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Geschwister-Scholl-Haus, das Jugendzentrum in Bettenhausen
- Autor: Erhard Schaeffer
- Zeit: 1958
- Ort: Dormannweg
- Vom: 18.01.2014
- Themen: Stadtteilkultur, Kommunale und staatliche Einrichtungen
Das Geschwister-Scholl-Haus im Dormannweg existiert als Begegnungsstätte für die Jugend, aber auch für Erwachsene schon seit vielen Jahrzehnten. Hier fand und findet bis heute “Stadtteilbezogene Sozialarbeit“ statt. Mit den Bedürfnissen der Jugendlichen und mit dem sozialen Wandel der Gesellschaft haben sich auch die Aufgaben und damit die Angebote dieses Jugendhauses geändert.
Beginnend mit der Zeit im Nachkriegsdeutschland soll hier ein Blick zurück auf über 50 Jahre Bestehen des Geschwister-Scholl-Hauses (GSH) geworfen werden. Der Saal des Hauses existierte schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Er war Bestandteil eines NS-Kindergartens, der in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts errichtet und im Krieg teilzerstört wurde.
1948 tanzen in dem provisorisch eingerichteten Saal, dem sog. GI-Club, amerikanische Soldaten mit deutschen Frauen nach der Musik von Glenn Miller. Eine Verwaltung des Hauses gibt es noch nicht. Die Nutzung erfolgt in Absprache. Auf Anordnung unter Leitung der amerikanischen Besatzer wird ab 1947 das Hilfsprogramm GYA (German Youth Activities) für die deutschen Jugendlichen geschaffen. Ziel des GYA ist die Einübung demokratischer Verhaltensformen. Beginnend mit dem Haus der Jugend im ehemaligen Kastell in der Unterneustadt 1953 werden später auch in anderen Stadtteilen städtische Jugendzentren eingerichtet und die ersten Stadtjugendpfleger eingestellt.
Ab 1956 tut sich etwas im Dormannweg 29 in Bettenhausen. In einem ersten Bauabschnitt werden neue Räume neben dem alten Saal errichtet. Im Oktober 1958 ist der zweite Bauabschnitt fertiggestellt und eine Heimleiterwohnung dazugekommen. Oberbürgermeister Dr. Lauritz Lauritzen weiht das GSH mit den Worten ein: „In der Einrichtung möge immer der Geist herrschen, der dem Handeln der deutschen Freiheitskämpfer Hans und Sophie Scholl entspricht.“ Es gibt nun Werkräume im Keller, neben dem Saal einen Filmvorführraum, eine Küche und weitere Räume für die Jugendarbeit. Das Haus gibt den Jugendlichen in der durch Not und Entbehrung geprägten Zeit durch behagliche Gruppenräume für die Freizeit- und Feierabendbeschäftigung ein Dach über dem Kopf. Die Jugendlichen finden im GSH ein zweites Zuhause. Der Heimleiter Erwin Scherze bietet zusammen mit anderen Honorarkräften musische und kreative Lernkreise an (siehe Artikel zum Herunterladen der Kasseler Zeitung vom 31.1.1959). Das Haus wird in dieser Zeit auch von Vereinen und Verbänden wie der Jugendgruppe des CVJM und dem DRK Ortsverband Bettenhausen genutzt.
Mit der "Halbstarkenwelle" Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre ist die Veränderung des Angebotes für die Jugend nötig. Es werden Hobbygruppen und Tanzabende angeboten. Besonders in Mode gekommen sind die sog. Tanz- und Fanclubs denen die Räume im GSH zur Verfügung gestellt werden. Die Interessen haben sich verändert, beliebt sind nun Musikveranstaltungen. Die werden vom Mersey- oder Memphisclub organisiert. Livekapellen, die in der Woche im Keller üben konnten, spielen am Samstag im Saal und 150-200 Besucher bewegen sich im Takt zu den lauten Beatrhythmen der Bands. In dieser Zeit gründen sich viele Amateurbands. Im GSH gibt es drei Clubs, den Mersey-, Teenie- und Memphisclub, die für ihre Mitglieder Seminare organisieren. Von den Einnahmen aus den Tanzveranstaltungen werden Stereoanlagen, Verstärker und Boxen gekauft.
Ende der 60er Jahre werden die Tanzclubs und Amateurbands von der kommerziellen Plattenindustrie verdrängt. Die Clubabende entwickeln sich zu Discoabenden bei denen DJs Platten auflegen. Die Räume des Hauses bleiben tags und abends in Mehrfachnutzung durch Kinder, Jugendliche und Vereine.
