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Waldweihnacht auf der Wartburghütte
- Autor: Bernd Schaeffer
- Zeit: 1955
- Ort: Wartburghütte Niestetal
- Vom: 01.12.2023
- Themen: Weihnachten, Menschen erzählen
Der CVJM Wartburg e.V., in dem ich Mitglied bin, hatte oberhalb von Heiligenrode seit den 1950er Jahren eine in Eigenleistung erbaute Freizeithütte. Die „Hütte,“ wie sie kurz genannt wurde, war während der warmen Jahreszeit ein gern besuchtes Ziel für alle, die unter dem Wort Gottes mit Gleichgesinnten ihre Freizeit verbringen wollten. Doch in der dunklen Winterzeit bei Kälte und Schnee war die Nachfrage nicht so stark. Am letzten Wochenende im Advent jedoch, wenn der Verein zur „Waldweihnacht“ eingeladen hat, war die einsam gelegene „Hütte“ voll mit erwartungsvollen, durchgefrorenen Besuchern. Dieser Einladung bin ich aus Tradition in meiner Jugend viele Jahre gefolgt und habe später auch meine Frau und unsere Tochter zu dem Fest im Wald mitgenommen.
Für die Christenheit ist der Advent (lateinisch für Ankunft) die vierwöchige Vorbereitungszeit auf Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu Christi. Seit dem sechsten Jahrhundert umfasst die Adventszeit die vier Sonntage vor Weihnachten und sie war in alten Zeiten geprägt von stillem Gebet und freudiger Erwartung auf das Weihnachtsfest. In den letzten Jahren ist Advent aber auch die Zeit des Plätzchenbackens, der Weihnachtsmärkte, des Kerzenscheins und des sich Erinnerns an die Zeit der eigenen Kindheit.
In unserer Kindheit hatten mein Bruder und ich zu Hause jeder seinen Adventskalender mit 24 Türchen. In den ersten Jahren lediglich mit einem mehr oder minder bunten Bildchen hinter jeder Tür. Später, Mitte der 1950er Jahre, befand sich auch schon das eine oder andere „Schnuggewergg“ im dicker gewordenen Kalender. Die Stimmung ist in neuerer Zeit nicht mehr so feierlich und entspannt und von Besinnung ist kaum noch etwas zu spüren. Die Zeit wird gefüllt mit Vorbereitungen auf die Feierlichkeiten und den Einkäufen von Geschenken für das große Ereignis. Der christliche Bezug verliert sich im Bewusstsein der Menschen.
Ein Ereignis in der Adventszeit meiner Jugend bleibt mir bis heute in lebendiger Erinnerung. Die vom CVJM Wartburg e.V. jährlich ausgerichtete „Waldweihnacht“ in der Nähe der Wartburghütte auf dem Viehberg im Niestetal ist für mich unvergesslich.
In der Regel am 3. Advent pilgerten die Vereinsmitglieder mit ihren Familien in der Dämmerung von Heiligenrode oder Sandershausen kommend hinauf zum Viehberg. Wer Erfahrung hatte, trug eine Taschenlampe bei sich und war winterlich angezogen. Oft schon bei Schnee und frostiger Kälte wanderte man in kleinen Gruppen zur Hütte, war in froher Erwartung und freute sich auf die kommenden Stunden. Der Platz vor der Hütte war nur schwach beleuchtet und die Teilnehmer flüsterten mit leiser Stimme, wenn sie Freunde oder Bekannte aus dem Verein trafen und sie begrüßten
Endlich war es so weit, die Gruppe schien vollzählig, alle Vorbereitungen waren erfolgreich abgeschlossen und die Menschen setzen sich in Richtung Wald in Bewegung. Mitten im nahen Forst, oft auf einer kleinen Lichtung im Unterholz, hatten fleißige Hände eine Tanne geschmückt und Kerzen angezündet, auch mit der Hoffnung, dass der Wind sie nicht wieder auslöscht. Ganz in der Nähe standen die Mitglieder des Posaunenchores unter der Leitung von Arno Lanatowitz. Wenn der Kreis um die Tanne sich gefüllt hatte und alle zur Ruhe gekommen waren, spielte der Posaunenchor sein erstes weihnachtliches Lied. Wenn er aufgehört hatte, kehrte völlige Stille ein.
Dieser Moment, der milde Schein der Kerzen in einem nachtdunklen Wald, die absolute Stille nach dem hellen Klang der Blechbläser und die warm gekleideten, schweigsamen Menschen, die den Worten der Bibel lauschten, hatte etwas ganz Besonderes und war sehr eindrucksvoll. In diesen feierlichen Augenblicken konnte man den Alltag vergessen und die Zeit bis zum Christfest neu erfahren.
