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Weihnachten mit Dampf

Werdauer Modelle von Dampfmaschinen, im Vordergrund Tannenzweig mit Kerze und Kugel

Werdauer Modelle von Dampfmaschinen 2011
Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Stadt- und Dampfmaschinenmuseum Werdau

Die Erfindung der Dampfmaschine führte zur Industriellen-Entwicklung. Sie war in ihrer Zeit ein technisches Wunderwerk und begeisterte die Menschen. Als Spielzeug hielt sie Einzug in die Kinderzimmer und wurde Sammelobjekt der Erwachsenen. Insbesondere als beeindruckendes Geschenk zu Weihnachten war die Spielzeugdampfmaschinen vor mehr als 100 Jahren von Jung und Alt ein begehrter Artikel. Als Spielzeuge unter dem Weihnachtsbaum eroberten sie jedes Kinderherz. Von ihnen ging eine Faszination aus. Nicht jeder besaß das Geld um sich die feinmechanische Technik aus Stahlblech und Messing zu leisten. Über Antriebsriemen (Transmissionsriemen) konnten verschiedene Modellwerkzeuge wie Sägen und Schmiedehämmer betrieben werden. Die Spielzeug-Hersteller wie Märklin boten eine große Auswahl der Miniaturen maßstabsgetreu an.

Weihnachten, Familie mit Kindern neben Baum, unter dem Tisch Modell einer Dampfmaschine,
Familie an Weihnachten, Kinder bewundern die Dampfmaschine  Foto: Eberhard Heinemann

Eberhard Heinemann, 1924 geboren, wohnte mit seiner Familie in Salzmannshausen. Er erzählte von seiner frühsten Jugend in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts. „Bei mir zu Hause gab es eine solche wundervolle Dampfmaschine.“ Auf einem alten Foto sieht man wie die ganze Familie mit Begeisterung und Staunen dieses Spielzeug zu Weihnachten betrachtet.

In meiner Familie in Bettenhausen gab es ebenfalls Dampfmaschinen, die als Antrieb zweier Dampflokomotiven ihre Kraft entwickelten. Diese Modelle der Spur 1 besaß in den 1950er Jahren mein Vater. Sie wurden regelmäßig gewartet und erprobt. Wie bei einer echten Dampflok mussten alle beweglichen Teile geschmiert bzw. geölt werden. Das Wasser einzufüllen war nicht einfach. Dazu brauchte es einen kleinen Trichter und ein Wasserstandglas im Führerhaus zeigte den Füllstand an. Nach dem erfolgreichen Einfüllen des Wassers kam Brenn-Spiritus in die kleine Brennkammer unter dem Kessel. Um ausreichend Dampf für die Fahrt zu erzeugen, musste dieser zuvor angeheizt werden. Für uns Kinder war der Umgang mit diesen Dampfeisenbahnen tabu, da zu gefährlich. Es gab heiße Teile an denen man sich hätte leicht verbrennen können und durch den Betrieb mit Brenn-Spiritus bestand erhebliche Brandgefahr. Um die heiße Lok während des Betriebs anfassen zu können benutzte mein Vater besondere Asbesthandschuhe.

Mein Bruder und ich konnten mit Begeisterung zusehen wie die Pleuelstangen sich langsam hin und her bewegten und die großen Räder in Bewegung setzten. An den besonderen Geruch von Öl, Fett und Spiritus kann ich mich noch heute erinnern. Dampf trieb auch eine kleine Pfeife oben auf dem Messingkessel an. Ein schrilles Geräusch beim Betätigen des Hebels signalisierte die Betriebsbereitschaft der faszinierenden Maschine. Auf einem Schienenkreis fuhr die dampfende Schlepptenderlok in unserer Wohnung. Im Fahrbetrieb quoll der Dampf nicht nur aus dem Schornsteinschlot sondern auch aus den Antriebszylindern, auf denen kleine Öler saßen.

Historisches Modell einer Dampfeisenbahn mit Schlepptender von Märklin
Historisches Modell 4000 einer Dampfeisenbahn von Märklin  Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Ladenburger Spielzeugauktion GmbH

Mein Vater hatte als Arbeiter im Lokbau der Firma Henschel in Kassel eine besondere Passion zu seinem Hobby Modelleisenbahn entwickelt. Die Modelle der Spurgröße 1 waren eigentlich für eine Stadtwohnung zu groß, um sie auf Schienen umherfahren zu lassen. Sie gehörten in ein Gartengrundstück. So wurden sie eines Tages nach Großalmerode verkauft. Mit dem Erlös kaufte er beim Spielzeug-Frisch Schienen, Wagons und eine elektrische Eisenbahn der Spur H0 von Märklin. Er legte damit den Grundstock für den Ausbau seines Hobbys und den Bau von Modellanlagen. Mit diesen konnten auch wir Kinder insbesondere zu Weihnachten mit Begeisterung spielen. Zu den Feiertagen wurde die etwa 4m x 1,5m große Modellanlage, die auf unseren Schrankbetten senkrecht stehend mit Scharnieren befestigt war, von der Wand nach vorn heruntergeklappt und auf Beinstützen abgestellt. Um die Anlage zusehen und Züge fahren zu lassen musste ich zum Bedienen der Trafos auf einen Hocker steigen. Von unten sah man die vielen bunten Kabel der elektrischen Verdrahtung, die für mich unergründbar die notwendigen Verbindungen herstellte um das Betriebssystem funktionieren zu lassen. Oben leuchteten im Dunklen die Modellhäuser, Stellwerke, Signale und Bahnhöfe. Dazwischen zogen die Züge ihre Kreise. Es war wunderbar. Erst spät am Abend schliefen wir Kinder an solchen Tagen in unseren Betten unter der Anlage ein.

Text: Erhard Schaeffer, November 2023

Quellen:

  • Eberhard Heinemann, Salzmannshausen
  • Ch.-Seidel, Ladenburger Spielzeugauktion GmbH
  • Markus Döscher, Stadt- und Dampfmaschinenmuseum Werdau

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Kurzbeschreibung

Die Erfindung der Dampfmaschine führte zur Industriellen-Entwicklung. Sie war in ihrer Zeit ein technisches Wunderwerk und begeisterte die Menschen. Als Spielzeug hielt sie Einzug in die Kinderzimmer und wurde Sammelobjekt der Erwachsenen. Insbesondere als beeindruckendes Geschenk zu Weihnachten war die Spielzeugdampfmaschinen vor mehr als 100 Jahren von Jung und Alt ein begehrte Artikel.

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