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Kindheit in einem Finnenhaus in der Straße Am Messinghof

Zwei Kinder sitzen in der Zinkbadewanne im Wohnraum

Meine Schwester und ich beim Baden, 1953
Foto: Wolfgang Stehling

Wolfgang Stehling ist 1946 in Kassel Bettenhausen in der Straße  Am Messinghof (Nr. 16) geboren. Er wohnt heute in Lüneburg und meldete sich bei der Redaktion von „Erinnerungen im Netz“ und übergab ihr seine Erinnerungen an sein Geburtshaus und seine Geschichte auf dem Lindenberg. Die Straße „Am Messinghof“ liegt in Kassel auf dem Lindenberg und ist vom Messinghof ca. 500 m weit entfernt. Alle Straßen in diesem Wohngebiet wurden nach alten Mühlen in Bettenhausen benannt.

Das Haus war ein sog. Finnenhaus. Diese Häuser bestanden aus Holz, wurden aus „Finnland importiert und während des Zweiten Weltkriegs zwischen 1942 und 1944 für obdachlose, bombengeschädigte Familien der wehrwichtigen Betriebe gebaut“ (Vgl. Wikipedia).

2 Finnenhäuser am Forstbachweg, Nähe der Straße Am Messinghof altes Foto
Finnenhäuser am Forstbachweg, Nähe Am Messinghof  Foto: Wolfgang Stehling, Lüneburg
Meine Schwester 1954 vor den Häusern Am Messinghof
Meine Schwester 1954 vor den Häusern Am Messinghof  Foto: Wolfgang Stehling, Lüneburg

Stehling schreibt: „Meine Eltern, meine Großmutter und meine Schwester (ab 1947) wohnten im Erdgeschoss mit 2 Zimmern und Küche, oben wohnte noch eine Einzelperson sowie eine Familie mit 3 Kindern“.

Die Bewohner der Siedlung dachten, dass diese Häuser eine Schenkung von Finnland an das Dritte Reich gewesen wären.

„Aufgebaut wurden sie teilweise erst nach dem Krieg. Das Haus hatte insgesamt 5 Zimmer, Küche auf ca.85 m². Sie sind voll unterkellert. Im Wohnzimmer wurde in einer Zinkwanne gebadet und im Garten hielten wir auch Hühner. Unsere Nachbarn zupften säckeweise Schafwolle wobei wir dann auch geholfen haben, Auch ein Schwein hatten sie zeitweise.

 

Mein Vater hatte von 1951 – 1956

einen Gemischtwaren-Laden mit Konditorei und Bäckerei. Die Brötchen und das Brot wurden von der Bäckerei Iske in Kaufungen angeliefert. Der Kuchen und die Torten wurden in der Küche gebacken. Am Wochenende lieferte mein Vater bis zu 200 Brote an Familien in Forstfeld aus. Zuerst mit dem Fahrrad und später mit einem Motorrad. Manches Mal war mein Vater sehr verärgert, wenn er an den Wohnungen abgewiesen wurde und das Brot wieder mitnehmen musste. Dann passierte es schon mal, dass er das Brot vor der Tür ablegte und beim nächsten Mal kassierte. Doch das ging nicht lange gut, er verlor dadurch seine Kundschaft.

In unserer Straße Am Messinghof war noch ein weiteres Kolonialwaren-Geschäft, das Herrn Hess gehörte.

 

Meine Mutter im Laden 1955
Meine Mutter im Laden 1955  Foto: Wolfgang Stehling, Lüneburg
Geschäft meiner Eltern, zugleich Küche
Geschäft meiner Eltern, zugleich Küche  Foto: Wolfgang Stehling, Lüneburg

Eingeschult wurde ich 1953 in der Bürgerschule Am Lindenberg noch im Lettenlager. Erst ein oder zwei Jahre später zogen wir in die neue Schule Am Lindenberg am Togoplatz..

