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Zwangsarbeiterlager im Kasseler Osten
- Autor: Falk Urlen
- Zeit: 1939
- Ort: Kasseler Osten
- Vom: 25.03.2021
- Themen: Zweiter Weltkrieg, Industrie und Gewerbe
Im Kasseler Osten war schon immer Industrie angesiedelt. Als im Zweiten Weltkrieg immer mehr Soldaten benötigt wurden, wurden Deutsche eingezogen und durch Arbeiter aus dem Ausland ersetzt. Im allgemeinen kamen diese nicht freiwillig nach Deutschland, also waren es Zwangsarbeiter, die in kleinen bis großen Lagern (bis 3000 Personen) untergebracht wurden. Nach 1945 kehrten die meisten in ihre Heimat zurück. Eine Seniorengruppe um Horst Knoke erstellte in den 1990er Jahren eine Karte mit den Standorten der Lager. Sie nutzten dazu Veröffentlichungen und vervollständigten diese mit persönlichen Erinnerungen. Diese Karte wurde jetzt in eine neue (2021, Openstreetmap) übertragen und mit neueren Erkenntnissen vervollständigt. Bitte melden Sie sich, wenn Sie Fehler feststellen oder noch Ergänzungen haben.
Vorwort
Es soll in diesem Rahmen keine Gesamtdarstellung der Zwangsarbeiter in Kassel während des Dritten Reichs gegeben werden; es geht primär um den Standort der Lager im Kasseler Osten. Schriften, die Kassel betreffen und in die Tiefe gehen, sind bei den Quellen angegeben.
Schon in den 30er Jahren waren z. B. in den Niederlanden Arbeitskräfte angeworben worden. Viele kamen zunächst freiwillig, weil in den Niederlanden große Arbeitslosigkeit herrschte. So stammten in Kassel in den 40er Jahren 300 Straßenbahnfahrer aus den Niederlanden. Sie wohnten in Privatwohnungen, erhielten pro Arbeitsstunde 1 RM, wovon sie täglich 1 RM für ihre Unterkunft und 1,50 RM für Verpflegung zahlen mussten. Die Sozialversicherung zahlte der Arbeitgeber.
Da Deutschland in den ersten 40er Jahren immer mehr Ersatzarbeiter für die zum Krieg eingezogenen Deutschen brauchte, wurden immer mehr Arbeiter aus dem Ausland eingesetzt, die wegen der hohen Zahl jetzt in Lagern untergebracht werden mussten.
Man unterschied in „Westarbeiter“ und in „Ostarbeiter“. Während sich die aus dem Westen Europas stammenden Arbeiter in Kassel im allgemeinen frei bewegen konnten, wurden die Lager der sog. „Ostarbeiter“ mit Stacheldraht eingezäunt und bewacht; letztere waren also eindeutig Zwangsarbeiter.
„Freiwillig“ kamen in den 40er Jahren kaum noch „Westarbeiter“, sie wurden in ihrer Heimat unter Druck gesetzt, so dass sie gar nicht anders konnten, als sich zu melden; anderenfalls erhielten sie z. B. in Holland weder Arbeitslosenunterstützung noch Lebensmittelmarken. Ihnen wurde auch angedroht, dass im Falle einer Weigerung ihre Angehörigen ins Konzentrationslager kämen. Anfang der 40er Jahre wurden so ganze Jahrgänge nach Deutschland geschickt, 1944 sogar nach Deutschland befohlen. Nach Hause konnten sie auch nicht mehr, da alle, auch die mit zeitlich befristeten Verträgen, „dienstverpflichtet“ wurden. Sie wurden in Deutschland als "Fremdarbeiter" bezeichnet, in Wirklichkeit waren aber jetzt alle ausländischen Arbeiter „Zwangsarbeiter“, die in kleinen und großen Lagern untergebracht werden mussten.
Die "Westarbeiter" waren in ihrem Heimatland "angeworben" worden. Hätten sie sich nicht gemeldet, bekamen sie weder Arbeitslosenunterstützung noch Lebensmittelmarken. Z. T. wurde gedroht, dass die Eltern und Geschwister in ein Konzentrationslager kämen. Wim de Vries hat zum Leben in den Lagern einen Gedichtband herausgebracht.
Die sog. "Ostarbeiter" waren in eingezäunten Lagern untergebracht und wurden bewacht. Sie bekamen schlechtere Verpflegung als die "Westarbeiter"
Da viele dieser Quellen Erinnerungen von Menschen sind, kann es auch hier evtl. zu Irrtümern und Verwechslungen gekommen sein. Der Verfasser ist darum für Berichtigungs- und Ergänzungshinweise dankbar.
Da die oben abgebildete "Erinnerungskarte" auf den ersten Blick etwas verwirrend ist, habe ich eine neue auf der Grundlage einer heutigen Karte (2021,Openstreetmap) angelegt, hier die angegebenen Standorte übertragen und fehlende ergänzt. Ich habe die Bezifferung wegen der Vergleichbarkeit so belassen, wie im Original. Mit einem Klick auf die Karte können Sie diese vergrößern, wie fast alle Bilder in den Beiträgen. Dort, wo die Form genau bekannt war, habe ich diese eingezeichnet.
