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Industrieansiedlung in der Miramstraße in Bettenhausen am Beispiel der Firma Withof
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1960
- Ort: Miramstraße
- Vom: 01.12.2020
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Industrie und Gewerbe
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in ganz West-Deutschland ein Wirtschaftswachstum. Alte Firmen stellten sich neu auf, neue gründeten sich und schufen mit ihren innovativen Produkten die Absatzmärkte für das Wachstum. Angebot und Nachfrage regelten den Wachstum der Wirtschaft. Die Gemeinden trugen mit Förderungen im damaligen „Zonenrand“ und dem Ausweisen von neuen Gewerbeflächen ihren Teil dazu bei. In Bettenhausen, dem einstigen Ackerdorf, gab es nach dem Krieg nur noch wenige Bauernhöfe. Ihre Ackerflächen wurden verkauft und zu gewerblichen Bauland umgewidmet. An der Gemarkungsgrenze zu Sandershausen, zwischen Miramstraße und Heiligenröder Straße, wo sich große Ackerflächen ausdehnten, entstand in den 1950er und 1960er Jahren ein neues Gewerbegebiet. Eines dieser sich ansiedelten Unternehmen war die Firma Withof, später Philips-Niederlassung, auf deren Entwicklung und Globalisierung hier geschaut werden soll.
1960 baute an der Miramstraße 87 im Stadtteil Bettenhausen die Firma Georg C. K. Withof GmbH ein neues und großes Verwaltungs- und ein Fabrikationsgebäude. Am Freitag, den 15. Juli 1960, wehte der Richtkranz über dem Rohbau. Das Unternehmen siedelt aus inzwischen zu eng gewordenen Räumen im Bereich der ehemaligen Flakkaserne-Hasenhecke zur Miramstraße um. An diesem Standort entwickelte es sich schnell, die Produktpalette und die Beschäftigtenzahl stiegen. Der Hersteller von Mess- und Regeltechnik wurde von Philips übernommen und zog 2001 nach Fuldabrück um.
1929 erwarben die Gesellschafter Georg C. K. Withof und Arthur Metzke die Firma August Füllgrabe & Co. und etablierte das Unternehmen zur Herstellung und dem Vertrieb technischer Artikel in Kassel-Niederzwehren. Im Jahr 1935 trennten sich die beiden Gesellschafter. Georg C. K. Withof führte die Firma unter dem bisherigen Namen als Alleingesellschafter weiter. Er erkannte früh die Bedeutung der Messtechnik für die weitere industrielle Entwicklung. 1942 erfolgte die Umbenennung der Gesellschaft in Georg C. K. Withof GmbH, Fabrik für Elektrotechnik und Feinmechanik. Bis Kriegsende wurden im Staatsauftrag Messgeräte in hohen Stückzahlen gefertigt. Das Unternehmen, auf dessen Fertigungsprogramm Geräte und Anlagen für Automation und Regeltechnik standen, hatte bis zum 8. März 1945 seine Betriebsräume an der Frankfurter Straße 217 in Niederzwehren. Während weniger Stunden aber sanken sie in Schutt und Asche.
Im Herbst 1950 mietete man von der Bundesvermögensstelle Räume an der Hasenhecke, baute sie völlig aus und zog im Frühjahr 1951 ein. Damals waren es 35 Beschäftigte, die zusammen mit dem Chef Georg Withof den Grundstein zu der späteren Größe des Unternehmens legten. Dazu kamen später Georg C. K. Withof jun. und Hans-Peter Withof, die ihren Vater in der Betriebsführung unterstützten. Nach dem Krieg und dem Wiederaufbau des Unternehmens wurde ab 1951 der Schwerpunkt der Entwicklungen auf Betriebskontrollgeräte nach dem Baukastenprinzip gelegt. Das Produktionsspektrum reichte von Geräten zur Messwerterfassung über Anzeiger, Schreiber, Fallbügelregler bis hin zu Stellgliedern. Nach und nach musste man an der Hasenhecke dazu mieten und ausbauen; die Zahl der Angestellten und Arbeiter stieg an. Im neuen Betrieb an der Miramstraße wurden rund 500 Arbeitskräfte beschäftigt, weitere 50 waren im Außendienst im In- und Ausland tätig. Ebenfalls 50 waren im Werk II an der Fiedlerstraße tätig, das trotz der Neugründung an der Miramstraße vorerst bestehen blieb.
Am Standort Miramstraße 87 entstand eine 3000 m² große Fertigungshalle. Das Verwaltungsgebäude verfügte über vier Vollgeschosse und ein Nebengebäude. Die Firma besaß auch eine eigene Kantine. Die Infrastruktur war durch die Anbindung an die Autobahn über die Dresdener Straße ideal. Zu den Sozialleistungen des aufstrebenden Betriebes zählten: Werksrente — Lohnfortzahlung - Kündigungsschutz - Akkordgarantielohn - Urlaubsgeld – Weihnachtsgeld und - individuelle Urlaubsregelungen, Leistungen die in dieser Zeit nicht selbstverständlich waren.
Die Firma entwickelte sich bald mit 600 Beschäftigten zum größten feinmechanischen Betrieb Nordhessens. 1967 erzielte das Kasseler Unternehmen einen Jahresumsatz von rund 25 Millionen DM. Es wurden viele neue Arbeitsplätze geschaffen. In der Fertigung an halbautomatischen Bandstraßen waren vor allem Frauen als Montagehelferinnen beschäftigt. Für die Entwicklung und den Service waren Elektroniker, Feinmechaniker und Elektromechaniker gefragt. Dazu bildetet die Firma junge Leute z. B. auch zu Mess- und Regelmechaniker/Mess- und Regelmechanikerin, einen anerkannter Beruf der 1960 neu geschaffen wurde, selbst aus. Zu deren Aufgaben zählten die Herstellung von industriellen Prozesssteuerungseinrichtungen, z.B. Installation und Wartung von Automatisierungssystemen für produktions- und verfahrenstechnische Anlagen und die Herstellung von elektrischen Mess- und Kontroll-Vorrichtungen. Die Firma wurde vor allem durch Temperaturregelsystem wie den Witromat für Kunststoffspritzmaschinen international bekannt.
