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"Zur Römerhalle" - wo die Barthels das Bier zapften
- Autor: Geschichtskreis "Bettenhausen früher und heute"
- Zeit: 1906
- Ort: Gasthaus "Zur Römerhalle"
- Vom: 02.03.2012
- Themen: Firmen- und Industriegeschichte, Gaststätten
Fast neun Jahrzehnte lang zapften zwei Generationen der Familie Barthel in der Gaststätte „Zur Römerhalle“ am Leipziger Platz ein gepflegtes Schöfferhof- Pils. Nur das repräsentative Eckhaus im Jugendstil in der Leipziger Straße 211 erinnert heute noch an die hier gewährte Gastlichkeit. Frau Waltraud Becker, Tochter des Wirtes Karl Barthel, verdanken wir die Chronik der „Römerhalle“ und die dazu passenden alten Fotos.
Mit Schreiben vom 8. 6. 1904 an das Bürgermeisteramt von Bettenhausen beantragte Justus Barthel (* 23. 2. 1871, † 9. 7. 1915) die Konzession für den Betrieb einer Gastwirtschaft in dem neu zu erbauenden Haus auf dem ehem. Pfarrgrundstück an der Kreuzung Ochshäuser Straße / Leipziger Straße, der neu angelegten Pfarrstraße und der angrenzenden neu angelegten Landgrafenstraße, der späteren Stiftstraße und heutigen Dormannweg.
Justus Barthel war zuvor fünf Jahre Wirt in der Gaststätte „Zum kleinen Stadtpark“ (die spätere „Dorfschänke“), Dorfstr. 4 (vorher Dorfstr. 65). Da die Erben von Louis Schmelz die Gaststätte an Heinrich Rewald verkauften, wurde Justus Barthel arbeitslos. Justus Barthel war verheiratet mit Elisabeth („Elise“), geb. Müller (* 28.2.1872, † 27.11.1945). Sie hatten vier gemeinsame Kinder: Elisabeth, Walter, Karl und Kurt.
Der Antrag auf Konzession wurde abgewiesen und auch in der ersten mündlichen Verhandlung im September 1904 wurde dem Widerspruch von Justus Barthel nicht entsprochen, da wegen der bereits bestehenden 22 Gastwirtschaften im Ort kein weiterer Bedarf bestehe und die nächste Gastwirtschaft („Gaststätte Belz“ mit dem damaligen Inhaber Christian Dehnert) lediglich 100 Meter entfernt liege.
Am 21.7.1905 wurde der Kaufvertrag zwischen dem Presbyterium zu Bettenhausen, vertreten durch Pfarrer Carl August Ziegler (Er war der erste Pfarrer der selbständigen ev. Gemeinde Bettenhausen), und Justus Barthel für das 653 qm große Grundstück zu einem Kaufpreis von 7.836 Mark geschlossen.
Nach einer weiteren Ablehnung der Konzession legte Justizrat Dr. Rocholl mit Schreiben vom 24.11.1905 Berufung ein. Er führte neue Gründe an, die die Einrichtung einer Gaststätte rechtfertigen sollten. Es wurden an der neu angelegen Pfarrstraße und der Landgrafenstraße neue Mietswohnhäuser errichtet, in die etwa 150 Familien, insgesamt ca. 700 Personen, einzogen. Die Einwohnerzahl Bettenhausens hatte sich somit in den letzten Jahren um ca. 1.000 erhöht.
Die Berufung hatte Erfolg und in der Verwaltungsstreitsache wurde am 12.1.1906 vom Bezirksausschuss zu Cassel „Im Namen des Königs“ die Konzession für die Gastwirtschaft erteilt. Der Rohbau, in die die Gastwirtschaft „Zur Römerhalle“ einziehen sollte, war mittlerweile erstellt worden.
