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Die Drahtbrücke über die Fulda

Farbige Ansichtskarte der Drahtbruecke von 1905

Drahtbruecke ueber die Fulda, AK von 1905
Foto: Helmut Schagruen, Niestetal

Brücken haben für eine Stadt von alters her schon immer eine große Bedeutung gehabt. Für Kassel war die kürzeste Verbindung von der Oberstadt zur Unterneustadt lange Zeit eine wacklige Angelegenheit. Bis 1870 existierten kleine Fähren oder Schiffbrücken mit geringer Belastbarkeit. Sie stellten wegen der Gefahr des Eisganges im Winter ihre Dienste regelmäßig ein. Im Jahr 1870 ergriff der Gymnasiallehrer Professor Dr. Lindenkohl die Initiative und gründete am 19. April 1870 mit einigen Gleichgesinnten eine Aktiengesellschaft zur Erbauung eines eisernen Stegs über die Fulda. Die Drahtbrücke konnte schon am 1. November 1870 ihrer Bestimmung übergeben werden. In den 140 Jahren ihrer Existenz ist sie mehrmals beschädigt und wieder in Stand gesetzt worden. Noch heute ist es ein Erlebnis auf einer Brücke, die nur von starken Stahlseilen gehalten wird, die Fulda zu überqueren.

Stich der Drahtbruecke um 1870
Drahtbruecke um 1870 mit Blick auf die Unterneustadt  Foto: Regiowiki HNA

Eine Hängebrücke, deren Drahtsystem an zwei Pylonen aufgehängt ist, geht über die Fulda vom Kasseler Auedamm mit einer Spannweite von 84 m zur Sternstraße in der Unterneustadt.
Am 27. Januar 1870 ging der Gymnasiallehrer Professor Dr. Lindenkohl, der auf dem rechten Fuldaufer seit vielen Jahren eine von ihm angelegte Gartenvilla bewohnte, mittels eines Zetteldrucks in die Öffentlichkeit. Er hatte die Idee, eine Drahtbrücke über die Fulda zur direkten Verbindung der Ober- und Unterstadt zur Ausführung zu bringen, und zwar an einer Stelle, wo in der Vergangenheit eine Verkehrsverbindung mal durch eine Schiffbrücke, in anderen Zeiten durch eine Fähre möglich war. Sein Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, Unterstützung und Förderung, besonders durch den Mauermeister C. Mergard und andere einflussreiche Bewohner von Kassel.

Im Zusammenhang mit diesem Aufruf muss an die Errichtung der Schiffbrücke erinnert werden, welche in französisch-westphälischer Zeit an der betreffenden Stelle in den Sommermonaten errichtet worden war, aber davor schon im 18. Jahrhundert zu verschiedenen Zeiten Bestand hatte. Aus den beigefügten Abbildungen lässt sich deutlich erkennen, dass die Schiffbrücken genau an derselben Stelle aufgeschlagen waren, an welcher sich gegenwärtig die feststehende Drahtbrücke befindet und wozu anderen Zeiten ein Fährbetrieb mit einem Kahn für Fußgänger eingerichtet worden war.

Schiffbruecke ueber die Fulda um 1780 mit Blick auf das Schloss
Schiffbruecke ueber die Fulda um 1780  Foto: Joh. Heinrich Müntz, Kopie im Archiv des Stadtteilzentrums Agathof e.V.

