entwickelte sich die Ju 52 bald zur dreimotorigen und zu einer ebenso angesehenen wie erfolgreichen Passagiermaschine. Nach der »Machtergreifung« Adolf Hitlers wollte Hugo Junkers von dem geheimen Aufbau einer Luftwaffe profitieren. Vor den Verbrechen der Nationalsozialisten von 1933/34 verschloss er dabei die Augen. Doch die Machthaber enteigneten Junkers und überführten den für sie wichtigen Rüstungskonzern in staatliche Regie. Junkers musste Dessau verlassen und die letzten Jahre seines Lebens unter Beobachtung der Gestapo in München verbringen. Junkers verstarb dort am 03.02.1935 an seine 76. Geburtstag. Er wurde auf dem Münchner Waldfriedhof beigesetzt.

Junkers Flugzeug- und Motorenwerke

Die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke Flugzeugbau AG mit ihrem Hauptwerk in Dessau, waren in der NS-Zeit neben ihren Produktionsstandort in Leipzig auch in vielen weiteren Standorten des Reiches vertreten. Zweigwerke für den Flugzeugbau existierten in Bernburg, Breslau, Leopoldshall, Aschersleben, Halberstadt, Fritzlar, Schönbeck, Gotha und Prag. Flugzeugmotoren wurden in Köthen, Magdeburg, Kassel und Königshof gefertigt.

Flugzeugtriebwerke waren eine weitere Produktionsgruppe der Luftrüstung in Dresden. Die Sachsenwerke in Niedersedlitz und Radeberg lieferten die notwendigen Funkgeräte. Ein weiterer Rüstungsbereich bestand aus Munition, Zündern und Zielgeräten für die Luftwaffe durch die Sachsenwerke und die Zeiss Ikon AG.

Zu den bekanntesten Kampfflugzeugen aus der Entwicklung der Junkerswerke zählte die Junkers Ju 87 Stuka „Sturzkampfflugzeug“. Der mittlere Bomber Junkers Ju 88 war eines der erfolgreichsten Flugzeuge der deutschen Luftwaffe. Er wurde für die Angriffe gegen England mit besonderem Erfolg eingesetzt. Rund 15.000 Stück werden davon im Laufe des Krieges gebaut.

Junkers-Ausbildungsstätten wurden am 15. 6. 38 in Anwesenheit von Reichsorganisationsleiter Dr. Ley, Reichsjugendführer Baldur v. Schirach eingeweiht
Junkers-Ausbildungsstätten Dessau wurden am 15. 6. 38 in Anwesenheit von Reichsorganisationsleiter Dr. Ley, Reichsjugendführer Baldur v. Schirach eingeweiht  Foto: Werkbilder Junkers

Im August 1940  erwarben die Junkers Flugzeug‐ und Motorenwerke AG ein Industriegelände auf dem ehemaligen Forst in Kassel Bettenhausen und errichten ein Zweigwerk zur Herstellung von Zubehörteilen für Flugzeugmotoren (nach dem Krieg das Gelände der AEG). Später wurden komplette Flugzeugmotoren in Serie gefertigt. Ab 1944 wurden im Werk Kassel unter anderem Zubehörteile für den ersten einsatzfähigen Düsenjäger der Welt, die von Messerschmitt entwickelte Me 262, gefertigt. Für die Junkers Motoren-Werk in Kassel kamen die notwendigen Werkzeugmaschinen zur Herstellung und Bearbeitung von Rüstungsgütern aus der Dresdener Maschinenindustrie.

Junkers investierte viel in die Ausbildung von neuen Fachkräften. So wurde die Junkers-Ausbildungsstätten in Dessau am 15. 6. 38 in Anwesenheit von Reichsorganisationsleiter Dr. Ley, Reichsjugendführer Baldur v. Schirach, eingeweiht. Es gab Ausbildungskapazitäten für etwa 1.000 deutsche und russische Jugendliche. Mit der zunehmenden Bombardierung wisch die Ausbildungsabteilung der Junkers-Werke aus Dessau nach Crimmitschau aus, indem dort in mehreren Betrieben Ausbildungswerkstätten eingerichtet wurden. Nach dem Luftangriff auf Kassel am 30. Juli 1943 wurden auch 250 Kasseler Junkerslehrlinge nach Crimmitschau versetzt.

Me 262 das erste in Großserie gebaute Strahlflugzeug der Welt
Me 262 das erste in Großserie gebaute Strahlflugzeug der Welt  Foto: Klassiker der Luftfahrt

Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges und steigenden Produktionszahlen wurden in der deutschen Rüstungswirtschaft, weil sie Arbeiter und Angestellte an die Wehrmacht abgeben mussten, zunehmend Zwangsarbeiter eingesetzt. Der Junkers-Konzern beispielsweise hatte seit 1940 auf die Rekrutierung von Flamen und Niederländern gesetzt.

