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Unterneustadt „'s Dörfchen”

Alte Brücke über die Fulda

Alte Brücke über die Fulda
Foto: Unterneustätter Kirche

Nach der Altstadt ist die Neustadt am rechten Ufer die jüngere Schwester der Stadt Cassel. Nachdem Landgraf Heinrich I. 1277 auf dem gegenüberliegenden Höhenzug seine Burg gründete, ordnete er auf dem Forst eine planmäßige Anlage einer neuen Stadt an. Dieser Neustadt verlieh er bereits 1293 die Stadtrechte mit eigenem Siegel, sechs Schöffen, Stadtrat und Bürgermeister. Die erste urkundliche Erwähnung wurde allerdings erstmalig am 17. Mai 1283 bekundet. Das Dokument beinhaltet eine Schadensklage, die beim damaligen zuständigen Gericht in Kaufungen verhandelt wurde, die Urkunde liegt im Staatsarchiv Marburg. Bei der Erteilung des Stadtrechtes war die Neustadt bereits komplett mit Mauer, Toren.  Türmen und Kirche ausgestattet. Nach dem Archivar F.C.Theodor. Piderit wurde sie lediglich  in den Statuten von 1239 nicht erwähnt.

Allerdings muss schon vor 1277 eine Siedlung mit einigen Häusern am Fuldaübergang gestanden haben, denn bereits im Jahr 1228 wurde ein Wehr im Besitz des Ahneberger Klosters erwähnt, sodass ein Überqueren der Fulda nur mit Fähre oder über eine Brücke möglich war. Auf Anordnung des Landgrafen wurden die Bewohner des im Forst liegenden Dorfes Velt- oder Fulthagen in die mit Mauer befestigte Neustadt umgesiedelt, was nicht ganz freiwillig geschah. Die Bewohner der Neustadt kamen weniger aus der Altstadt, sondern hauptsächlich aus den umliegenden Dörfern.

Die Magdalenenkirche der Neustadt war die zweitälteste Kirche der Stadt Cassel, sie  wurde erstmalig 1342 erwähnt, als ein Hochwasser bis zum Hochaltar vordrang, auch sie wurde wahrscheinlich schon in der Mitte des 13. Jahrh. gebaut. Im Jahr 1521 wurde vom Pfarrer  Johannes Erhardi Angrundt genannt Kirchhain in der Magdalenenkirche erstmalig die Messe in deutscher Sprache verlesen und das Heilige Abendmahl in beiderlei Gestalt gespendet. Der Einfluss von Philipp Melanchton, der mit Pfarrer Kirchhain befreundet war, zeigte hier seine Wirkung, denn erst 1526 wurde durch Landgraf Philipp in Hessen die Reformation eingeführt.

Magdalenenkirche ca.1450, Zeichnung von Ernst Metz
Magdalenenkirche ca.1450, Zeichnung von Ernst Metz  Foto: Unterneustädter Kirchengemeinde

Das Jägerhaus (1362 Landau`s Kollektaneen erwähnt) von Landgraf Heinrich III. gebaut, war schon  auf einer Übersichtskarte im Jahr 1000 direkt an der Fährstelle über die Fulda als Gebäude gekennzeichnet. Von hier aus unternahmen die Landgrafen ausgiebige Jagden im Forst. Unter Landgraf Karl wurde 1686 das Jägerhaus  als Kaserne und Gefängnis umgebaut und hieß fortan Kastell. Im Siebenjährigen Krieg benutzten die Franzosen das Kastell als Kaserne, Fourage-Magazin und Lazarett. Im Westfälischen Königreich unter König Jérome wurde es endgültig zum Gefängnis und Kurfürst Wilhelm I. baute es dann endgültig zum Staatsgefängnis um.

Wenige bekannt war das Neustädter Salzhaus am rechten Fuldaufer vor dem Wehr. Hier wurden die von der Werra ankommenden Schiffe entladen. Erst mit dem Bau des Seitenkanals am großen Finkenherd wurden die Schiffe an der Schlagd entladen.

Das Rathaus der Neustadt stand an der Ecke des Kirchhofes zur Mühlengasse hin, das bedeutendste Bauwerk in dieser Straße war allerdings die Neustädter Mühle, später Unterneustädter Mühle. Urkundlich  erstmalig 1398 erwähnt gehörte sie dem Ahneberger Kloster. Nach der Säkularisation wurde sie von Landgraf Philipp 1538 abgerissen und neu gebaut. Ausgestattet mit 10 Mühlrädern und 12 Gängen war sie damals eine der modernsten Mühlen in Hessen, mit seinen zur Fulda ausgerichteten Geschützen diente sie gleichzeitig als nördlichstes Abwehrbollwerk im Befestigungswall. Von Landgraf Moritz wiederum 1614 erneuert, diente sie als Mahl-, Schneide-, Schlag- und Bohrmühle. Mit der großen Linde auf dem vorgelagerten kleinen Finkenherd galt sie als eine der meist gemalten Motive im alten Cassel. Im Rahmen der Fuldaregulierung 1912 wurde die Insel unter Protest der “Casseler“ Bevölkerung überflutet und die Mühle stillgelegt. Eine weitere bedeutende Mühle, die Hellemühle, ist später als Pulvermühle in die Geschichte der Neustadt eingegangen. Diese wurde im Siebenjährigen Krieg niedergebrannt, von der Familie Koch 1797 wieder aufgebaut und 1809 als Gyps- und Cementfabrik benutzt. Ernst Koch gilt als Erfinder des hessischen Cements. An der Stelle der Mühle wurde 1898 bzw. 1912 die Herkulesbrauerei eröffnet.

