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Spießrutenlauf auf dem Forst

Spießgasse aus dem Frundsberger Kriegstagebuch, 16. Jh.

Spießgasse aus dem Frundsberger Kriegstagebuch, 16. Jh.
Foto: @Stadtteilzentrum Agathof e. V.

Im Rahmen der Reihe "Tod(t) auf dem Forst" soll hier die militärische Strafe des "Spießrutenlaufs" geschildert werden. Diese galt im Gegensatz zum Tod am Galgen als "ehrlich", wie später auch der Tod durch Erschießen.

Später wurden dann die Spieße durch Hasel- oder Weidenruten ersetzt. Für die Ruten war der Steckenknecht zuständig, der diese unter beiden Armen trug und durch die Gasse ging, jeder Soldat musste sich beim Vorbeigehen eine solche ziehen. Nach Abschluss der Strafe wurden die Ruten an den Gewehren zerschlagen. Der Delinquent musste, je nach Vergehen, mehrmals mit freiem Oberkörper durch eine Gasse von bis zu 300 Kameraden laufen, die kräftig zuschlagen mussten. Der Grund, warum die Gasse so lang war, lag auch in der Abschreckung für die teilnehmenden Soldaten. Diese wurden von Offizieren zu Pferde überwacht, dass sie auch richtig zuschlugen. Wer schnell laufen konnte, konnte die Strafe abkürzen. Bei schweren Verbrechen schritt ein Unteroffizier mit gezogenem Säbel rückwärts vor dem Delinquenten her, ein anderer folgte diesem. Am oberen und unteren Ende der Gasse standen Trommler und Pfeifer, die mit ihrem Lärm das Geschrei des Unglücklichen übertönen sollten. Dieser hatte eine Bleikugel zwischen die Zähne bekommen, um die „Schmerzen zu verbeißen“. Ein sechsmaliges Durchschreiten einer solchen Gasse an drei Tagen wurde der Todesstrafe gleich gesetzt, wobei die Delinquenten fast immer auch daran starben. Nach jedem Gang sollen Hautfetzen in der Gasse gelegen haben. Der Tod durch das Gasselaufen galt als ehrlich, wie später auch das Erschießen, im Gegensatz zum Aufhängen am Galgen.

Spießrutenlauf
Spießrutenlauf  Foto: @Stadtteilzentrum Agathof

Ein Arzt begleitete diese Läufe und unterbrach, wenn der Delinquent zusammenbrach. Dann konnten die Wunden einen Tag verschorfen, danach musste der Delinquent wieder durch die Gasse. Durch diesen Schorf soll der Schmerz noch vergrößert worden sein. Es kam aber auch vor, daß der Delinquent auf einen Strohhaufen gelegt wurde, um den Rest der verordneten Ruten zu erhalten. Dostojewski schreibt in „Aufzeichnungen aus einem toten Haus“, dass es in Russland bis zu 3000 Spießruten gab, die auf mehrere Tage verteilt wurden. Teilweise wurden die Delinquenten in Hospitälern zwischendurch solange gepflegt, bis die Wunden geheilt waren, um erneut durch die Gasse laufen zu müssen. Je nach Schwere des Verbrechens wurden auch die Anzahl der Ruten variiert, so dass dieser Lauf nicht immer zum Tode führen musste. G. Eisentraut schildert 1905 in der Zeitschrift "Hessenland", wie es zu einer solchen Strafe kam: „Im Frühjahr 1761 machten sich mehrere Angehörige der hessischen Garde du Corps schweren Diebstahls schuldig […] Diese waren überführt, wiederholt nächtlicher Weise und unter Anwendung von Nachschlüsseln […] in das Provianthaus […] eingestiegen zu sein, daraus an Roggen, Hafer und Säcken den Wert von 192 Rtlr. [Reichstaler] entwendet und das Gestohlene an einige dortige Bürger für ein Spottgeld verkauf zu haben“. Der Anführer musste „24mal Gassenlaufen durch 200 Mann in 2 Tagen“ und danach sollte er „infam weggejagt werden". Ein anderer, der nur zweimal mitgestohlen hat, bekam die gleiche Gassenlauf-Strafe, er wurde aber im Dienst behalten. Ein dritter musste 12 Mal durch die Gasse und ein Vierter wegen seines Geständnisses nur acht Mal. Die Verbliebenen wurden zu anderen Einheiten versetzt und erhielten ihre Strafen dort. In Russland wurden die Spießruten erst 1863 abgeschafft, in Preußen 1806, so wohl auch in Hessen.

So sangen die hessischen Soldaten, bevor sie nach Amerika verschifft wurden:

Lied der Soldaten, die nach Amerika verschifft wurden
Lied der Soldaten, die nach Amerika verschifft wurden  Foto: @Stadtteilzentrum Agathof

Dies ist ein Beitrag aus der Reihe: Tod(t) auf dem Forst

Autor und Editor: Falk Urlen, März 2014

Literatur:

  • Döbler, Hansferdinand: Von der Rache zum Recht, Herrschaft, Krieg, 1974, S. 330 f.
  • Eisentraut, G., Spießruten- oder Gassenlaufen, in: Hessenland, Zeitschrift für hessische Geschichte und Literatur, 1905, S. 74 ff.
  • Urlen, Falk: Georg II von England inspiziert 1729 Truppen auf dem Kasseler Forst, Kassel 2014, S. 6
  • Spießrutenlaufen, in: Meyers Konversations-Lexikon, 4. Auflage, Band 15, Leipzig 1985-1892, S. 145

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Kurzbeschreibung

Im Rahmen der Reihe "Tod(t) auf dem Forst" soll hier die militärische Strafe des "Spießrutenlaufs" geschildert werden. Diese galt im Gegensatz zum Tod am Galgen als "ehrlich", wie später auch der Tod durch Erschießen.

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