Liste der Lager
1 Lager Lilienthalstraße. (Edeka Gebäude) Im Keller Strafraum
2 Lager Ochshäuserstraße, bis zu 100 Niederländer
3 Lager Sandershäuserstraße (Firma Schüle & Hohenlohe)
4 Lager Lossestraße 111 (Hinter Wirtschaft Stadt Hannover:).
5 Lager Agathofstaße (Garten des Grundstücks -Viehmann). Mindestens 100 Zwangsarbeiter
6 Lager Messinghof: Polen, Russen, Balten
7 Lager Kupferhammer,
Zwischen dem 25. September 1940 und dem 12. März 1942 waren acht Franzosen aus dem Stalag IX A Ziegenhain in der Leipziger Straße untergebracht. Sie bildeten das Kommando 1369 und mussten für die Wollwäschrei Geißler arbeiten. Bis zum 1. Juni 1942 war das Kommando Nr. 1658 F ebenfalls in der Leipziger Straße untergebracht und arbeitete auch für die Wäscherei. Dieses Kommando bestand auch aus acht französischen Kriegsgefangenen.
8 Lager Eichwald (Spinnfaser AG) Belgier, Holländer, Polen, Russen.
„Eichwaldbaracken“ waren nur für „Westarbeiter“ vorgesehen. Keine Bewachung.
9 Lager Faustmühlenweg 31 (Krankenhaus Lindenberg)
10 Lager Forstbachweg 2 (Hinter Bahnübergang)
Lager der Junkers-Werke, ausschließlich für „Westarbeiter“, Franzosen, Belgier, Holländer und Luxemburger. In 28 Baracken waren ca. 3000 Menschen untergebracht. 1943 wurde das Lager stark zerstört.
11 Lager Forstfeldstraße (Reichskriegertag-Hallen)'
12 Lager Nürnberger.Straße (Heute Aral-Tankstelle) 300 Zwangsarbeiter
Außenstelle des Lagers Wartheland (26). Ab 1943 nahm es „Westarbeiter“ vom Lager Wartheland auf und wurde reines „Westlager“. Durch Luftangriff 1943 zerstört und danach wieder aufgebaut. Es bestand bis Kriegsende.
13 Lager Vautswiesenweg (100-1000 Zwangsarbeiter)
14 Lager Dianawerk, Windhukstr. 38
Lager für „Ost– und Westarbeiter“, eingezäunt und bewacht, es soll Misshandlungen gegeben haben.
15 Lager Fasanenweg
16 Lager Nürnberger Straße (Gaswerk)
17 Lager Bürgerschule 26 (Nach Evakuierung der Schüler in die Rhön und Vergitterung-der Fenster (1943)
18 Lager Leipziger Straße (Gerdum und Breuer); 1940 - 1943, 61 Franzosen
19 Lager Leipziger Straße (Beton und Monierbau, hinter Riffer)
20 Lager Dorfschänke (Im Saal der Dorfschänke) 50 Franzosen, Erfurterstr. 6a
21 Lager Olebachweg (Kadruf)
22Lager Sandershäuserstraße 39 (neben Papier Bähr) 150 Sowjets
23 Lager Salzmann Werk 1, Sandershäuser Str. 34 (über 1000 - 3000 Zwangsarbeiter*innen)
Frauen aus Polen und der Sowjetunion, ab 1944 auch sog. „jüdische Mischehepartner“ und „jüdische Mischlinge“ aus Deutschland. Z. T. arbeiteten diese bei den Henschel-Werken.
24 Lager Fieseler: (Fieseler Werke)
25 Lager Forstbachweg 4
Dieses Lager war ausschließlich für Ostarbeiter (Russen und Polen). Ein 2 m hoher Stacheldrahtzaun umgab das Werk, es wurde von der Werkspolizei bewacht, die eng mit dem Sicherheitsdienst der GeStaPo zusammenarbeitete. Letztere gab Weisungen. In geschlossenen Kolonnen marschierten Arbeiter über die Ochshäuser Str. zur Arbeit. Hier sollen „Strafmaßnahmen“ (von Essensentzug bis Hinrichtung) durchgeführt worden sein.
26 Lager Wartheland (Fieseler-Werke)
Errichtet 1941 für polnische und russische Zivilarbeiter (Männer und Frauen). Umgeben von einem 2 m hohen Stacheldrahtzaun und bewacht wie Nr. 25. Aus "disziplinarischen" Gründen soll ein Pole exekutiert worden sein. Ab 1942 wurden hier auch „Westarbeiter“ untergebracht.
27 Lager 1 Spinnfaser
In unmittelbarer Nähe zur Spinnfaser, „Ost– und Westarbeiter“, bewacht und eingezäunt, zerstört 1943 durch Luftangriff.