Die Stadtmauer der Neustadt stellt ein wesentliches Merkmal ihres Grundrisses dar. Sie reichte von der Wasserseite nördlich der Mühle bis zur südliche gelegenen Brücke und zog sich in einem Bogen (Fahrtgasse) bis zur Wallstraße. Das Neustädter Tor wurde erstmalig 1291 erwähnt. 1584 war das Tor mit seinem Bollwerk artigen Vorbau (Ravelin) eines der massivsten Bauwerke des Casseler Befestigungsringes. Auf dem Müllerplan von 1547 und dem Merianplan von 1646 ist dieses Tor von allen anderen am deutlichsten zu sehen. Zum ehemaligen Salzhaus hin öffnete sich die Mühlenpforte und als gewölbter Walldurchgang befand sich an der Südseite die Ziegenstallpforte. Die wichtigste Straße der Neustadt, die Brückenstraße später Bettenhäuser Straße, verlief südlich vom Neustädter Tor bis zur Fuldabrücke. Bis zum Bau der Wilhelmsbrücke unterstanden die Brücken der Verwaltung der Neustadt. Eine erste Brücke über die Fulda wird 1336 erwähnt, bereits 1346 ist diese baufällig und wird durch Landgraf Heinrich II. auf steinernen Pfeilern neu gebaut. Finanziert wird diese mit dem wahrscheinlich ersten Brückengeld in der deutschen Geschichte. Am Brückenende stiftete die Witwe Hedwig Goldfuß eine Kapelle (Nikolauskapelle).

Siechenhof Kapelle und Altenheim in den 1920er Jahren
Siechenhof Kapelle und Altenheim in den 1920er Jahren  Foto: @ Stadtteilzentrum Agathof e. V.

Vor den Toren der Neustadt an der Leipziger Straße lag der Siechenhof, erstmalig erwähnt durch ein Beglaubigungsschreiben vom 3. Oktober 1364, ausgestellt von Johann Vettin. Gebaut wurde der Siechenhof von Landgraf Heinrich II. Um ihn herum befand sich  die Leipziger Vorstadt, die hauptsächlich aus Gasthöfen bestand und Reisende vor und nach dem Besuch der Stadt Cassel zur Übernachtung dienten. Auf dem gegenüber liegendem Forst lag der Richtplatz der Neustadt.

Autor: Gerhard Böttcher, 2011


Editor: Erhard Schaeffer

Quellen:

  •  Franz Carl Theodor Piderit        Geschichte der  Haupt-und Residenz Stadt Cassel
  •  Prof. Dr. Hugo Brunner            Geschichte der Residenzstadt Cassel  ( 1000 Jahrfeier )
  •  Paul Heidelbach                       Ein Jahrtausend hessischer Stadtkultur
  •  Dr. Ing. Dr. phil A. Holtmeyer  Bau- und Kunstdenkmäler im Reg. Cassel
  •  August Woringer                     Die Bewohner der Unterneustast zu Kassel in 1707
  •  Gerhard Böttcher                    Dokumentation 725 Jahre Unterneustädt Kirche
  •  Dr. Schwarzkopf                     Vortrag im Bürgerverein „Ostend” um 1900

 

 

 

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Kurzbeschreibung

Nach der Altstadt ist die Neustadt am rechten Ufer die jüngere Schwester der Stadt Cassel. Nachdem Landgraf Heinrich I. 1277 auf dem gegenüberliegenden Höhenzug seine Burg gründete, ordnete er auf dem Forst eine planmäßige Anlage einer neuen Stadt an. Dieser Neustadt verlieh er bereits 1293 die Stadtrechte mit eigenem Siegel, sechs Schöffen, Stadtrat und Bürgermeister. Die erste urkundliche Erwähnung wurde allerdings erstmalig am 17. Mai 1283 bekundet. Das Dokument beinhaltet eine Schadensklage, die beim damaligen zuständigen Gericht in Kaufungen verhandelt wurde, die Urkunde liegt im Staatsarchiv Marburg. Bei der Erteilung des Stadtrechtes war die Neustadt bereits komplett mit Mauer, Toren.  Türmen und Kirche ausgestattet. Nach dem Archivar F.C.Theodor. Piderit wurde sie lediglich  in den Statuten von 1239 nicht erwähnt.

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