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1915

Zeitenstock 1915

Zeitenstock 1915 - Die "eiserne Zeit"

 


Foto: @ Ein Blick zurück aufs alte Kassel, 1979, Bd. 2, S. 36

Aus hessischer Eiche war ein Brunnen-Obelisk gezimmert worden, und der sollte im Rathausinnenhof mit Nägeln beschlagen werden, das Stück für 50 Pfennige - viel Geld in einer Zeit, wo "Backfisch-Mäntel" laut Zeitungsanzeige für 6,50 Mark angeboten wurden. Sinn der Gemeinschaftsaktion war es, die Kriegsbeschädigten zu unterstützen. Zaitenstöcke, das waren im alten Kassel Brunnenstöcke gewesen, aus denen an der "Zeute" (die sich später in "Zaite" verwandelte), also der Schnauze, Wasser entnommen werden konnte, das durch Röhren von Quellen am Stadtrand ins Stadtinnere geführt wurde.

Es sollte der Zaitenstock aber zugleich an die "Eiserne Zeit" erinnern, wie man damals den 1. Weltkrieg nannte. Also strömten am Donnerstag, dem 2. September (Sedanstag) 1915 die Vereine, Innungen und Schulen, mit Fahnen und Musik zum Rathaus. Dicht gedrängt standen die Zuschauer, die Fenster waren besetzt. Oberbürgermeister Koch hielt eine Ansprache, und in der Zeitung stand am nächsten Tag, "machtvoll erklang dann der gemeinsame Gesang des „Deutschland, Deutschland über alles’".

Mit dem Verkauf eines großen Areals südlich von Bettenhausen an den Militärfiskus am 25. März 1915 beginnt die Errichtung einer Munitionsfabrik riesigen Ausmaßes. Im Frühjahr 1917 ist sie vollständig in Betrieb. Bis zu 15 000 Menschen sind in Tag- und Nachtarbeit mit der Herstellung von Munition beschäftigt.

Sophie Henschel starb am 5. Februar 1915. Und obwohl ihre unternehmerische Leistung ihresgleichen sucht, wurde sie in der Firmengeschichte und auch der lokalen Geschichtsschreibung lange Zeit zur Randfigur und oft nur noch im Zusammenhang mit ihrem Mann erwähnt. Erst in jüngster Zeit wird sie als eine der bedeutendsten, ja vielleicht die bedeutendste Unternehmerin Deutschlands, wiederentdeckt.

Fast 89jährig starb Sigmund Aschrott im Jahre 1915 in Berlin. Dort liegt er auf dem großen jüdischen Friedhof in Berlin-Weissensee begraben. Obwohl die Stadt dem engagierten Unternehmer viel zu verdanken hatte, bot sie ihm kein Ehrenamt an - ein Grund, warum Sigmund Aschrott im hohen Alter nach Berlin ging, wo er 1907 zum Geheimen Kommerzienrat ernannt wurde.

Quellen: www.regiowiki.hna.de  U. Feldner,Stadtlexikon, Kassel, Herkulesverlag

Erzählungen [1]

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