Der Schiffbrücke existierte nie dauerhaft, im Jahre 1858 wurde sie sogar verboten und erst 1866 wieder  erlaubt.
Am 18. Oktober 1863 wurde in vielen deutschen Ländern der 50. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig gefeiert. So auch in Kassel, wo man auch an den gescheiterten Aufstand gegen den Westphälischen König Jerome Bonaparte 1809 gedachte. Für die erschossenen Aufständischen sollte auf dem Forst die Grundsteinlegung für ein Denkmal, das es heute noch gibt, stattfinden. Selbst Kurfürst Friedrich Wilhelm erschien zu der Zeremonie und ließ aus diesem Anlass von seiner Pionierkompanie eine Schiffbrücke ohne Geländer an der Stelle der heutigen Drahtbrücke schlagen, um dem ungewöhnlichen Gedränge auf der steinernen Fuldabrücke zu entgehen. Nachdem er vom Palais der Fürstin von Hanau (identisch mit dem Palais Reichenbach) den Zug gesehen hatte, fuhr er umgehend sechsspännig (wie immer) über die Behelfsbrücke und war auf dem Forst, ehe die Volksmenge das Leipziger Tor erreicht hatte. Für den Rückweg wählte er denselben Weg. Ungefähr auf der Flussmitte trat ein mittleres Pferd über den Brückenrand und schwebte plötzlich über dem Wasser. Geistesgegenwärtig sprang sein Leibjäger, der neben dem Kutscher gesessen hatte, vom Kutschbock und durchtrennte mit seinem Hirschfänger die Geschirrstränge des verunglückten Pferdes, so dass es in die Fulda stürzte, ohne die übrigen Pferde und die Kutsche in die Fulda zu ziehen. So geschah dem Kurfürsten kein Unheil, und auch das Pferd schwamm wohlbehalten ans Ufer zurück.
Da sowohl die verschiedenen Schiffbrücken, wie auch die Fähren, nur vom 1. Mai bis zum 1. Oktober ihren Dienst tun konnten, war der Bau einer feststehenden Brücke ein wichtiges Bedürfnis für eine Verbindung der Kasseler Stadtteile, und man sollte den Gründern dankbar sein. Sie wurde in einer Breite von 6 Fuß (ca. 1,75 m) gebaut und nach der Natur eines solchen Hängewerks nicht für Fuhrwerke ausreichend stabil. Daher war sie nur für Fußgänger und ausnahmsweise für Reiter zugelassen. Das Brückengeld betrug 3 Pfennige für Fußgänger und 3 Silbergroschen oder 30 Pfennigen für ein Pferd.