Anfang der 70er Jahre richtet sich die Angebotsstruktur auf sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche aus. Es werden weniger Freizeit- und mehr Spiel- und Lernkurse angeboten. Die Heimleiterstruktur wird durch Teamarbeit ersetzt. Dafür werden Sozialarbeiter und Stadtjugendpfleger durch die Stadt eingesetzt. Neben den drei klassischen Häusern der offenen Tür (HOT), wie GSH, Anne Frank Heim und Haus der Jugend entsteht 1970 im Lettenlager das Haus Forstbachweg eine Außenstelle der Jugendpflege. In ihm sind gleichzeitig drei Sozialarbeiter tätig. Nach der ökonomischen Krise 1974/75 steigt die Arbeitslosigkeit und mit ihr die Drogenproblematik. Die HOT bieten nun Informations- und Bildungsangebote zum Thema Berufs- und Arbeitslosigkeit an. Es werden Beratungseinrichtungen für jugendliche Arbeitslose geschaffen.
Ende der 70er Jahre ändert sich durch den Zuzug ausländischer Familien in Bettenhausen das Angebot des GSH im Dormannweg. Je mehr überwiegend türkische Familien in den Stadtteil ziehen, umso mehr deutsche Familien ziehen fort. Parallel nehmen auch die Konflikte mit deutschen Jugendlichen zu. Weniger deutsche Kinder besuchen die Spiel- und Musikgruppen im GSH. Es werden türkische Arbeitskreisleiter eingestellt um die Kinder mit Migrantenhintergrund zu fördern. Der Merseyclub ist 1979 der einzige noch existierende Club und es gibt keine Bands mehr.
In den 80er Jahren setzt sich die Entwicklung der 70er stärker fort. Vor allem Familien mit türkischer Nationalität ziehen in Alt-Bettenhausen ein. Die Angebotsstruktur des GSH geht auf diese Situation ein. Von Frauen und Mädchen werden die Angebote vor allem am Nachmittag genutzt. Abends finden Teestuben, Disco- und Filmabende statt, die von männlichen Jugendlichen besucht werden. Es gibt Hilfe für Behördenkontakte und bei Schulschwierigkeiten. Ab 1983 trifft sich im GSH der Stadtteilarbeitskreis Bettenhausen, der die Thematik “Leben-Wohnen-Arbeiten-Schule und Freizeit“ auf dem Hintergrund der deutsch–türkischen Nachbarschaft in den Mittelpunkt stellt.
In den kommenden Jahrzehnten wird das GSH fast nur noch von türkischen Jugendlichen und Kindern genutzt. Es wird somit zu einem beliebten türkischen Kinder- und Jugendzentrum.
Im Jahr 2013, 55 Jahre nach der Eröffnung, ist das Angebot nicht nur für Migrantenkinder reich gefächert und bietet Spiel, Sport, Musik bis zur Berufs- und Lebenshilfe an. Die Räume sind kreativ, zum Teil von den Nutzern selbst gestaltet. Das Haus ist eine Einrichtung der Kinder- und Jugendförderung des Jugendamtes der Stadt Kassel. Drei Sozialarbeiter stehen den Nutzern als Ansprechpartner zu Verfügung. Mit dem Leiter Otto Weißenbilder steht ihnen ein kompetenter beliebter Fachmann, der über 30 Jahr Erfahrung am Standort verfügt, voran.
Die Druckschrift zum 30jährigen Bestehen des Hauses kann im Anhang herunter geladen werden.
Editor: Erhard Schaeffer, Januar 2014
Quellen:
- 30 Jahre Geschwister-Scholl-Haus, 1988
- Kasseler Stadtausgabe, HN 16.10.1958
- Kasseler Zeitung vom 31.1.1959
- Bettenhausenarchiv
- Fotos 2013 Erhard Schaeffer
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Kurzbeschreibung
Das Geschwister-Scholl-Haus im Dormannweg existiert als Begegnungsstätte für die Jugend, aber auch für Erwachsene schon seit vielen Jahrzehnten. Hier fand und findet bis heute “Stadtteilbezogene Sozialarbeit“ statt. Mit den Bedürfnissen der Jugendlichen und mit dem sozialen Wandel der Gesellschaft haben sich auch die Aufgaben und damit die Angebote dieses Jugendhauses geändert.
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