Dem Bläserspiel folgte eine kurze Andacht des Pfarrers mit einem abschließenden Gebet. Dann spielten noch einmal der Posaunenchor die altbekannten weihnachtlichen Lieder zum Mitsingen. Von meinem Freund Dieter, der das Horn spielte, weiß ich, dass die Blechbläser in den Spielpausen ihr Mundstück in die Hosentasche steckten, damit die Lippen bei der Kälte nicht am eiskalten Instrument festfrieren konnten.
Wenn die Kerzen heruntergebrannt waren, bewegte sich die versammelte Gemeinschaft erwartungsvoll in Richtung Wartburghütte. Betriebsame Helfer hatten dort die Tische festlich mit Tannengrün und Strohsternen geschmückt, Kerzen angezündet und den großen Holzofen im Tagesraum mächtig eingeheizt. Wegen des starken Andrangs musste man zusammenrücken, damit alle einen Platz fanden. Heißer Tee und/oder süßer Kakao wurden in bereitstehende Tassen gegossen und aus den mitgebrachten, buntgeschmückten Tüten wurden die ersten selbstgebackenen Weihnachtsplätzchen des Jahres auf die Teller gelegt. Während die eingefangene Kälte langsam aus den durchgefrorenen Gliedern zog, wurden die ersten freundlichen Worte mit dem Nebensitzer gewechselt. Neuigkeiten wurden ausgetauscht und Pläne verkündet. Der Geräuschpegel stieg und füllte den großen Raum. Enge und die wohlige Wärme vermittelten ein Gefühl von Gemütlichkeit. Irgendwann jedoch war das letzte Plätzchen gegessen und alle Vertraulichkeiten ausgetauscht, dann hieß es aufbrechen, zurück in das Alltagsleben. Nach soviel Wärme und Wohlgefühl gab es keinen Mantel, der dick genug gewesen wäre, das Frösteln auf dem dunklen Heimweg zu unterbinden. Ein letztes „Bis zum nächsten Jahr“ und dann gingen alle wieder auseinander. Viele nahmen das mit, was auch ich von der Waldweihnacht auf der Wartburghütte bis heute mitgenommen habe, die Erinnerung an ein Erlebnis in unberührter Natur zusammen mit gläubigen Menschen und verbunden mit der Hoffnung auf Frieden in unserer Welt.
Eine Generation später habe ich meine Frau und unsere gemeinsame Tochter eingeladen, mit mir das Erlebnis zu teilen. Tatsächlich wurde auch noch in den 1970er Jahren auf der Wartburghütte Waldweihnacht gefeiert. Die geschmückte Tanne stand natürlich an einer anderen Stelle im Wald und die Teilnehmer waren in der Regel jünger als ich, doch der Posaunenchor war immer noch aktiv, wenn auch unter neuer Leitung. Die Wartburghütte war inzwischen vergrößert und mehrfach renoviert worden; eine Zentralheizung sorgte für Wärme. Die versammelten Menschen zeigten sich jedoch immer noch ergriffen von der Besonderheit der Feier in diesem Rahmen. Die Waldweihnacht hatte offensichtlich nichts von ihrem Zauber verloren.
Auf dem Heimweg waren wir uns einig, eine Weihnachtsfeier im Wald während der Adventszeit ist etwas Besonders und bleibt unvergesslich.
Inzwischen hat sich der Verein CVJM Wartburg e.V. aus finanziellen Gründen von der Wartburghütte trennen müssen. Eine vorweihnachtliche Feier unter freiem Himmel wird jedoch weiterhin im Advent vom CVJM Wartburg angeboten, in diesem Jahr am 23.12.2023 um 19:00 Uhr im Garten der Jacobus-Kirche im Eichwald.
Text und Editor: B. Schaeffer, Dezember 2023
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Kurzbeschreibung
Im westlichen Christentum ist das Weihnachtsfest eines der drei Hauptfeste des Kirchenjahres. Die Adventszeit, die Zeit vom ersten Adventssonntag bis zum Heiligen Abend, dient der Vorbereitung auf die Weihnachtsfeiertage. In meinen Erinnerungen an diese Zeit bleibt ein jährlich wiederkehrendes Erlebnis unvergessen.
Der CVJM Wartburg e.V., in dem ich Mitglied bin, hatte oberhalb von Heiligenrode seit den 1950er Jahren eine in Eigenleistung erbaute Freizeithütte. Die „Hütte,“ wie sie kurz genannt wurde, war während der warmen Jahreszeit ein gern besuchtes Ziel für alle, die unter dem Wort Gottes mit Gleichgesinnten ihre Freizeit verbringen wollten. Doch in der dunklen Winterzeit bei Kälte und Schnee war die Nachfrage nicht so stark. Am letzten Wochenende im Advent jedoch, wenn der Verein zur „Waldweihnacht“ eingeladen hat, war die einsam gelegene „Hütte“ voll mit erwartungsvollen, durchgefrorenen Besuchern. Dieser Einladung bin ich aus Tradition in meiner Jugend viele Jahre gefolgt und habe später auch meine Frau und unsere Tochter zu dem Fest im Wald mitgenommen.
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