28 Lager Ohlebachweg 41 - 43, Sägewerk E. Bischoff,
Vom 13. September 1940 bis zum Kriegsende war im Olebachweg das Kriegsgefangenen-Kommando 1231, das aus rund 20 Franzosen bestand, untergebracht. Das Kommando musste beim Sägewerk Eduard Bischoff arbeiten. In der Zeit um das Kriegsende wurden sie per LKW von Kassel nach Frankreich transportier
29 Lager Ochshäuser Str. 31 - 43, Wegmann,
In der Ochshäuserstraße befand sich ein Lager, in dem ausschließlich Zwangsarbeiterinnen untergebracht waren. Sie wurden überwiegend bei der Firma Wegmann zur Zwangsarbeit eingesetzt.
Unter selbiger Adresse ist auch ein kleines Lager, Lager 2, der Spinnfaser AG geführt. Bis 1945 bestand in der Ochshäuser Straße ein Lager des Rüstungskonzerns Junker. Hier waren rund 200 sowjetische und rund 200 französische Kriegsgefangene, die dem Stalag IX A Ziegenhain angehörten, untergebracht. Am 31. März 1945 wurden sowohl die Franzosen als auch die Sowjetbürger nach Nordhausen im Harz gebracht.
30 Lager Schule Waldau
31 Gastwirtschaft Klippert (heute "Hessischer Hof"); Nürnberger Str. 158, 1943 - 1945 40 französische Kriegsgefangene
Außerhalb der Karte
Zwischen 1940 und 1945 waren in der Gaststätte „Zum Niestetal“ in Heiligenrode rund 100 belgische und niederländische Zwangsarbeiter untergebracht, die in den Junkerswerken in Bettenhausen arbeiten mussten. Das Gebäude am 30. Juli 1943 bei einem alliierten Luftangriffs stark beschädigt. Dabei wurden sechs Niederländer getötet.
Quellen
Text: Falk Urlen, März 2021
Führer, Harald; Niederländische Arbeiter in Deutschland 1940 - 4945, https://www.uni-muenster.de/NiederlandeNet/nl-wissen/geschichte/besatzung/zwangsarbeit.html
Krause-Vilmar, Dietfried; Große Ausländerlager in Kassel (1940 - 1945); https://www.uni-kassel.de/fb01/fileadmin/datas/fb01/Institut_fuer_Erziehungswissenschaft/Dateien/Krause_Vilmar/kassel_lager.pdf
Krause-Vilmar, Dietfried; Nachgewiesene Wohnlager und Arbeitskommandos für ausländische Zwangsarbeiterin der Stadt Kassel, 1940 - 1945; https://www.uni-kassel.de/fb01/fileadmin/datas/fb01/Institut_fuer_Erziehungswissenschaft/Dateien/Krause_Vilmar/Nachgewiesene_Auslaenderwohnlager.pdf
Strube, Wilfried; Erinnerungen im Netz; https://www.erinnerungen-im-netz.de/erinnerungen/erin-artikel/chronik-des-kleingaertnervereins-forstgelaende-ev-von-1929-bis-1955/
Van den Nieuwendijk; Cornelis G. Ab nach Kassel -ohne retour; https://www.erinnerungen-im-netz.de/fileadmin/erinnerungen_im_netz/Dokumente/Ab_nach_Kassel_-_ohne_Retour.pdf
Wegener, Heinz; Untersuchung zur Situation der Zwangsarbeiter in Kassel im Zweiten Weltkrieg
Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (Lagis): Historische Bilddokumente, (Stand: 24.8.2018)
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Kurzbeschreibung
Vor Kriegsende 1945 hatten die Nationalsozialisten in der Nähe der Betriebe Lager für Zwangsarbeiter eingerichtet. Über den Begriff "Zwangsarbeiter" wird diskutiert, da die sog. "Westarbeiter" im westlichen Ausland "angeworben" worden waren, in Deutschland wohnten (z. T. in Mietwohnungen), aber auch in Lagern und sich im allgemeinen frei bewegen konnten, sie erhielten Lohn und wurden auch sozialversichert, waren die sog. "Ostarbeiter" in eingezäunten Lagern untergebracht und wurden bewacht. Eine Rückkehr in ihre Heimat wäre den "Westarbeitern" grundsätzlich nicht möglich gewesen.
Für zehntausende dieser Arbeiter waren im Kasseler Osten Lager gebaut worden, große und kleine. Eine Gruppe von Seniorinnen und Senioren im Stadtteilzentrum Agathof schufen z. T. aus ihrer Erinnerung eine Karte, in der viele dieser Lager verortet sind, aber auch nicht alle. Der Verfasser bemühte sich, aus verschiedenen Quellen die Lager auf einer heutigen Karte zu verorten, damit auch spätere Generationen einen Überblick über die Dimensionen erhalten.
Klicken Sie auf die Karte, um diese zu vergrößern!
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