Nachträglich wurde Ende 1907 der 450 qm große Garten links neben dem Haus in die Schankkonzession mit aufgenommen. Die Gastwirtschaft verfügte neben dem Wirtschaftsgarten über zwei Gaststuben. Die Theke befand sich gegenüber dem Eingang in der ersten Gaststube, dahinter war der Küchenbereich. Links neben dem Tresen war der Zugang zum Treppenhaus und den Toiletten.
Justus Barthel führte die „Römerhalle“ bis zu seinem Tod am 9.7.1915. Seine Witwe Elisabeth ließ die Konzession zum 1.10.1915 auf den Straßenbahnschaffner Johannes Claar, Quellhöfe 16, in Kassel, überschreiben. Am 21.3.1916 wurde Herrn Claar vom Stadtausschuss des Stadtkreises Cassel die Erlaubnis zum Betrieb der Schankwirtschaft inklusive dem Wirtschaftsgarten mit Einschluss des Ausschanks aller spirituosen Getränke erlaubt.
Die Kasseler Hofbrauerei Schöfferhof stimmte ebenfalls zu und verpachtete die Wirtschaftsräume an Johannes Claar.
Sohn Walter Claar (* 19.3.1900, † 30.6.1921), der Koch gelernt hatte, sollte die Gaststätte übernehmen. Doch er starb 1921 und so übernahm zum 1.7.1925 die Witwe Elisabeth Barthel wieder die Gastwirtschaft von Johannes Claar und führte sie zusammen mit ihrem Sohn Karl. Die Erlaubnis zum erneuten Betrieb einer Schankwirtschaft wurde ihr mit Schreiben vom 6.8.1925 erteilt. Mittlerweile war der größere Gastraum im Eingangsbereich direkt hinter dem Zugang zum Treppenhaus abgeteilt worden, sodass ein weiterer kleiner Gastraum in der Mitte entstand.
Der große Wirtschaftsgarten musste 1927/28 aufgegeben werden, da direkt an das Haus der Gastwirtschaft bis in den Dormannweg hinein sowie an der Leipziger Straße stadtauswärts, neue Mietshäuser gebaut wurden. Wegen ihrer roten Backsteinfassade wurden diese Häuserblöcke im Volksmund auch „Rot-Front“ genannt. In der Leipziger Straße 213, direkt neben der Gaststätte „Zur Römerhalle“, eröffnete 1928 Otto Lucas sein Zweiradgeschäft.
Am 16.9.1930 beantragte Karl Barthel (* 8.5.1905, † 14.6.1982), die Übernahme der Konzession von seiner Mutter zum 1.10.1930. Dem Antrag wurde stattgegeben. Karl Barthel war verheiratet mit Gertrude (Gerti) geborene Tillmanns (* 19.1.1908). Sie hatten zwei gemeinsame Kinder: Tochter Waltraud und Sohn Dieter, der am 4.8.1945 verstarb
Karl Barthel wurde am 5.7.1940 zur Wehrmacht eingezogen. Ehefrau Gerti konnte den Betrieb allein nicht aufrechterhalten. Ein geeigneter Vertreter wurde nicht gefunden, deshalb schloss die Gastwirtschaft zum 6.7.1940. Die Konzession ruhte und wurde damit zeitlich befristet erhalten. Karl Barthel wurde im Juli 1942 wegen Krankheit aus dem Wehrdienst entlassen. Von diesem Zeitpunkt an führte er die „Römerhalle“ mit seiner Ehefrau weiter.
Ende des 2. Weltkriegs wurde das Haus durch Artilleriebeschuss getroffen und stark beschädigt. Nach Kriegsende konnten die Trümmer mit Hilfe der Hausbewohner beseitigt und die Schäden repariert werden, sodass auch die darüber wohnenden Mieter ihre wieder hergerichteten Wohnungen beziehen konnten. Das markante Ecktürmchen auf dem Dach über dem Eingang wurde später bei anstehenden Reparaturarbeiten abgebaut.