Bei Junkers in Kassel gab es das Lager 1 und 2 (später Junkerscamp). Das Lager 1 im Forstbachweg 2 angesiedelt, war ausschließlich für "Westarbeiter" vorgesehen. Franzosen, Belgier, Niederländer und Luxemburger waren nachweislich dort untergebracht. Gemeinsam mit dem Junkers-Lager 2 im Forstbachweg 4, gehörte es zu den großen Kasseler Lagern. In 28 Baracken waren zur selben Zeit jeweils ca. 3000 Menschen untergebracht. Das Lager 2 der Junkers Werke war ausschließlich für Ostarbeiter aus der Sowjetunion und Polen eingerichtet worden. Es war von einem 2 m hohen Stacheldrahtzaun umgeben und von der Werkspolizei der Junkers Werke bewacht. Die Arbeiter wurden in geschlossenen Kolonnen zur Arbeit in die Lilienthalstraße geführt.

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Junkers JU 88 mittlerer Bomber erfolgreiches Flugzeuge der deutschen Luftwaffe.  Foto: weltkrieg 2.de/deutsche-luftwaffe

Am 28. Juli 1943 griffen am Tag die Amerikaner mit 100 Flugzeugen Junkers, Fieseler und die  Spinnfaser an. Bei dem Luftangriff am 3. Oktober 1943 wurden die beiden Junkers-Lager erheblich zerstört. Nach Venusberg waren 1943 Betriebsteile der Kasseler Junkers-Werke verlagert worden; sie wurden unter dem Namen Venuswerke AG fortgeführt. Unter anderen sollten dazu Fabrikationsanlagen im Thumer Ortsteil Herold im Erzgebirge angemietet werden, ebenso wie im nahegelegenen Ehrenfriedersdorf, wo zum Beispiel Teile für das Düsentriebwerk der Me 262 hergestellt wurden. In die Herolder Kalkwerke wurden 1944/1945 Produktionsanlagen der naheliegenden Junkers-Werke in Venusberg unterirdisch verlagert (Tarnname Knurrhahn).  Am 19. April 1944 flog die US‐Luftwaffe mit 213 Bombern einen Angriff auf die z. T. wieder instandgesetzten Rüstungswerke Fieseler, Henschel‐Flugmotoren und Junkers in Kassel. Das Junkerswerk wurde dabei stark beschädigt, trotzdem lief die Produktion bis zum Kriegsende weiter.

Luftbild der Bombardierung Junkers 1943
Luftbild der Bombardierung Junkers 1943  Foto: Rolf Nagel bearbeitet Erhard Schaeffer

1950 wird die Produktion des AEG-Hausgerätewerks vom schwäbischen Backnang auf das Gelände der früheren Junkers Flugmotoren-Werke an der Kasseler Lilienthalstraße verlagert. 1952 erfinden Kasseler AEG-Ingenieure das Einbau-Kühlgerät. Bis zur Schließung des Werkes 2002 werden ca. 16 Millionen Kühlschränke in Kassel produziert.

 

Editor: Erhard Schaeffer, April 2024

 

Quellen:

  • Luftfahrt (Chronik und Geschichte) - Zeitschrift Flugsport Heft 13/1938

  • Sächsische Landeszentrale für Politische Bildung, Klaus-Dieter Müller/ Dietmar Wendler unter Mitarbeit von Rainer Ritscher

  • Bibliothek der Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg Winfried Meyer/Klaus Neitmann (Hrsg.)

  • Hugo Junkers: Das Leben ist Kampf. Eine Biografie Hardcover von Armin Fuhrer, 15. November 2023

  • Hugo Junkers Luftfahrtpionier (1859-1935) Christoph Kaltscheuer (Bonn)

  • Kurzporträts Der Ringträger, Reiner Scharf, 2018

  • Flugsport 44 Heft Nr. 21/1940, Bd. 32

  • aviation-history.com/junkers/ju87, aufgerufen 18.04.2024

  • https://technikmuseum-dessau.org/junkers-luftfahrt/#page-content aufgerufen 27.05.2024

  • www.weltkrieg2.de/deutsche-luftwaffe/

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Kurzbeschreibung

Hintergrund:
Die Rüstungsindustrie Kassel 1933 bis 1939

Die Geschichte der Rüstungsindustrie in Kassel begann nicht erst mit der nazistischen Kriegsvorbereitung in den 1930er Jahren. Sie begann schon vor ca. 220 Jahren am Anfang des 19. Jahrhunderts, hatte Ihren ersten Höhepunkt während des Ersten Weltkriegs und erfuhr ihre unvergleichliche Fortsetzung in den 1930er und 1940er Jahren.

Sichtbarster Ausdruck dieser außergewöhnlichen Wirtschaftsaktivtäten waren die Entwicklung der Erwerbstätigkeit, die sich um fast 30% steigerte und die damit einher- und weitgehende Beseitigung der Arbeitslosigkeit zwischen 1933 und 1939.

Der Beschäftigungsschub zwischen 1933 und 1939 war am deutlichsten sichtbar bei der Firma Henschel und beim Aufbau der Flugzeugindustrie mit den Gerhard-Fieseler- und Junkers Werken und den Henschel Motorenwerken in Altenbauna. Flankiert wurde er durch die Textilindustrie, insbesondere die Segeltuchweberein und die hinzugekommene Zellulosefertigung durch die Spinnfaser AG.

Der größte Teil der Kasseler Industrie und ihr abhängiges Handwerk dienten der Vorbereitung der Kriegsindustrie sowie den Autarkieplänen des Regimes.

Quelle: 2023 michael-lacher.de/die-bombardierung-kassels-vor-80-jahren-ein-beitrag-zu-den-hintergruenden

 

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