Schulbaracke im sog. Lettenlager
Schulbaracke im sog. Lettenlager  Foto: Helmut Kleinert
1955 Fasching bei Theumer
1955 Fasching bei Theumer  Foto: Wolfgang Stehling, Lüneburg

Meine erste Lehrerin war Frau Schulze-Heise und der Rektor war Herr Dietrich, an Lehrer Voltz und Lehrer Sinnig kann ich mich auch noch erinnern. 1954 feierten wir Fasching bei Theumer.

 

Vor dem Geschäft meiner Eltern mit Mitbewohnern im Haus
Vor dem Haus  Foto: Wolfgang Stehling

Im Winter rodelten wir bei Schnee den Faustmühlenweg herunter bis zum Bahnübergang an der Kreuzung Forstbachweg, Unterer Steinbruch, Faustmühlenweg oder auch den Berg an der Autobahn (heute die Abfahrt Kassel Ost).

 

An der Autobahn, Nähe Leipziger Str., 1953
An der Autobahn, Nähe Leipziger Str., 1953  Foto: Stadtteilzentrum Agathof e. V.

Manchmal saßen wir Kinder auf einem Geländer an der Leipziger Straße, wo auch Kolonnen von amerikanischen Transportfahrzeugen entlang fuhren. Die Soldaten auf den Ladeflächen warfen uns dann immer Bonbon, Schokolade und Kaugummi zu.

Einmal passierte es, dass sich eine Kolonne amerikanischer Panzer verfuhr. Statt in der Leipziger Straße geradeaus zu fahren, bogen sie in Richtung Lindenberg ab. Nachdem sie ihren Irrtum bemerkt hatten, drehten sie Am Messinghof um, die Straße war durch die Ketten dann zerstört

1954 Kinder aus der Straße Am Messinghof
1954 Kinder aus der Straße Am Messinghof:v. l. n. r.: Günther Mühling, Alfred Vockeroth, Klaus Thies, Wolfgang Stehling , Monika Thies und Christa Stehling  Foto: Wolfgang Stehling, Lüneburg

Ein weiteres Erlebnis ist mir noch in Erinnerung geblieben.

Wir wollten im Winter an einem Sonntagmorgen mit den Kindern vom Messinghof  ins Kino (Thalia). Leider war es schon ausverkauft.

So überredeten uns die älteren Kinder, mit der Straßenbahn nach Wilhelmshöhe zu fahren um dort auf dem Lack eiszulaufen.

Dumm wie wir waren, machten wir natürlich mit. Doch wir mussten uns auf die Großen verlassen, um wieder nach Hause zu kommen. Die jedoch nutzten den Tag aus. So kam es, dass wir erst nach Einbruch der Dunkelheit wieder an der Straßenbahnhaltestelle bei der Esso Tankstelle an der Leipziger Straße ankamen und uns schon unsere Eltern in Empfang nahmen. Was dann passierte möchte ich hier nicht schildern, doch es war eine schlagende Erfahrung.

1959 zogen wir aus Kassel fort. Das Haus jedoch hatte mein Vater 1956 schon von der GEWOBA gekauft und es behalten.

Bis 1972 wohnte meine Großmutter noch dort und 1969 waren auch meine Eltern wieder hierhin gezogen. 1998 verkauften meine Eltern das Haus und zogen zu meiner Schwester."

 

Kindheit_am_Messinghof.Stehling.web.jpg
Foto: Wolfgang Stehling, Lüneburg

Editor: Falk Urlen, Februar 2020

Fotos und Text: Wolfgang Stehling, Lüneburg

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Kurzbeschreibung

Wolfgang Stehling ist 1946 in Kassel Bettenhausen in der Straße  Am Messinghof (Nr. 16) geboren. Er wohnt heute in Lüneburg und meldete sich bei der Redaktion von „Erinnerungen im Netz“ und übergab ihr seine Erinnerungen an sein Geburtshaus und seine Geschichte auf dem Lindenberg. Die Straße „Am Messinghof“ liegt in Kassel auf dem Lindenberg und ist vom Messinghof ca. 500 m weit entfernt. Alle Straßen in diesem Wohngebiet wurden nach alten Mühlen in Bettenhausen benannt.

 

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