Das gesellschaftliche Leben in der „Römerhalle“ kam allmählich wieder in Gang. Schon 1946 versammelten sich ca. 20 – 25 Männer unter dem Chorleiter Paul Kleindienst, um den „Gemischten Chor 1861 Kassel-Bettenhausen e.V.“ wieder ins Leben zu rufen. Die Chorproben wurden vorübergehend in den Gasträumen abgehalten, ein Klavier zur musikalischen Begleitung war vorhanden. Doch die Räumlichkeiten in der „Römerhalle“ waren auf Dauer zu klein und der Chor zog für kurze Zeit zum „Theater des Ostens“ weiter, um dann Ende 1950 endlich wieder in sein altes Vereinslokal „Insel Helgoland“ zu wechseln.
In 1947 fand in der „Römerhalle“ die Gründungsversammlung des VdK (Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschland e. V.), Ortsgruppe Bettenhausen - Waldau, statt.
Private Familienfeiern, z. B. Hochzeiten, mit den in der damaligen Zeit üblichen Speisen wie Hochzeitsuppe, Schweine- und Rinderbraten mit Gemüse und Salat, waren im Angebot und wurden von den Bettenhäuser Familien gern angenommen. Noch immer wurde das beliebte Schöfferhofer Bier von der Herkulesbrauerei AG ausgeschenkt.
Nach dem 2. Weltkrieg war die „Römerhalle“ auch das Vereinslokal für das 1908 gegründete Bandonionorchester Bettenhausen. Bis ca. 1954 fanden hier an jedem Donnerstag um 19.30 Uhr die Übungsstunden statt, bis auch hier die zu engen Räumlichkeiten einen Umzug ins „Theater des Ostens“ des damaligen Wirtes Heinz Happe notwendig machten. Auch die Fußballabteilung vom TSV Bettenhausen wählte in den Nachkriegsjahren die „Römerhalle“ zu ihrem Vereinslokal.
In den Nachkriegsjahren stand in der „Römerhalle“ hinter der Theke ein Telefon. Telefonanschlüsse in privaten Haushalten waren im Gegensatz zu heute nicht alltäglich. So wurde dieses Telefon von der benachbarten Bevölkerung auch reichlich genutzt. Da die Gaststätte aber nur zu bestimmten Zeiten geöffnet hatte, führte dies zu Klagen, und der Ruf nach einer öffentlichen Telefonzelle wurde laut. Diese wurde dann an der Ecke Dormannweg / Pfarrstraße eingerichtet.
Karl Barthel gab die Gastwirtschaft aus gesundheitlichen Gründen 1968/69 ab. Die „Römerhalle“ wurde in den folgenden Jahren an unterschiedliche Pächter vermietet, bis sie Anfang der 1990er Jahre endgültig schloss.
Das Haus Leipziger Straße 211 und damit auch die Räume der „Römerhalle“ verkaufte die Familie Barthel zum 31.12.1995.
Text: Klaus-Peter Wieddekind, Februar 2012
Wir danken Frau Waltraud Becker, geb. Barthel, Kassel - B., Hopfenbergweg 12. für ihre umfassenden Auskünfte und die persönliche Mitarbeit.
Konzessionsakte Leipziger Str.211 im Stadtarchiv Kassel, Akte A3.32 Nr. 1210
Fotos: Aus dem Familienbesitz von Waltraud Becker
Editor: Bernd Schaeffer, März 2012
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Kurzbeschreibung
Fast neun Jahrzehnte lang zapften zwei Generationen der Familie Barthel in der Gaststätte „Zur Römerhalle“ am Leipziger Platz ein gepflegtes Schöfferhof- Pils. Nur das repräsentative Eckhaus aus der Gründerzeit in der Leipziger Straße 211 erinnert heute noch an die hier gewährte Gastlichkeit. Frau Waltraud Becker, Tochter des Wirtes Karl Barthel, verdanken wir die Chronik der „Römerhalle“ und die dazu passenden alten Fotos.
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