Drahtbruecke um 1870
Drahtbruecke um 1870  Foto: HNA Regiowiki

Die alte Drahtbrücke hatte eine Höhe von 15 bis 16 Fuß (d. h. ca. 4,5 m) über dem gewöhnlichen Wasserspiegel und war daher auch bei extremen Hochwasser sicher. Die Gesamtkosten für den Bau nebst den später angebrachten plastischen Verzierungen und Verschönerungen betrugen mindestens 50.000 Mark, welche durch eine 1870 gebildete Aktiengesellschaft beschafft wurden. Diese Gesellschaft empfing neben der Genehmigung ihrer vorgelegten Statuten durch Allerhöchsten Erlass vom 19. April 1870 unter der Firma: Aktiengesellschaft zur Erbauung eines eisernen Stegs über die Fulda Korporationsrechte, und am 14. Oktober 1870 genehmigte König Wilhelm vom Hauptquartier zu Versailles aus den Tarif zur Erhebung des Brückengeldes und der besonderen Bestimmungen bei Benutzung der Brücke. Durch den Eifer des Ingenieurs Eduard Rohde, der die Brücke konstruierte und alle Metallarbeiten bei Henschel anfertigen ließ, wurde dieselbe so zeitig vollendet, dass sie bereits am 1. November desselben Jahres ihrer Bestimmung übergeben werden konnte.
Die beiden Brückenportale trugen außer dem städtischen Kleeblätterwappen die Jahreszahl 1870 in großen goldenen Ziffern. Die beidseitigen Zugänge wurden während der Nacht durch starke hölzerne Gittertüren verschlossen.
Die sonstigen ornamentalen Ausschmückungen sind erst später hinzugekommen und heute nicht mehr vorhanden. Das an dem östlichen Brückenaufgang liegende Löwenpaar ist nach dem Entwurf des genialen Werner Henschel (am 15. August 1850 zu Rom gestorben) von dem Bildhauer Brand in größeren Dimensionen in Eisenguss modelliert worden, das an der westlichen Aueseite liegende Gegenstück, zwei Hirsche, stammt von dem Berliner Künstler Wolf (Tierwolf genannt).
Bis zum 31. März 1896 wurde das Brückengeld erhoben. Am 1. April desselben Jahres wurde sie Eigentum der Stadt und ist seitdem kostenlos benutzbar. 1912 wurde die Brücke etwas verbreitert und 1930 einer Renovierung unterzogen.
Im Winter 1940 wurde die Drahtbrücke von der durch schweren Eisgang und Hochwasser weggerissenen Gerhardtschen Badebrücke stark beschädigt. Danach wurde der Gehweg verbreitert und die beiden Brückenpylone durch größere Neubauten ersetzt. Die Widerlager wurden verstärkt und die Durchfahrtshöhe für den Schiffsverkehr angehoben.
Am 17. Mai 1943 zerstörten britische Tiefflieger die Staumauer des Edersees. 160 Millionen Kubikmeter Wasser ergossen sich nach Norden unter Mitnahme von Tierkadavern, Bäumen und Hausteilen und beschädigten auch die Drahtbrücke erheblich. 1945 entstand durch einen Bombenangriff nahezu Totalschaden. Die Brücke konnte nach den nötigen Instandsetzungsmaßnahmen 1946 wieder für den Fußgängerverkehr freigegeben werden. Während des Zissels 1954 schwankte die Brücke durch den starken Fußgängerverkehr so stark, dass sie gesperrt werden musste. Auf einem Schild wurde gebeten, nicht im Gleichschritt zu gehen, was aber nicht den gewünschten Erfolg brachte.1955 sah man sich gezwungen, die Brücke durch einen Stahlbock in der Flussmitte zu verstärken.

Die renovierte Drahtbruecke in 2015 mit Blick nach Osten
Die renovierte Drahtbruecke in 2015  Foto: Erhard Schaeffer, Kassel

1997 wurden erneut Reparaturen durchgeführt, die Pylonen wurden restauriert, die Widerlagerhohlräume ausbetoniert, der Stahlbock konnte entfernt werden und die Gehwegs-Segmente wurden mit Betonfertigteilen versehen. Nach Abschluss dieser Arbeiten gab die Stadt die Brücke für Fußgänger und Radfahrer wieder uneingeschränkt frei.

Text: Volker Renkwitz

Editor: Bernd Schaeffer, Oktober 2015

Quellen:

  • Dr. F. C. Th. Piderit
  • Wolfgang Hermsdorf, HNA
  • Regiowiki HNA aufgerufen im Oktober 2015

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Kurzbeschreibung

Brücken haben für eine Stadt von alters her schon immer eine große Bedeutung gehabt. Für Kassel war die kürzeste Verbindung von der Oberstadt zur Unterneustadt lange Zeit eine wacklige Angelegenheit. Bis 1870 existierten kleine Fähren oder Schiffbrücken mit geringer Belastbarkeit. Sie stellten wegen der Gefahr des Eisganges im Winter ihre Dienste regelmäßig ein. Im Jahr 1870 ergriff der Gymnasiallehrer Professor Dr. Lindenkohl die Initiative und gründete am 19. April 1870 mit einigen Gleichgesinnten eine Aktiengesellschaft zur Erbauung eines eisernen Stegs über die Fulda. Die Drahtbrücke konnte schon am 1. November 1870 ihrer Bestimmung übergeben werden. In den 140 Jahren ihrer Existenz ist sie mehrmals beschädigt und wieder in Stand gesetzt worden. Noch heute ist es ein Erlebnis auf einer Brücke, die nur von starken Stahlseilen gehalten wird, die Fulda zu überqueren..

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