Um weitere Neuentwicklungen finanzieren zu können, suchte man finanzstarke Partner und fand sie in der Fa. Philips aus Eindhoven und deren deutscher Tochtergesellschaft. Ende 1962 beteiligte sich der Philips-Konzern zur Hälfte, im Herbst 1975 voll am Withof-Kapital. In den 1970er Jahren zog sich Withof aus dem Familien-Unternehmen langsam zurück und die Firma wurde so 1975 eine Tochter des in den Niederlanden ansässigen Unternehmens Philips. Die Firma Withof GmbH, Georg C. K. ist schließlich am 14.6.1976 aus dem Handelsregister gelöscht worden. 1978 schied nach der Neuordnung der Unternehmensbereiche Georg C. K. Withof jr., der bisherigen Leiter des Werkes für Prozesskontrolltechnik in Kassel, aus dem Unternehmen auf eigenen Wunsch aus. Withof hatte sich auf Mess- und Regeltechnik spezialisiert. Diese Technik war dann auch für die Philips-Tochter Automation Projects der Schwerpunkt der Arbeit. Das Spektrum des Unternehmensbereichs EWI war abgegrenzt auf Prozessautomations-Geräte, Prozessautomations-Anlagen und Test- und Messtechnik. Die Philips Niederlassung hatte ca. 1000 Mitarbeiter in der Kasseler Miramstraße.
Im März 2001 wurde die Automations Projects GmbH ein Teil der Koop Holding (KH), ein niederländisches Unternehmen. Die Koop Holding beschäftigte weltweit 5000 Mitarbeiter, 1200 davon in Deutschland. Der Umsatz lag bei einer Milliarde Euro. Die eigenständige Gesellschaft mit beschränkter Haftung Automations Projects ist als technischer Dienstleister im Bereich der Umwelttechnik tätig. Kunden von Automation Projects sind hauptsächlich Städte und Gemeinden. Automation Projects kümmert sich dabei nicht nur um die Software, sondern auch um die Umsetzung von Bauprojekten mit Komplettlösungen zur Realisierung von Leit- und Automatisierungsprojekten für Kraftwerke, Müllverbrennungsanlagen, Trinkwasseranlagen, Klärwerken und vielfältige Industrieanlagen. 2002 zog das Unternehmen ME-Automation Projects GmbH in neue Räume nach Fuldabrück Bergshausen um. Im Mai 2013 übernahm der Mitsubishi Electric Konzern ME-Automation Projects als eigenständiges Unternehmen.
An dem alten Standort in der Miramstraße haben sich inzwischen andere Firmen wie, Dinghan SMART Railway Technology GmbH, Softwareentwickler Detron, Minimax GmbH, IBM Deutschland, der Versicherungskonzern ERGO und PMA Prozess und Maschinen Automation niedergelassen. Der Gewerbepark wird von der 1975 gegründeten und bundesweit agierenden NIBLER GRUPPE verwaltet.
PMA ist aus dem 1929 gegründeten Unternehmen Withof hervorgegangen, wurde 2001 an die Geveke Industrial Group veräußert und gehört seit 2005 zu dem international operierenden Technologiekonzern Danaher Corporation, USA. Lange Zeit war das Unternehmen Teil der Philips Industrial Electronic Corporation. Heute vertritt PMA auch die Marken CAL, Partlow und West als deutschsprachige Vertretung der West Control Solutions Gruppe. Speziell für die kunststoffverarbeitende Industrie bietet PMA Lösungen an, die zur Spitze der technischen Innovation gehören. Auf dem Gebiet der Regler für die kunststoffverarbeitende Industrie – speziell Extruder – ist PMA Marktführer.
Editor: Erhard Schaeffer, Dezember 2020
Quellen:
- Technik-Museum Kassel e.V.
- www.me-ap.de
- Prospektunterlagen der Firmen Withof, Philips und PMA
- www.west-cs.de/produkte/marken/pma-de
- Ausgaben der HNA von 1960, 1969, 2002
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Kurzbeschreibung
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in ganz West-Deutschland ein Wirtschaftswachstum. Alte Firmen stellten sich neu auf, neue gründeten sich und schufen mit ihren innovativen Produkten die Absatzmärkte für das Wachstum. Angebot und Nachfrage regelten den Wachstum der Wirtschaft. Die Gemeinden trugen mit Förderungen im damaligen „Zohnenrand“ und dem Ausweisen von neuen Gewerbeflächen ihren Teil dazu bei. In Bettenhausen, dem einstigen Ackerdorf, gab es nach dem Krieg nur noch wenige Bauernhöfe. Ihre Ackerflächen wurden verkauft und zu gewerblichen Bauland umgewidmet. An der Gemarkungsgrenze zu Sandershausen, zwischen Miramstraße und Heiligenröder Straße, wo sich große Ackerflächen ausdehnten, entstand in den 1950er und 1960er Jahren ein neues Gewerbegebiet. Eines dieser sich ansiedelten Unternehmen war die Firma Withof, später Philips-Niederlassung, auf deren Entwicklung und Globalisierung hier geschaut werden soll.
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